Anwohner und Lokalpolitik vollziehen nach Protesten über vergangene Fällarbeiten einen Schulterschluss. Zehn-Jahres-Plan steht.

Geesthacht. Frank Böhmke ist Anwohner am Ostpreußenweg beim Stadtwald. Der Zustand, in dem er im vergangenen Februar seinen geliebten Stadtwald vorfand, ließ ihm keine Ruhe. „Eine Schneise der Verwüstung ist das“, sagte Böhmke damals entrüstet bei einer Ortsbegehung. Grund waren die damaligen Forstarbeiten, die den Wald stark gelichtet, die Wege deutlich breiter hinterließen. „Das hat nichts mehr mit Wald zu tun“, klagte Frank Böhmke.

Das Geschehen ließ ihm keine Ruhe, die anfängliche Empörung verrauchte nicht. Wie damals angekündigt, hat er zusammen mit anderen Anwohnern mittlerweile die „Interessengemeinschaft Stadtwald“ gegründet.

Neuer Stadtwald soll sich größtenteils selbst überlassen werden

„Wir sind keine Forstwirte, Ökologen oder Baumkundler, sondern sind einfach nur Freunde, Nachbarn, Bekannte und Naturfreunde, die gerade in Zeiten wie diesen den Wald als Rückzugsgebiet, Ruhepol und Sauerstoffspender aufsuchen“, schildert Böhmke die Beweggründe. „Da es uns mehr als traurig und betroffen gemacht hat, den Wald nach den forstwirtschaftlichen Eingriffen aus dem Februar in solch einem Zustand vorzufinden, sahen wir uns als Bürger und Naturfreunde gezwungen, mit Hilfe und Unterstützung der Politik und Presse dem Tun und Handeln Einhalt zu gebieten und dem Wald für die nächsten Jahre die notwendige Zeit und Ruhe für eine Regeneration zu gönnen.“

Frank Böhmke hakte bei den Fraktionen nach, schilderte die Situation – und fand ein offenes Ohr. Zusammen mit Grünen, SPD, Linken und den Bürgern für Geesthacht (BfG) zieht die Interessengemeinschaft nun an einem Strang. Es wurde eine Art Pakt für einen neuen Stadtwald geschlossen.

Areal umfasst Heidberge und Besenhorster Sandberge

Das Areal umfasst die Heidberge mit etwa 110 Hektar und die Besenhorster Sandberge mit etwa 130 Hektar. In Kürze muss das neue Forsteinrichtungswerk beschlossen werden, das für zehn Jahre festlegt, was im Wald geschehen soll. Das alte endete turnusmäßig 2020. Es formuliert mittel- und langfristige Ziele, dient dem Förster als Richtschnur für seine Maßnahmen. Für Geesthacht ist das Kreisförster André Guiard, der sich auf Honorarbasis auch um den Stadtwald kümmert. Die Flächen des Stadtwalds sind zu klein, um einen eigenen Förster zu beschäftigen.

Wenn sich das politische Quartett mit seinen Vorstellungen durchsetzt, werden sich Arbeiten wie im vergangenen Frühjahr für längere Zeit nicht mehr wiederholen. Grüne, SPD, Linke und BfG wollen im Ausschuss für Umwelt und Energie am 25. Januar einen Antrag einbringen, der dem Geesthachter Stadtwald ein anderes Aussehen bescheren soll. Was dann künftig dort gemacht werden soll, ist: nichts!

Als Vorbild dient das Lübecker Waldkonzept

Der Wald wird im Wesentlichen sich selbst überlassen. „Die Natur ist der beste Förster“, sagt Dr. Friedhelm Ringe von den Grünen. Der Biologe plädiert für einen möglichst dichten Wald, der Vegetation in jeder Höhe bietet – wichtig für eine Artenvielfalt, besonders bei den Vögeln.

Für ein solches Vorgehen gibt es mittlerweile Vorbilder, etwa das Lübecker Waldkonzept, an dem sich das Forsteinrichtungswerk orientieren soll. Es beinhaltet unter anderem ein Einschlagsmoratorium für fünf Jahre, eine praktizierte naturnahe Waldnutzung und den Verbleib von Totholz. Und es soll geprüft werden, ob die gesamte Fläche des Stadtwaldes unter Naturschutz gestellt werden kann. Die Eingriffe werden begrenzt auf Verkehrssicherung entlang der Wege.

Maßnahmen gegen Traubenkirsche bleiben erlaubt

Auch dort, wo seltene, besondere Flächen wie in den Sandbergen vor einem Zuwuchern geschützt werden müssen, soll etwas gemacht werden. Maßnahmen gegen die Spätblühende Traubenkirsche aus Nordamerika, die wegen des hohen Ausbreitungspotenzials sehr invasiv ist, können durchgeführt werden. Ansonsten gilt: Naturnahe Wälder, die sich störungsfrei entwickeln, könnten sich am besten an den Klimawandel anpassen.

Christoph Hinrichs, Fraktionsvorsitzender der Linken, beurteilt das Konzept positiv, möchte aber noch einige Punkte geklärt wissen, etwa zum Thema Jagd, Ausweisung von Naturschutzgebieten und Ortsumgehung Geesthacht. Da die Koalition aus Grünen, SPD, Linken und BfG mit sieben Stimmen unter elf Ausschussmitgliedern im Umweltausschuss die Mehrheit hat, dürfte der Antrag für das neue Konzept für die Waldentwicklung angenommen werden.

Neues Vertragswerk könnte von April oder Mai an gelten

Dann ginge es so weiter: Die Stadtverwaltung gibt das Konzept an die Experten der Firma FBR Consulting weiter, das neu geschriebene Forsteinrichtungswerk wird nach Fertigstellung im Umweltausschuss vorgelegt, und, bei mehrheitlichem Gefallen, in der Ratsversammlung zur Abstimmung gestellt. Ali Demirhan, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, hofft, dass das neue Werk dann ab April oder Mai gilt.

Bis dahin habe ihm der Bürgermeister versprochen, dass keine Bäume gefällt werden sollen, sagt Demirhan. Wenn, dann nur aus Sicherheitsgründen.