Egestorf. Gerhard Bosselmann aus der Lüneburger Heide ist „besessen“ von dem Getränk. Sein handgemachter Gin ist vielfach preisgekrönt.

Es ist nicht ganz leicht, Deutschlands vermutlich kleinste, auf jeden Fall aber beste Gin-Brennerei zu finden. Sie liegt in einer ruhigen Wohnstraße am Rande Egestorfs im Anbau des Privathauses von Gerhard Bosselmann und seiner Partnerin Kerstin Thomas. Hier leben die beiden ihren gemeinsamen Traum. Sie produzieren Gin. Und zwar ausschließlich per Hand.

Das Beste vom Besten: Gerhard Bosselmann mit seinem wertvollen Gin.
Das Beste vom Besten: Gerhard Bosselmann mit seinem wertvollen Gin. © HA | martina berliner

Sie sammeln Zutaten, zerkleinern sie im Mörser, weichen sie in Alkohol ein, überwachen die Mazeration, den Brennvorgang im speziell für die kleine Destille angefertigten Ofen, testen die Reife im Fass, füllen den fertigen Gin in Flaschen ab, versiegeln diese mit Wachs und kleben handbeschriftete (!) Etiketten auf. „Das hier ist in jeder Beziehung eine Manufaktur“, sagt Gerhard Bosselmann. Und gibt zu: „Wir sind positiv besessen.“

. „In so kurzer Zeit an die Weltspitze, da war ich schon überrascht und erfreut“, sagt der Gin-Brenner

Vor drei Jahren erst begann der Doktor der Agrarwissenschaften, dem einst 21 Bäckereien im Raum Hannover gehörten, mit der Gin-Herstellung. Trotzdem ist er für seine geistigen Getränke bereits mehrfach ausgezeichnet worden. In diesem Jahr gewann er bei den „World Gin Awards“ die Goldmedaille für den besten deutschen London Dry Gin. „In so kurzer Zeit an die Weltspitze, da war ich schon überrascht und erfreut“, sagt Bosselmann. Fügt aber schnell an, dass ihn und seine Partnerin der aktuelle Hype um Gin überhaupt nicht interessiere.

Gerhard Bosselmann schnuppert an Botanicals.
Gerhard Bosselmann schnuppert an Botanicals. © HA | martina berliner

Denn was sie tun, machen sie nicht infolge eines Trends, sondern aus eigener Begeisterung. „Es ist wundervoll, in reiner Handarbeit Einmaliges zu erschaffen. Ich habe 67 Jahre gebraucht, um bei mir und meiner Bestimmung anzukommen.“ Und die, sagt er, sei das Leben und Schaffen mit weitem Herzen und offenen Sinnen in der Heide. In dieser rauen, authentischen Landschaft voller Stille, Geheimnis, Mystik und Langsamkeit, deren für lange Zeit missachtete Qualitäten angesichts der aktuell unsicheren Weltlage gerade erst wieder neue Wertschätzung erführen.

Engelwurz, Hagebutten, Schlehen, Douglasienspitzen aus dem Naturschutzgebiet

Engelwurz, Hagebutten, Schlehen, Douglasienspitzen - den überwiegenden Teil der pflanzlichen Zutaten, die sogenannten „Botanicals“, sammelt er mit Sondergenehmigung im Naturschutzgebiet. Manchmal bei Mondschein. Elementar sind die Wachholderbeeren, und zwar sowohl für den Gin als auch für das Landschaftsbild und Biotop der Heide. Deshalb wollen Bosselmann und seine Partnerin im kommenden Jahr ein Projekt zur Förderung der Wacholderdrossel- und Birkwildpopulation starten. Diese Vögel fressen die bitteren Beeren und tragen damit zur Verbreitung der Wachholdersträucher bei. „Sie können ein Alter von 600 Jahren erreichen, Generationen von Menschen sind daran vorbei gezogen! Wir brennen für die Heide“, begeistert sich Bosselmann.

Die Etiketten werden teilweise per Hand beschriftet.
Die Etiketten werden teilweise per Hand beschriftet. © HA | martina berliner

Bezüglich der Gin-Brennerei lebt das Paar nach drei selbst aufgestellten Grundsätzen: „Wir sind zu alt für Kompromisse“, „Wir machen alles selbst“ und „Wir wachsen nicht“. Daraus ergibt sich eine stark begrenzte Produktionskapazität, die der wachsenden Kundschaft zuweilen Geduld abverlangt. Denn nicht immer ist jede Sorte des Gins verfügbar. Erfahrene Stammkunden bestellen vor. Denn manchmal ist der Inhalt eines Fasses schon restlos ausverkauft, bevor der Gin darin fertig ist.

