Geesthacht. Neuer Flyer stellt interessante Ziele vor und hält auch Überraschendes bereit. Es gibt aber keine extra Ausschilderung für die Route.
Industriearchäologe Swen Bardua kommt weit herum und schaut sich viele Objekte an. Aber die alte Gasreglerstation in Geesthacht war selbst für ihn für eine Überraschung gut. „Was ist das denn?“, habe er bei seiner Tour durch Geesthacht gedacht. „Das habe ich in anderen Städten noch nicht gefunden. Das war für mich ganz neu“, schildert er seine Verblüffung bei der Vorstellung der „4. Route der Industriekultur“, die die Metropolregion Hamburg gemeinsam mit der Geesthachter Tourist-Information am gestrigen Mittwoch präsentierte.
Das Geesthachter Stadtgebiet ist dabei nach Neumünster, Schwerin und Lauenburg im Norden erstmals mit einer eigenen Fahrradtour vertreten. Viele von diesen Wegen, die zu interessanten Sehenswürdigkeiten der Industriegeschichte führen, gibt es nicht in Deutschland, der Ruhrpott und das Rhein-Maingebiet weisen noch solche Touren aus.
Mit dem Fahrrad die Geesthachter Industriegeschichte kennenlernen
„Neben den üblichen Verdächtigen gibt es auch ein paar seltener aufgeführte Ziele“, erklärt Swen Bardua die Route, die er nach einer Radtour im Sommer austüftelte. 20 Punkte hat der Buchautor für den Flyer zusammengetragen. „Ich kenne Geesthacht eigentlich ziemlich gut, habe dann aber doch noch das eine oder andere Neue entdeckt“, sagt er.
So wie eben die Gasreglerstation an der Grenzstraße - die 110 Jahre nach ihrer Erbauung immer noch genutzt wird, erklärt der Text im Flyer. Seit 1911 beleuchteten Gaslaternen die Straßen von Geesthacht. Der Brennstoff kam vom Gaswerk der Berliner Aktiengesellschaft für Gas-, Wasser- und Elektrizitäts-Anlagen in Bergedorf. Das Unternehmen hatte 1907 ein neues Gaswerk an der heutigen Kurt-A.-Körber-Chaussee 20 bauen lassen.
Seit 1911 beleuchteten Gaslaternen Geesthachts Straßen
Die Verbindung zwischen der Gasfernleitung und dem örtlichen Gasnetz stellt die 1911 an der Grenzstraße eingeweihte Reglerstation her. Das Häuschen war der Hauptverteiler, dient heute noch als Ortsnetzstation. Daneben blieb das Wohn- und Bürohaus des Gasmeisters - mit Gaslaterne am Giebel - erhalten. Ein einst als Zwischenspeicher dienender Glockengasbehälter ist mittlerweile abgerissen.
Westlichster Punkt der Anfahrtipps sind die Besenhorster Sandberge, östlichster ist der alte Wasserturm der Dynamitfabrik in Grünhof, Nähe Westerheese. Im Norden begrenzt der Wasserturm Düneberg, im Süden die Staustufe das Areal. Diese Orte können auf Spaziergängen meist unabhängig von Öffnungszeiten erkundet werden. Wer nicht ortskundig ist, sollte aber besser auf den Flyer zurückgreifen, in dem die Lage der Punkte und zudem ihre Geschichte erklärt werden. Eine Ausschilderung ist nicht vorgesehen.
Flyer sind trotz Lockdowns und Schließung erhältlich
5000 Flyer sind gedruckt und an die Tourist-Information im Geesthacht-Museum (Bergedorfer Straße 28) ausgeliefert worden. Trotz der Schließung wegen des Lockdowns könne man sich welche holen, sagt Bettina Knoop. Der Prospekthalter an der Mauer wird stets bestückt. Außerdem sollen sie im Rathaus-Foyer ausliegen sowie bei der VHS Geesthacht (Buntenskamp 22) und der Stadtbücherei (Rathausstraße 58), die aber beide zurzeit geschlossen sind. Ein Karton geht an die Tourist-Information nach Lauenburg. Zudem ist der Flyer im Internet bestellbar (web4.deskline.net/geesthacht/de/brochure/list) oder unter 04152/836258. Alle Broschüren sind einsehbar auf metropolregion.hamburg.de/industriekultur/routen.
