Geesthacht. Geesthachts Feuerwehrleute mussten bisher die kontaminierte Einsatzkleidung unter freiem Himmel wechseln. Nun ist Besserung in Sicht.

Auf seinem Dienstlaptop in der Geesthachter Feuerwache am Kehrwieder zeigt Thomas Marbes ein Bild, das im kommenden Jahr der Vergangenheit angehören soll. Auf dem Foto ziehen sich Feuerwehrleute nach einem Einsatz unter freiem Himmel um. Auf einem öffentlichen Parkplatz haben sie sich aus ihren vom giftigen Rauch kontaminierten Anzügen geschält, schlüpfen in Unterwäsche in saubere Kleidung, ungeschützt vor neugierigen Blicken.

Wenigstens ist das Wetter warm, aber das ist Zufall. Solche Szenen gibt es auch im Winter. „Und wir haben auch Frauen dabei“, sagt Thomas Marbes, der in Doppelfunktion Feuerwehrmann und Mitarbeiter der Stadtverwaltung im Fachdienst Öffentliche Sicherheit ist.

Aus der Skizze wurde mittlerweile eine Konstruktionszeichnung

Für Abhilfe soll im kommenden Jahr ein neues Feuerwehrauto sorgen, ein Hygienefahrzeug. Thomas Marbes hatte im vergangenen März die Idee, fertigte eine Skizze mit seinen Vorstellungen an. Aus der Skizze wurde mittlerweile eine Konstruktionszeichnung, denn nach einer Ausschreibung erhielt die Firma GSF Sonderfahrzeugbau aus Twist bei Meppen den Zuschlag zum Bau des Fahrzeugs. Im Dezember soll es angeliefert werden.

Damit liegen die Geesthachter Wehren – denn auch die Kameraden aus Grünhof-Tesperhude sollen Nutznießer sein – weit vorn in Sachen Trennung vergifteter Einsatzanzüge und sauberer Wechselkleidung. So etwas gibt es noch nicht in dieser Form in Schleswig-Holstein, und selbst bundesweit bisher nur selten an größeren Standorten wie Mannheim oder Gütersloh.

Wichtiges Thema: Trennung von Einsatz- und sauberer Wechselkleidung

Hintergrund sind Studien, die einen Zusammenhang herstellen zwischen einer Krebsgefahr bei Feuerwehrleuten und ihren Einsätzen. Krebs sei mit 86 Prozent die häufigste Todesursache bei Feuerwehrleuten, befand etwa eine Untersuchung vom November 2018 aus Kanada. Ursache ist oft nicht so sehr der bei Einsätzen eingeatmete Rauch – davor schützt die Atemschutzmaske. „Die Kontaminationsverschleppung erfolgt hauptsächlich durch die Kleidung“, erläutert Thomas Marbes. Durch Ausdünstungen aus den Anzügen oder Kontakt mit der Haut werden anhaftende Giftstoffe übertragen, auch wenn der Einsatz längst be­endet ist.

Chlor, Blausäure, Salzsäure, Phosgen, Benzol, Tuluol, Ammoniak und Schwefelwasserstoff listet eine Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) als Stoffe auf, die sich nach einer Analyse in den Anzügen angereichert hatten – und das sind noch längst nicht alle. „Hygiene und Kontaminationsvermeidung bei der Feuerwehr“, heißt ein Heft der DGUV, das dokumentiert, welchen Stellenwert die penible Trennung von Einsatz- und sauberer Wechselkleidung einnimmt. „Es kommt zu einem Umdenken“, erläutert Thomas Marbes.

Standort wird die Feuerwache am Kehrwieder sein

Das Hygienefahrzeug für Geesthachts Feuerwehr soll sieben Meter lang werden. Ein größeres, wie es bei der Feuerwehr in Mannheim verwendet werde, habe für Geesthacht wenig Sinn, erklärt Marbes. Das Fahrzeug sei auf die Verhältnisse vor Ort abgestimmt. „Wir haben hier teils enge Räume und kleine Straßen“, sagt er. „Wenn wir weiter weg parken müssten, wäre durch den längeren Anmarsch nicht viel gewonnen.“

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Das Fahrgestell liefert Mercedes, der Aufbau wird von GFS nach ­Vorgaben aus Geesthacht gefertigt. „Feuerwehrfahrzeuge kommen nicht von der Stange“, sagt Marbes. Kosten soll das neue Gefährt 160.000 Euro. Standort wird die Wache am Kehrwieder. Der Wagen soll bei jedem Lösch- und Gefahrguteinsatz ausrücken – etwa wie beim Chlorgasunfall in einem ­Therapieschwimmbad im vergangenen Sommer.

Im Eingang eine Vorwäsche, danach die Umkleidekabine

Die Feuerwehrleute durchlaufen den Prozess des Säuberns in einem Kreislauf: Vor dem Eingang ist die Möglichkeit für eine Vorwäsche. Im Fahrzeug wird sich der Einsatzkleidung warm und geschützt entledigt. Sie wird in luftdichte, handelsübliche Haushaltssäcke verpackt und in eine Kiste gelegt, die durch eine Klappe von außen entnommen wird. Gewaschen wird in der industriellen Waschmaschine in der Feuerwache. Um sich Gesicht und Hände zu säubern, gibt es im Innenraum einen kleinen Waschbereich. Die Person im Fahrzeug wechselt dann durch eine Innentür in den sauberen Bereich, entnimmt aus einem Spint saubere Kleidung und kann „entgiftet“ am Heck aus­steigen.

„Das Fahrzeug schließt eine große Lücke“, sagt Thomas Marbes. „Wenn es da ist, wird ein Hygienekonzept geschrieben, anschließend wird es Schulungen geben.“ Und dann sollte Schluss sein mit Fotos von Einsatzkräften, die sich im Freien umziehen müssen.

  • Initiative „FeuerKrebs“:

Eine mächtige Stimmen, um auf die Krebsgefahr bei Feuerwehrleuten aufmerksam zu machen, gehört Marcus Bätge. 2016 war er Mitgründer von „FeuerKrebs“ (www.feuerkrebs.de), einer Hilfsorganisation von Feuerwehrleuten für Feuerwehrleute bzw. deren Angehörige. „FeuerKrebs“ kämpft auch dafür, dass der Krebs als Berufskrankheit bei Feuerwehrleuten anerkannt wird.

„In der Vergangenheit war ein dreckiger, rußgeschwärzter Helm ein Statussymbol, ein äußeres Merkmal eines Feuerhelden. Ich versuche, dieses Bild als falsch zu entlarven und klar zu stellen, wie wichtig der Eigenschutz ist“, stellt Marcus Bätge auf der Homepage klar und dokumentiert so das stattfindende Umdenken.