Geesthacht. Die Stadt will Vorreiter für die Zukunftstechnologie werden und ein regionales Verteilzentrum planen. Für Schiffe und Lkw.

Das war dann wohl der berühmte Vorführeffekt. Zum Treffpunkt am Geesthachter Schleusenkanal fuhr Prof. Dr. Thomas Klasen vorbildlich in einem mit Wasserstoff betriebenen Hybrid-Pkw. Schließlich will der Leiter für Werkstoffforschung am Helmholtz-Zentrum (HZG) zusammen mit Vertretern der Stadt und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Geesthachts Pläne für einen Wasserstoff-Hafen vorstellen – es wäre der erste in Deutschland.

Doch einen Kilometer vor dem Ziel bleibt Klasens Wagen liegen. „Das lag an der Batterie, die nicht aufgeladen war“, betont der Wissenschaftler zwar, hat die Lacher aber trotzdem auf seiner Seite. An dem Vorhaben rüttelt der kleine Fauxpas nicht. Geesthacht möchte für die Zukunftstechnologie eine Vorreiterrolle einnehmen. „Wir wollen die Stadt als Standort grüner Energie etablieren“, sagt Bürgermeister Olaf Schulze.

Wasserstoff-Hafen: Geesthacht will Vorreiter werden

Am Schleusenkanal, unweit der Grenze zu Hamburg, wirbt er für den Bau eines Wasserstoff-Hafens. Dieser soll mehrfach genutzt werden. Erstens als Liegeplatz der neuen, noch nicht im Bau befindlichen Forschungsschiffe von HZG und DLR, die teilweise mit Wasserstoff laufen. Zweitens als Deutschlands erste Wasserstoff-Tankstelle für Schiffe. Drittens soll er auch als Wasserstoff-Tankstelle für Lkw dienen. Und viertens: zum regionalen Verteilungszentrum für Wasserstoff werden. „Das wäre eine riesige Chance für Geesthacht“, glaubt Wirtschaftsförderer Andreas Dreyer.

Dafür hat die Stadt, die alten, verworfenen Pläne für einen Schüttguthafen gegenüber des Deutag-Mischwerks am Schleusenkanal aus der Schublade geholt. Vom Wasserschifffahrtsamt gab es bereits grünes Licht dafür.

Für die Finanzierung des Projekts Fördermittel akquirieren

Noch muss ein Spielzeugmodell herhalten: Derzeit halten am Geesthachter Schleusenkanal, wo die Stadt unweit der Grenze zu Hamburg Deutschlands erste Wasserstoff-Tankstelle bauen will, noch keine Schiffe.
Noch muss ein Spielzeugmodell herhalten: Derzeit halten am Geesthachter Schleusenkanal, wo die Stadt unweit der Grenze zu Hamburg Deutschlands erste Wasserstoff-Tankstelle bauen will, noch keine Schiffe. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Für die Finanzierung der Investitionen, die Dreyer im zweistelligen Millionenbereich beziffert, sollen Fördermittel akquiriert und Partner aus der Wirtschaft und den angrenzenden Bundesländern ins Boot geholt werden. Hamburg will groß ins Wasserstoff-Geschäft einsteigen. Gespräche mit Shell wurden bereits geführt. Der Konzern möchte führender Anbieter von „Grünem“ Wasserstoff werden. „Mal gucken, ob wir Deutag mit ins Boot bekommen“, sagt Bürgermeister Olaf Schulze, der sich zudem Rückenwind durch die „Nationale Wasserstoffinitiative“ erhofft.

Mit dem HZG und dem DLR beteiligen sich kompetente Wissenschaftszentren. Das Helmholtz-Zentrum forscht an Wasserstoffantrieben für Autos, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt an Antrieben für Schiffe. „Der Charme des Standorts ist die vorhandene Elbquerung“, sagt Dr. Alexander Dyck, der Leiter für Maritime Energiesysteme am DLR.

Anfang der 2030er-Jahre Schiffe mit Wasserstoff im Verkehr

In Geesthacht könnte per Schiff Wasserstoff angeliefert werden, der in Deutschland noch nicht in dieser Menge produziert werden kann. Der Wasserstoff könne zwischengelagert oder zum Betanken des Schwerlastverkehrs genutzt werden, der im Fokus bei der Umstellung auf Wasserstoff steht. „In Winsen gibt es den ersten Hersteller, der gebrauchte Lkw umrüstet (Clean Logistics, die Red.)“, sagt Schulze.

Derzeit stecken Wasserstoffantriebe noch in den Kinderschuhen. Es gibt noch kein damit betriebenes Schiff in Deutschland, lediglich sechs U-Boote, deren Tauchgänge mit Wasserstoff betrieben werden. „Wir wollen hier Pionierarbeit leisten“, betont Prof. Dr. Ulf Klasen vom HZG. Und Alexander Dyck ergänzt: „Die Technik ist reif und funktioniert. Ich denke, dass wir Anfang der 2030er-Jahre Schiffe in den Verkehr bringen können.“

Bis zum Sommer will Geesthacht seine Grobplanung für den Wasserstoff-Hafen abgeschlossen haben. Später kann sich Olaf Schulze dann vorstellen, dass auf dem im Rückbau befindlichen Gelände des Kernkraftwerks Krümmel selbst Wasserstoff produziert wird. Ganz so, wie es Hamburg mit dem Kraftwerk Moorburg vorhat.

  • Pro und contra Wasserstoff:

Wasserstoff gilt als Zukunftstechnologie und könnte eine Schlüsselrolle bei dem Prozess von fossilen zu regenerativen Energieträgern einnehmen. Beim Antrieb von Pkw und Lkw, im Zug- und Schiffsverkehr, in der Gebäudebe­heizung sowie in der produzierenden Wirtschaft werden derzeit die Einsatzmöglichkeiten überprüft. Im Hamburger Hafen entsteht ein neues Leitungsnetz, dass die Unternehmen mit Energie versorgen soll. Brennstoffzellenautos mit Wasserstoff gelten als saubere Alternative zu Pkw mit Verbrennungsmotoren.

E-Autos verfügen dagegen über eine bessere Energiebilanz. Ihre ökologische Achillesferse ist die Batterie. Umweltschonend sind beide Technologien nur, wenn der Energieträger regenerativ erzeugt wird. Sogenannter Grüner Wasserstoff wird in einem chemischen Prozess aus Wasser mithilfe von ausschließlich aus erneuerbaren Energien hergestelltem Strom erzeugt. Wirtschaftlich einsetzbar ist Grüner Wasserstoff derzeit nicht.

Um dies zu ändern, hat die Bundesregierung eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ beschlossen. Aktien von Unternehmen, die in diesem Segment aktiv sind, erfreuen sich großer Beliebtheit, besonders bei Fonds und Privatanlegern. Sie sind mittlerweile keine Schnäppchen mehr, gelten aber als risikoreich.