Buxtehude/Harburg. Ingenieur entwickelt in Buxtehude neues Verfahren, um nachhaltige Holzböden herzustellen. Nun strebt er einen Weltrekord an.
Holz ist bei der Innenraumgestaltung angesagt. Ob als Möbel, Wandverkleidung und vor allem als Fußboden: Das Wohnumfeld soll möglichst natürlich sein. Doch für ein großformatiges Parkett werden große Holzstücke benötigt. Und die müssen absolut fehlerfrei sein, damit daraus ein perfekter Boden hergestellt werden kann. „Es sehr schwierig geworden, das Holz dafür in Deutschland zu finden. Im Durchschnitt ist nur jeder zehnte Baum geeignet, weshalb man großflächig im Ausland Wälder verarbeitet.
Das wäre in Deutschland schlicht nicht zulässig oder möglich“, sagt Matthias Gogolin und präsentiert seine Lösung: ein 2x2 Zentimeter großes Vollholzplättchen, in diesem Fall entstanden aus dem Ast einer Pflaume, der normalerweise im Brennholz gelandet wäre. Mit diesen kleinen Holzklötzchen will der Maschinenbauingenieur die Holzwirtschaft revolutionieren, indem er für seine hochwertigen Produkte wie Parkett, Holzwandpaneele oder Arbeitsplatten ausschließlich Holz verwendet, das dafür bisher nicht infrage kam.
Wirklich nachhaltig: Die kleinen Plättchen speichern das Umweltgift Kohlendioxid
Alles fing damit an, dass Matthias Gogolin für sich und seine Familie selbst vergeblich einen Holzfußboden suchte, der aus seiner Sicht das Prädikat „wirklich nachhaltig“ verdient hätte. Als Ingenieur, der an der Technischen Universität Hamburg in Harburg ein Studium im Bereich Thermische Energieanlagen und Schiffsmaschinenbau absolviert hat, entwickelte er daraufhin die Idee mit den Holzplättchen, kündigte seinen sicheren Job nach einer erfolgreichen Karriere in der Entwicklung und im Bau von Kreuzfahrtschiffen und investierte viel Zeit und Geld in eine konsequent nachhaltige und CO2-reduzierende Umsetzung seiner Idee: Bäume aus der Region, Strom aus Windkraft, veganer Leim, natürliche Öle und Farben, Verpackung aus Graspapier – alles naturbelassen, kein Plastik. „Heute verfügen wir über ein einzigartiges Verfahren, um Holzplättchen mit einem absolut exakten Maß von 20 x 20 x 5 Millimeter zu fertigen. Zusammengesetzt bieten sie faszinierende Eigenschaften“, so Gogolin.
Aus Brennholz werden bei Ingenieur Gogolin hochwertige Produkte
Um die in herkömmlichen Sägewerken nicht zu verwertenden Holzstücke in seinem Unternehmen „Gracewood“ in Buxtehude zu exakt gleich großen Holzplättchen verarbeiten zu können, entwickelten der Maschinenbauingenieur und sein Team eine spezielle, hochpräzise Produktion mit selbstgebauten Automaten und Maschinen, wie Sägen und Fräsen, die aufs Tausendstel genau arbeiten. „Die Herstellung der Plättchen führt dazu, dass nahezu jedes Holz und jeder Baum verwendet werden können.
Die Länge und der Durchmesser eines Baumes spielen fast keine Rolle mehr“, sagt der Ingenieur. Das führe zu einer massiven Erweiterung des Rohstoffpotenzials auch aus heimischer Produktion. „Wir können Holz aus der urbanen Forstwirtschaft, aus Gärtnereien, von Obstbauern oder von Bäume aus den Gärten potenzieller Kunden verwenden“, sagt der Gracewood-Gründer.
Klimawandel stellt Holzwirtschaft vor Herausforderung. Ist Gogolins Idee die Lösung?
