Neu Wulmstorf/Sauensiek. Die Jägerin ist ganz wild auf Wild. Die Geflügelhof-Geschäftsführerin teilt gern ihr Wissen rund um das wertvolle Fleisch.

Ruth Staudenmayer stapft mit ihren beiden Hunden über eine schneebedeckte Wiese in ihrem Revier in Sauensiek. Ohne Gewehr, nur so zum Gucken und Entspannen. „Das ist für mich wie Yoga“, sagt die Mitgeschäftsführerin des bekannten Geflügelhofs Schönecke aus Neu Wulmstorf. Seit zehn Jahren besitzt Staudenmayer den Jagdschein – das „grüne Abitur“, wie manche es nennen. „Mir fiel das sehr leicht“, sagt die Geschäftsfrau.

Heimisches Wild ist vielseitig und nährstoffreich, deshalb kocht Ruth Staudenmayer so gern damit.
Heimisches Wild ist vielseitig und nährstoffreich, deshalb kocht Ruth Staudenmayer so gern damit. © HA | Sabine Lepél

„Ich konnte mich als Kind schon für Natur und Tiere begeistern und kannte jeden Baum.“ Seither hat Staudenmayer als Jägerin viel Erfahrungen sammeln können und verbindet neuerdings in einem bestimmten Bereich Beruf und Hobby miteinander: Sie ist die erste Wildsommelière im Norden und in dieser Funktion bundesweit bei Messen und anderen Veranstaltungen gefragt.

Wildfleisch als Geschenk der Natur: Auch bei der Jagd Verantwortung übernehmen

Ruth Staudenmayer ist ganz wild auf Wild:„Es ist das schönste Fleisch, das es weltweit gibt, ein Geschenk unserer Natur“, sagt sie. Man müsse es wertschätzen – vor allem auch als Jäger und Jägerin. „Ich werde mich ewig an das erste Tier erinnern, das ich geschossen haben. Es war ein Reh. Ich war sehr aufgeregt, habe aber auch den Aufbruch gleich mitgemacht.“ Verantwortung übernehmen – für Ruth Staudenmayer ist das nicht nur im Beruf, sondern auch bei der Jagd selbstverständlich. Und dazu gehört für sie auch der Respekt vor dem erlegten Tier.

Leidenschaftliche Jägerin: Ruth Staudenmayer hält in ihrem Ansitz mit einer Wärmekamera Ausschau nach Wild.
Leidenschaftliche Jägerin: Ruth Staudenmayer hält in ihrem Ansitz mit einer Wärmekamera Ausschau nach Wild. © HA | Sabine Lepél

Ruth Staudenmayer schießt Wildschwein, Reh, Hase und Damwild für den Eigenbedarf, zerlegt das heimische Wild und bereitet aus dem Erjagten Gerichte für Familie oder Freunde zu. Ohne schlechtes Gewissen, denn sie ist überzeugt von den jagdlichen Werten der Hege und Pflege und davon, dass es kaum einen bewussteren und nachhaltigeren Fleischkonsum geben kann. Für sie gehört es zum Tierwohl, dass in ihrem Revier nicht gepirscht wird. „Das bedeutet Unruhe und das mag das Wild, besonders das Damwild nicht. Ich möchte im meinen Revier Ruhe haben“, sagt sie und blickt durch eine Wärmekamera durch den Ausguck ihres Ansitzes am Feldrand. „Ein gezielter Schuss - ohne dass Tier zuvor in Aufregung versetzt zu haben – ist waidmännischer und außerdem besser für die Fleischqualität“, sagt Staudenmayer.

Nährstoffreich, vielseitig und rar: Darum kann Wildfleisch nicht günstig sein

Die leidenschaftliche Jägerin ist schon von Berufs wegen Fleischkennerin - und da das Neu Wulmstorfer Unternehmen Schönecke auch Wildfleisch vertreibt, lag der Schritt nahe, sich zur zertifizierten Wildsommelière weiterzubilden. Sie sieht sich als Botschafterin für die heimische Delikatesse: „Wild ist kostbar, weil das Tier instinktiv entscheidet, womit, wo und mit welcher Menge es sich ernährt.“ Wildfleisch sei vielseitig, nährstoffreich und verdiene höchste Aufmerksamkeit – begonnen beim Jäger über den Fleischer bis zum Koch. Und es ist rar. „Deshalb kann es gar nicht günstig sein“, sagt Staudenmayer.

Ihr Wissen über Fleischqualitäten, Hygiene und Reifung, das sie durch ihre tägliche Arbeit in der Verarbeitung und Vermarktung von Fleisch und als aktive Jägerin besitzt, hat Staudenmayer nun im Zuge der Ausbildung zur „Zertifizierten Wildsommelière“ im Bildungszentrum des Fleischerhandwerks in Augsburg vertieft und erweitert. „Der weltweit einmalige Lehrgang setzt sich aus Praxis- und Theorieteilen zusammen. Wir haben Reh- und Wildschweinkeulen zerlegt, dabei verschiedene ,Cuts‘ kennengelernt, Bratwürste hergestellt und täglich unterschiedlichste Gerichte mit Garmethoden von Grillen bis Sous-vide-Garen zubereitet“, sagt die erste Wildsommelière Norddeutschlands.

