Altes Land. Wer die Blütenpracht vor den Toren Hamburgs nicht verpassen will, muss schnell sein: Kirschen und Äpfel sind zwei Wochen früher dran.

Achtung, Hamburger: Verpasst die Obstblüte im Alten Land nicht! Diese Gefahr besteht, denn das Naturschauspiel des Jahres in Europas größtem zusammenhängenden Obstanbaugebiet vor den Toren der Hansestadt beginnt diesmal rekordverdächtig früh – etwa zwei Wochen vor dem in der Vergangenheit gewohnten Zeitraum. Rund 18 Millionen Bäume werden das Alte Land in Kürze wieder in ein farbenfrohes Blütenparadies verwandeln. Es ist das früheste Frühjahr, das die Forscher des Obstbauzentrums Jork in der Esteburg jemals aufgezeichnet haben.

Im Alten Land: Das früheste Frühjahr, das die Obstbau-Experten je aufgezeichnet haben

Die Blüte beginnt deutlich früher als in den vergangenen Jahren, wie Dr. Matthias Görgens, stellvertretende Leiter des Obstbauzentrums, dem Abendblatt bestätigte: „Wir sind sehr genau in unserer Arbeit und zeichnen seit Jahrzehnten auf, zu welchem Datum die verschiedenen Obstbäume blühen. Demnach können wir klar belegen, dass es das früheste Frühjahr ist, das wir je jemals gemessen und aufgezeichnet haben.“ Auch das bisherige Rekordjahr 2020 sei überschritten worden.

Rosa-weiße Blütenpracht steht kurz bevor

Den Auftakt machen die Kirschbäume, bald stimmen die Apfelbäume – rund 90 Prozent der Obstbäume im Alten Land - in die rosa-weiße Frühlingssymphonie ein. Die Kirschbäume stehen bereits kurz vor der Vollblüte, und auch die Apfelbäume haben schon das „Mausohr-Stadium“ verlassen, in dem sich zwei Blättchen der Blüte abspreizen wie die Öhrchen einer Maus. Es dauert nicht mehr lange, bis auch sie ihre volle Pracht entfalten und das Alte Land in ein Blütenmeer tauchen. Dieses Naturspektakel dürfte wieder Millionen von Besuchern in die Region locken und zu einem Ausflug an die Elbe animieren.

Manche Bäume stehen bereits in voller Blüte

„Die Pflaumen und Zwetschen stehen in voller Blüte, die Birnen fangen an zu blühen, ebenso die Kirschen. Nach dem warmen Wochenende dürften sie zu Beginn der Woche in Vollblüte stehen“, prognostiziert Görgens. Je nach Sorte und Wetter dürften die Apfelbäume dann irgendwann in der Woche darauf nachziehen, so der Wissenschaftler. Dabei kommt es auf die Sorte an: Der Rote Boskop gibt den Startschuss. Er dürfte bereits an diesem Wochenende anfangen zu blühen. Elster und andere spätere Sorten beginnen etwa eine Woche später mit der Blüte.

Dr. Matthias Görgens, stellvertretender Leiter der Obstbauversuchsanstalt in der Esteburg in Jork.
Dr. Matthias Görgens, stellvertretender Leiter der Obstbauversuchsanstalt in der Esteburg in Jork. © Pressebild.de/Bertold Fabricius | Pressebild.de/Bertold Fabricius

Nun ist es ja ganz schön, dass die Touristen nicht mehr lange auf den ersten Saisonhöhepunkt im Alten Land warten müssen, doch hinter der frühen Blüte steckt ein ernstes Thema: der Klimawandel. „Wir sind sehr früh dran. Das liegt am Klimawandel“, bestätigt Görgens den Trend. „An der Apfelblüte können wir das gut messen: Innerhalb der vergangnen 30 Jahre hat sie sich um zwei Wochen verfrüht und ist vom Mai weit in den April hineingerückt. Noch 30 Jahre und die Apfelblüte findet Anfang April statt. Diese Entwicklung werden wir nicht mehr aufhalten können“, sagt der Experte.

Blütenfröste könnten den Obstbauern noch in die Parade fahren

Auch in den vergangenen sieben Jahren sei die Obstblüte schon früh eingetreten, doch in diesem Jahr habe der warme Februar zusätzlich wie ein Turbo gewirkt, so Görgens. Die frühe Blüte birgt für die Obstbauern aber auch Gefahren: „Das Wetter kann uns noch mit den sogenannten Blütenfrösten in die Parade fahren“, sagt der stellvertretende Leiter des Obstbauzentrums: „Je früher die Blüte, desto größer die Gefahr für Blütenfröste. Im Moment sieht es aber nicht danach aus. In den nächsten 14 Tagen soll es auch nachts nicht mehr so kalt werden.“

Klimawandel birgt einige Risiken für den Obstanbau im Alten Land

„Es ist ja erst einmal schön, dass es in diesem Jahr eine so reichhaltige und gute Blüte gibt“, sagt Görgens. Insgesamt birge der Klimawandel aber einige Risiken für den Obstanbau im Alten Land – nicht nur bei der Blüte. Das Obstbauzentrum in der Esteburg beschäftigt sich intensiv mit den Auswirkungen der Erderwärmung und nimmt die Entwicklung der Gehölze unter den neuen Bedingungen in den Fokus. So haben es die Obstbauern mit neuen „Schaderregern“ wie Pilzen und bestimmten Insekten zu tun, die es früher nur in viel weiter südlich gelegenen Gefilden gab

„Ein Paradebeispiel ist der Apfelwickler. Den kannten wir bis vor 30 Jahren quasi nur aus dem Lehrbuch. Jetzt ist er allgegenwärtig.“ Nicht nur die Raupe macht den Obstbauern das Leben schwer. „Unsere Aufgabe als Forschungseinrichtung ist es, die verschiedenen Entwicklungen festzustellen und den Anbauern Lösungsmöglichkeiten anzubieten“, sagt der Experte vom Obstbauzentrum in Jork.

Nach vorn verlegen? Warum auch das Altländer Blütenfest betroffen ist

Eine Folge des Klimawandels ist zwar nicht so existenziell – aber immerhin bemerkenswert: Wenn Anfang Mai in Jork das Altländer Blütenfest gefeiert wird, dürfte der große Blütenrausch schon vorbei sein. Auf Sicht wird dieses Großereignis wohl ebenfalls im Kalender etwas nach vorn rücken müssen.