Wenn Bosselmann Kargheit, Weite und Stille der Heide schmeckt, ist der große Moment gekommen

Wann die Reife erreicht wird, weiß auch Bosselmann nicht im Voraus zu sagen. Schon dem Brennvorgang gibt er ungewöhnlich viel Zeit. Dafür ist er aber auch besonders mild. Reift der Gin im wertvollen Sherry-Fass oder Merlot-Fass, entnimmt Bosselmann monatlich mit dem Weinheber eine Probe, bis der Gin die Aromen und Farbe aus dem Holz aufgenommen hat. Wenn Bosselmann endlich Ursprünglichkeit, Kargheit, Weite und Stille der Heide zu schmecken glaubt, ist der große Augenblick gekommen. Bei Kerzenschein und klassischer Musik wird der Gin per Hand abgefüllt. Für Gerhard Bosselmann und seine Partnerin sind das Stunden der Erfüllung und Dankbarkeit.

Zu bestellen ist Dr. Bosselmanns Gin über den Internetshop auf seiner Homepage. Direkt im Laden zu kaufen ist er in drei ausgewählten Hamburger Geschäften: „Mutterland“, „Weinhaus Gröhl“ und „Man’s Needs“. Alle liegen nördlich der Elbe. „Im Süden gibt es doch uns in Egestorf“, erklärt Bosselmann.

In der Diele seines Wohnhauses in Egestorf ist ein kleiner Verkaufsraum eingerichtet

Tatsächlich hat er in der Diele seines Wohnhauses einen kleinen Verkaufsraum eingerichtet. Unter der Treppe stehen die Kostbarkeiten aufgereiht im Regal: 48-prozentiger Sailors Gin, Dr. B.s wundersamer Pink Pepper Gin und Bosselmann‘s hilfreiche Heidekräuter, mit je 40 Prozent, weicher Wachholder und milder Sloe-Gin aus Schlehen mit jeweils 30 Prozent. Und Heide-Gin mit sagenhaften 63 Prozent Alkoholgehalt. „Ein Sammlerstück. Ich glaube, wir sind die Einzigen, die so etwas anbieten. Wir sind alles, außer gewöhnlich“, sagt Bosselmann schmunzelnd.

Dr. Gerhard Bosselmann lehnt an dem eigens für seine kleine Destille gefertigten Brennofen. An der Wand hängen die Urkunden seiner Wettbewerbserfolge.
Dr. Gerhard Bosselmann lehnt an dem eigens für seine kleine Destille gefertigten Brennofen. An der Wand hängen die Urkunden seiner Wettbewerbserfolge. © HA | martina berliner

Er empfängt gern Kundschaft im eigenen Haus. „Ich freue mich über Menschen, die meine Passion teilen. Ein Gin-Tasting hier ist eine Veranstaltung unter Freunden.“ Ebenso informative wie unterhaltsame Führungen durch die Brennerei mit anschließender Verkostung bietet er ab vier Personen an, zu buchen auf der Homepage. Die Terminabsprache erfolgt telefonisch. Langweilen wird sich dabei mit Sicherheit niemand. Selbst Antialkoholiker dürften auf ihre Kosten kommen, wenn Bosselmann bei seinen Lieblingsthemen so richtig in Fahrt kommt. „Ich erzähle ginvolles und ginloses zur Heide, ich spreche über Flaches und Tiefes, ich berichte von Kelten, Mythen, Sagen, vom Leben und der Liebe.“

Brennerei Bosselmann, Kuhlhof 7, Egestorf, Telefon 01515 0620263

www.heidebrennerei.com

Tipp: Wer Dr. Gerhard Bosselmann bei einem Gin-Tasting außerhalb seiner Brennerei erleben möchte, hat dazu Gelegenheit am Sonnabend, 17. November, ab 19.30 Uhr im Café Book in Jesteburg, Hauptstraße 26. Eintritt: 15 Euro (inklusive kleinem Antipasti-Teller). Reservierung unter Telefon 04183/777 79 77.