Nur Schlachter, Fleischer und Jäger dürfen die Ausbildung zum Wildsommlier machen

Die praktische Ausbildung übernahmen renommierte Experten – unter anderem BBQ-Weltmeister Oliver Sievers, Kreativkoch und Kochbuchautor Heiko Antoniewicz und Koch- und Grill-Experte Tom Heinzle. „Auch Wildbret-Hygiene und die Reifung sind ausführlich diskutiert und nach neuesten Erkenntnissen gelehrt worden“, so Staudenmayer. Zudem gab es Lehreinheiten zur Jagdethik sowie über Gewürze und Ernährungswissenschaft.

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Pfefferbeißer (l) und Stracken liegen im Wildladen auf dem Tresen. Es muss nicht immer der edle Reh- oder Hirschrücken sein.
Pfefferbeißer (l) und Stracken liegen im Wildladen auf dem Tresen. Es muss nicht immer der edle Reh- oder Hirschrücken sein. © Uwe Zucchi/dpa
Hinweistafeln für den Verkauf von Wildfleisch hängen am Zaun vor einem Wildladen. Was die Produktwahl angeht, sind Kunden momentan allerdings etwas sparsamer.
Hinweistafeln für den Verkauf von Wildfleisch hängen am Zaun vor einem Wildladen. Was die Produktwahl angeht, sind Kunden momentan allerdings etwas sparsamer. © Uwe Zucchi/dpa
Aus der Kühltheke im Waldladen: eine vakuumierte Portion Wildschwein-Gulasch.
Aus der Kühltheke im Waldladen: eine vakuumierte Portion Wildschwein-Gulasch. © Uwe Zucchi/dpa
Wild-Fond und Wildpastete in Gläsern liegen im Wildladen neben einem Geweih.
Wild-Fond und Wildpastete in Gläsern liegen im Wildladen neben einem Geweih. © Uwe Zucchi/dpa
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Mit Andreas Stockfleth arbeitet bereits ein Fleischsommelier bei Schönecke. Ruth Staudenmayer besitzt nun die Expertise fürs Wildbret und kennt sich besonders gut mit der Qualität, dem Geschmack und der Zubereitung dieser Fleischspezialität aus – wie Stockfleth beim Fleisch von Geflügel, Schwein und Rind. Nur ausgebildete Schlachter oder Fleischermeister und Jäger dürfen die Ausbildung zum Wildsommelier beziehungsweise -sommelière absolvieren. Die abschließende Prüfung setzt einiges an fachlichen und handwerklichen Wissen voraus.

„Wild kann alles – es ist nur nicht immer und überall verfügbar, wodurch es so kostbar ist“

„Gerade in Zeiten, in denen wir uns verstärkt mit Herkunft, Tierwohl und einem möglichst sorglosen und nachhaltigen Genuss beschäftigen, hat Wildfleisch einen extrem hohe Bedeutung“, meint Ruth Staudenmayer. „Es ist die beste hochwertige, regionale und nachhaltige Alternative.“ Zudem kenne die Vielfalt in der Zubereitung keine Grenzen: „Wild kann alles – es ist nur nicht immer und überall verfügbar, wodurch es so kostbar ist“, sagt die Wildsommelière.

Heimisches Wild ist vielseitig und nährstoffreich.
Heimisches Wild ist vielseitig und nährstoffreich. © HA | Sabine Lepél

Deshalb sei das Nose-to-Tail-Prinzip so wichtig, bei dem von der Nase bis zum Schwanz alles vom Tier verwertet werden soll. Das könne mit Wild wunderbar umgesetzt werden, sagt Staudenmayer: „Vom Fond über eingekochte Wurst und Bratwurst bis hin zu Grillspezialitäten und Braten. Selbst die Innereien lassen sich größtenteils zu schmackhaften und gesunden Gerichten verarbeiten.“

Die Nachfrage nach Wild aus Deutschland steigt beim Hof Schönecke in Neu Wulmstorf an

Die Nachfrage nach Wild aus Deutschland steigt bei Schöneckes Kunden an - nicht nur zu Weihnachten, wie Ruth Staudenmayer sagt: „Es gibt inzwischen so viele moderne Rezepte, die in das ganze Jahr passen.“ Bei Vorträgen, Seminaren und bei Koch-Events gibt die Wildsommelière ihr Wissen weiter und möchte auf diesem Weg für die hohe Wertigkeit von Wildfleisch sensibilisieren. Für das aktuelle Schönecke-Kundenmagazin hat die Jägerin ein exquisites Wildmenü entwickelt, mit dem Hobbyköche an den Festtagen punkten können. Dabei kommen unter anderem Wachteleier auf den Teller, ein Carpaccio von Rehrückenlachs und Putenschinken, und im Hauptgang trifft kräftiger Hirsch auf orientalisch angehauchten Kürbis. „Es muss ja nicht immer der klassische Braten mit Rotkohl und Klößen sein“, sagt Ruth Staudenmayer.