„Die Menschen suchen nach interessanten Ausflugszielen, das sollten wir in Geesthacht nutzen“, sagt Bettina Knoop. In Neumünster gibt es den dortigen Flyer mittlerweile in der dritten Auflage nun auch auf Englisch und auf Dänisch. Diese Idee findet sie ebenfalls sehr interessant - die Geesthachter Industrietour könnte also später mal noch einen internationalen Touch bekommen.
20 Stationen werden als Meilensteile der Industriekultur genannt
Diese Ort fanden als Meilensteine der industriegeschichtlichen Entwicklung Berücksichtigung: Staustufe, Schleuse, Ruinen der Pulverfabrik Düneberg, Hafen und Eisbrecher, Gründungsareal der Pulverfabrik, Werkstätten und Siedlung der Pulverfabrik, Norddeutsche Teppichfabrik, Bahnhof Düneberg, Wasserturm Düneberg, Wasserwerk Richtweg, Gasreglerstation Grenzstraße, Bahnhof Geesthacht, Museumsbahn Karoline, Geesthacht-Museum, Wasserhochbehälter Edmundsthal, Pumpspeicherkraftwerk, Bahnhof und Dynamitfabrik Krümmel, Kernkraftwerk Krümmel, Wasserturm der Dynamitfabrik und die Hauptwerkstatt der Dynamitfabrik.
„Swen Bardua hat vor einem Jahr angerufen und angefragt, ob wir mitmachen wollen mit einer eigenen Route“, erzählt Bettina Knoop. Sie fand das Anliegen der Metropolregion plausibel. „Ich hätte den Flyer gern schon im vergangenen Sommer gehabt. Das passt doch perfekt zu Geesthacht“, findet sie. Sie musste das Vorhaben erst noch mit dem Bürgermeister abstimmen, der ebenfalls begeistert war. „Dass Geesthacht jetzt als erst vierte Stadt mit einer eigenen Route vertreten ist, ist doch super“, meint Bettina Knoop. Zwar sei es nun Winter geworden, bevor der Flyer fertig war, aber „genau jetzt haben die Leute doch Langeweile“.
Leihfahrräder sind bei der Tourist-Information beliebt
In der Tourist-Information wären sogar selbst zu dieser Jahreszeit noch zwei Räder kontaktlos zu leihen. Drei Stunden kosten acht Euro, E-Bikes 12 Euro. Die anderen sind zur Wartung bei Koech 2-Rad Technologie aus Ratzeburg. Mit diesem Betrieb wird beim Verleih kooperiert. Im März sollen sie zurück sein.
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„Die Menschen werden nicht verreisen können, die Nachfrage wird groß sein“, erwartet Bettina Knoop. „Sie war schon im vergangenen Jahr enorm. Wir hätten mehr einnehmen können, wenn wir mehr Räder gehabt hätten.“ 1000 bis 1500 Euro mehr hätten es sein können, schätzt die Tourismus.-Expertin. Die normalen Räder wurden 88-mal entliehen, die E-Bikes sogar 127-mal. Als Mehreinnahmen gegenüber 2019 sprangen fast 2000 Euro heraus. 2019 waren es 3700 Euro, nun 5350 Euro.
„Ein Geschäft ist es trotzdem nicht“, sagt Bettina Knoop. Für die Tourist-Information blieb nur zehn Prozent Vermittlungsgebühr in der Kasse. „Aber wir finden es super, dass wir den Gästen so etwas bieten können.“