Seevetal/Tostedt. Sie stärken die Demokratie, gedankt wird es ihnen selten. Nun wurden zwei Bürgermeisterinnen aus dem Kreis Harburg nach Berlin eingeladen.
- Ehrenamtlich als Bürgermeister oder Bürgermeisterin zu arbeiten – was treibt die Menschen an, die diesen Job übernehmen?
- Tatsache ist, dass sich immer weniger Menschen dafür interessieren
- Wir haben zwei Frauen aus dem Landkreis Harburg getroffen und gefragt, warum sie sich ausgerechnet für dieses Ehrenamt entschieden haben
Spielplätze, Seniorencafé, Dorffeste – vieles, was einen Ort lebendig und lebenswert macht, würde ohne sie nicht funktionieren. Ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister halten nicht nur organisatorische Fäden zusammen, sondern sie setzen sich auch nach außen für die Interessen ihrer Ortsbewohner ein und vermitteln innerhalb der Dorfgemeinschaft. Damit jede Stimme im Land gehört wird.
Ehrenamt für die Demokratie: Bundespräsident lädt Bürgermeister nach Berlin ein
Für ihren Dienst an der Demokratie erhalten sie kein Gehalt, zudem erleben einige Anfeindungen und Gewalt. Trotzdem engagieren sich in Deutschland etwa 6000 Menschen in diesem Ehrenamt. Zwei von ihnen sind Angelika Tumuschat-Bruhn, Ortsbürgermeisterin in Seevetal, und Nadja Weippert, Bürgermeisterin der Gemeinde Tostedt.
Zum Dank für ihren unermüdlichen Einsatz hat der Bundespräsident sie nun nach Berlin eingeladen. Gemeinsam mit 80 weiteren ehrenamtlichen Amtskollegen haben die beiden Frauen aus dem Landkreis Harburg am Donnerstag Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue getroffen.
Die zweitägige Veranstaltung „Demokratie beginnt vor Ort“ soll das Ehrenamt würdigen, zur Diskussion über Demokratie anregen und den Austausch ehrenamtlicher Kommunalpolitiker und -politikerinnen fördern. Sie beginnt am Mittwoch mit einem Netzwerktreffen. Die Teilnehmer haben Gelegenheit, sich zu Themen wie Vereinbarkeit von Ehrenamt und Hauptberuf sowie Familie, den zeitlichen Belastungen oder Anfeindungen auszutauschen und voneinander zu lernen.
Maschens Ortsbürgermeisterin sagt: „Respekt hat nachgelassen“
„Wenn sich möglichst viele Menschen aktiv in gesellschaftliche Debatten einmischen, Verantwortung übernehmen und ihr Lebensumfeld durch Ideen und Engagement mitgestalten, wird Demokratie erlebbar“, sagt Angelika Tumuschat-Bruhn, die sich seit 33 Jahren für die SPD kommunalpolitisch engagiert und seit 13 Jahren als Bürgermeisterin die Seevetaler Ortschaften Maschen, Horst und Hörsten vertritt.
Von Anfeindungen wurde sie bisher verschont. „Es hat gelegentlich verbale Entgleisungen gegeben und der Respekt gegenüber mir als Amtsperson hat im Laufe der Jahre nachgelassen, aber Bedrohungen habe ich nicht erlebt“, sagt die Ortsbürgermeisterin.
Bürger haben hohe Erwartungen an ehrenamtliche Bürgermeister
Das Amt bringe jedoch andere Herausforderungen mit sich. „Die Bürgerinnen und Bürger haben eine sehr hohe Erwartungshaltung an die Kompetenz, die Einflussmöglichkeiten, das Engagement und die Geschwindigkeit der Aufgabenerledigung. Die Erwartungen zu erfüllen, ist für mich täglich eine neue Herausforderung.“
Vielen Mitbürgern sei gar nicht bekannt, dass die Bürgermeister ihr Amt ehrenamtlich in der Freizeit ausüben und dafür lediglich eine geringe Aufwandsentschädigung erhalten. Zudem sei dies ist auch kein Beruf, den man erlernen könne, sagt Tumuschat-Bruhn. „Man muss sich sein Wissen und seine Kompetenz im Laufe der Jahre selbst erarbeiten.“
Angelika Tumuschat-Bruhn will vor Ort die Demokratie stärken
Trotz der Herausforderungen will sie auch andere Menschen ermuntern, sich ehrenamtlich für die Demokratie einzusetzen. „Wir haben in jüngster Zeit erfahren müssen, dass Frieden, Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeiten sind“, sagt Tumuschat-Bruhn. „Wenn wir in Deutschland unsere freiheitliche demokratische Grundordnung erhalten wollen, müssen wir für sie eintreten und sie pflegen. Und das beginnt vor Ort, jeden Tag im Kleinen.“
Ihr Ehrenamt koste viel Zeit, doch es sei eine sinnstiftende Aufgabe. Wer Freude an der Gestaltung seines Lebensumfeldes habe, gern mit Menschen zusammen sei, netzwerken könne, Spaß an politischer Arbeit habe, immer bereit sei, etwas Neues zu lernen, und Geduld sowie Ausdauer habe, für den sei solch ein Amt genau richtig. Von vielen Menschen erhalte sie Dank und Anerkennung, sagt Tumuschat-Bruhn. „Das ist wiederum für mich eine wunderbare Bestätigung.“
„Hoffe, meinen kleinen Betrag für die Demokratie in unserem Land zu leisten“
Die Maschener Ortsbürgermeisterin zitiert John Dewey, einen amerikanischen Philosophen und Pädagogen (1859-1952), der 1916 schrieb: „Demokratie muss in jeder Generation neu geboren werden, und Bildung ist ihre Hebamme.“ Dieser Grundsatz motiviert Angelika Tumuschat-Bruhn stets auf Neue, ihr Ehrenamt mit Leidenschaft auszufüllen. „In diesem Sinne hoffe ich, meinen kleinen Betrag für die Demokratie in unserem Land zu leisten.“
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Auch ihre Amtskollegin aus Tostedt sieht es als ihre Aufgabe, die demokratischen Strukturen vor Ort zu verteidigen. Nadja Weippert (Grüne) ist seit 2021 Bürgermeisterin der Gemeinde. „Gerade in diesen Zeiten, wo die Demokratie, nicht nur in Deutschland, angegriffen wird, ehrenamtlich Tätige bedroht und beleidigt werden, ist es umso wichtiger, sich für die Gesellschaft einzusetzen“, sagt die 41-Jährige. Sie freue sich daher sehr, mit weiteren Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen sowie dem Bundespräsidenten auch dazu ins Gespräch zu kommen.“
Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Bundespräsidenten und der Körber-Stiftung. Das Treffen in Schloss Bellevue am 11. April beginnt um 10.30 Uhr und wird im Livestream auf www.koerber-stiftung.de übertragen.