Geesthacht. Die schriftlichen Prüfungen sind geschafft. Doch wie geht es weiter? Corona beeinflusst den Schulabschluss und auch das, was kommt.

Am Ende eines Computerspiels wartet oft ein sogenannter Endgegner. Erst wenn dieser besonders widerstandsfähige Kontrahent bezwungen ist, ist das Spiel abgeschlossen. Für Marisa Lieder vom Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) Geesthacht war ihre letzte schriftliche Abiturprüfung im Fach Mathematik genau das. „Meinen Endgegner“, nannte die 18-Jährige ihre Arbeit, die sich mit Themen aus der Stochastik, Analysis und analytischen Geometrie befasste. „Aber ich bin ganz zufrieden“, resümierte sie.

Für 140 Geesthachter Schülerinnen und Schüler ist die Schulzeit nach den in dieser Woche abgeschlossenen schriftlichen Abitur-Klausuren fast vorüber. Ende Mai oder Anfang Juni stehen nur noch die mündliche Prüfung oder die Präsentationsprüfung an.

Abitur im Zeichen der Corona-Pandemie

Die 64 angehenden Abiturienten am OHG haben dabei zwölf Jahre die Schulbank gedrückt, weil an Schleswig-Holsteins Gymnasien noch G8 gilt. Die 51 Prüflinge an der Alfred-Nobel-Schule (ANS) und die 25 an der Bertha-von-Suttner-Schule (BVS) haben 13 Jahre, neun davon an einer Gemeinschaftsschule, hinter sich.

Aber hinter allen liegt ein Schuljahr, das noch stärker von den Auswirkungen der Pandemie beeinflusst war, als das Abitur 2020. Denn während der vergangene Abschlusslehrgang „nur“ ein paar Monate lang Einschränkungen hatte, kämpfen die diesjährigen Abiturienten seit März 2020 mit den Folgen von Corona.

Unterricht in der Schulturnhalle bei mieser Akustik

Nur ein Beispiel: Um die Abstände einzuhalten, erfolgte der Präsenzunterricht am OHG meist in der Drei-Feld-Halle, dann aber für zwei Klassen gleichzeitig. „Auch wenn das Mittel-Drittel frei blieb, war die Akustik schlecht und alle schwer zu verstehen“, berichtet die 17-jährige Larissa Niemann. Insgesamt sei vieles chaotisch gelaufen.

„Dass alles gut oder alles schlecht ist, kann man so nicht sagen. Das ist individuell unterschiedlich. Einige können sich besser organisieren, als andere“, sagt Knut Vogeler, der Oberstufenkoordinator an der ANS. Man habe fast Unterricht nach Plan anbieten können. „Zumindest insofern waren sie gut vorbereitet, auch wenn sie ein Corona-Jahr mit allen Aufs und Abs mitgemacht haben“, ergänzt der ANS-Lehrer.

Um den Einschränkungen Rechnung zu tragen, hatten alle Abiturienten des Jahrgangs 2021 mehr Zeit zum Bearbeiten der Aufgaben und eine größere Auswahlmöglichkeit bei den Prüfungsinhalten. Zudem bestand die Chance, das Jahr zu wiederholen, ohne dass es auf die Schulzeit angerechnet wird. In Geesthacht hat lediglich ein Schüler der Alfred-Nobel-Schule davon Gebrauch gemacht.

Keine Partys, kein Rumgeknutsche: Die Jugendlichen trifft das hart

Tjorve Fauck von der Alfred-Nobel-Schule kurz vor dem Beginn seiner Mathe-Abi-Klausur.
Tjorve Fauck von der Alfred-Nobel-Schule kurz vor dem Beginn seiner Mathe-Abi-Klausur. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Was die jungen Erwachsenen mindestens genauso beschäftigt wie die Auswirkungen auf den Schulalltag, sind die Einschränkungen in ihren Alltag. Partys, Rumknutschen, Ausgehen, Urlaube ohne die Eltern, den 18. Geburtstag feiern – kurzum alles, was in diesem Alter wichtig ist, ist nicht möglich

Dazu kommen im Fall der Abiturienten, dass alle Festivitäten wie Abi-Ball, Motto-Woche oder Abi-Fahrt, eben alles worauf sie sich rund um den Schulabschluss gefreut haben, voraussichtlich ausfallen muss. Lehrer Knut Vogeler fasst die Situation für die Jugendlichen mit einem Wort zusammen: „Entsetzlich!“

Statt auf die Auslandsreise geht es nun häufig direkt ins Studium

Marisa Lieder und Larissa Niemann bedauern, dass sie sich zum Abi-Ball nicht aufbrezeln können. „Ein paar von uns wollen jetzt sich wenigstens ein schickeres Kleid für die Noten-Verkündung kaufen“, sagt Larissa Niemann. „Vielleicht können wir den Ball ja zum zehnjährigen Jubiläum wiederholen“, sagt die 17-jährige Larissa. Im selben Atemzug weiß sie, dass die Voraussetzungen dann nicht mehr die gleichen sind, wenn sie sagt: „Dann aber alle so mit Kinderwagen.“

Auch die Pläne für die Zeit nach dem Abitur haben sich geändert. „Vom Thema ,Auslandsreise auf eigene Faust’ haben viele Abstand genommen“, sagt Marisa, die nun gleich mit einem Studium (Jura) beginnen will. Tjorve Fauck von der Alfred-Nobel-Schule etwa hatte sich auf ein Jahr „Work and Travel“ in Australien und Neuseeland gefreut und plant stattdessen nun ein Lehramtsstudium (Fächer: Bio und Chemie). Die durch ihren Job beim LADR-Labor bereits geimpfte Larissa Niemann dagegen fährt Ende Juli als Au-Pair in die USA.

Dennoch spricht Tjorve Fauck aus, was viele Jugendliche denken: „Ob wir durch Corona unserer Jugend beraubt werden? Ich würde mit ,Ja’ antworten.“ Corona ist wirklich ein besonders fieser Endgegner.

Und einer der den Abi-Jahrgang womöglich 2022 noch härter treffen wird, als in diesem Jahr. Der jetzige 12. Jahrgang der ANS war am Montag das erste Mal seit Mitte Dezember zum Präsenzunterricht in der Schule. „Die sind fast am meisten gebeutelt“, sagt Knut Vogeler.