Aufgrund des Klimawandels würden Bäume nicht mehr so dick oder alt, was für die industrielle Verarbeitung, die ohnehin lediglich die „Filetstücke“ eines Baumstamms verwende, künftig zu einem Problem werden dürfte, meint Gogolin. „Mit meinem Verfahren wird die Materialausbeute aus einem Baum, der sich bereits in der Verarbeitung befindet, maximiert. Äste und Stammrandbereiche können jetzt ebenfalls für eine hochwertige Anwendung genutzt werden. So wird weniger Frischholz benötigt und alte Bäume, die für die Biodiversität von Bedeutung sind, können geschont werden“, sagt der Ingenieur.
Der für ihn wichtigste Vorteil seiner Erfindung sei aber der positive Einfluss der Plättchen auf das Klima. Holzreste, Holz, das vor der Verbrennung oder dem Verrotten gerettet wird, das als Überbleibsel aus einem Standardproduktionsprozess abfällt oder direkt vom Kunden nach der Gartenarbeit für Gracewood zur Verfügung gestellt wird, lasse sich annähernd als CO2-neutral geerntet bewerten.
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„Der CO2-Fußabdruck der Standardholzprodukte wird hingegen über weite Transportwege, den Kraftstoffverbrauch der Erntemaschinen und die Verbrennung oder das Verrotten des Restholzes negativ belastet. Unsere Holzplättchen schaffen hingegen die Bindung von 2,5 Gramm CO2 pro Plättchen“, erläutert Gogolin. Das klingt zunächst nach wenig. Doch wenn man bedenkt, dass für einen Quadratmeter Parkett 2500 Plättchen benötigt werden, kommt einiges an Speicherfähigkeit für das Klimagift Kohlendioxid zusammen.
Bei Louis Vuitton kam die Erfindung gut an
Seine Produkte bieten weitere Vorteile, sagt Gogolin: Sein Boden sei nicht nur gesund, sondern auch sehr robust und rutschfest, hätte eine extrem hoher Feuchtigkeitsresistenz und verändere sich daher so gut wie nicht. „Und im Schadensfall muss man nur die betroffenen Plättchen auswechseln“, sagt Gogolin. Auch spielten Fehler im Holz keine Rolle mehr: „Farbabweichungen und Einschlüsse führen lediglich zu unterschiedlichen Farben einzelner Plättchen.
Sie werden entsprechend sortiert. Fehler sind damit nur noch besondere Sortierungen“, sagt der Erfinder und Unternehmer, der das Sortieren der Plättchen mit Hilfe verschiedener Sensoren und Scanner automatisiert hat. „Wir können Holzflächen erzeugen, die sehr gleichmäßig und unifarben wirken, aber auch Farbverläufe und Bilder. Fast jedes Design ist möglich“, sagt Gogolin. So hat er bereits ein Probestück mit den weltberühmten Initialen des Luxuslabels Louis Vuitton versehen und fand in dem Modehaus in Paris damit großen Anklang.
StartUp-Gründer aus Buxtehude plant einen Weltrekordversuch mit 112 Meter langem Bild
In der ersten Zeit nach der Gründung von Gracewood vor drei Jahren ging es vor allem um die Produktentwicklung und die Fabrikplanung. Seit Januar hat Gogolin mit seinen drei Mitarbeitern die Produktion hochgefahren. Doch um weiterzukommen, benötigt der Gründer mehr Kapital und setzt deshalb auf einen Weltrekordversuch, der seine Idee zudem bekannter machen soll: Der künstlerisch begabte Ingenieur will ein etwa 400 Quadratmeter großes Bild - 3,6 Meter hoch und fast 112 Meter lang - aus einer Millionen Holzplättchen schaffen und damit 2,5 Tonnen Kohlendioxid binden. „Für jeden gespendeten Euro wird ein aus Brennholz gerettetes, koloriertes Plättchen Teil des gigantischen Bildes“, sagt Gogolin. „Man kann seine Unterstützung also hinterher sehen und anfassen – und somit Teil der Aktion werden.“