Egestorf. Ob Gin aus der Privatdestillation, selbstgebrautes Bier oder Korn: Alles wird mit Gefühl und Liebe zur Natur in der Heide gemacht.

Es braut sich etwas zusammen südlich von Hamburg: Kleine Destillerien und Brauereien produzieren in der Lüneburger Heide Hochprozentiges mit jeder Menge Lokalkolorit. Sie und viele andere lokale Manufakturen haben sich bei Instagram zu den „Locals.Lueneburgerheide“ zusammengetan und machen sich für Produkte aus der Region stark.

Eine gemeinsame Internetplattform ist in Planung. Da kommen Kreative zusammen, Aktive, die Touren durch die Heide anbieten, Cafés, Hotels und eben auch Brauereien und Destillerien. Statt allein zu arbeiten, bilden sie Netzwerke und Kooperationen. Und das mit viel Herzblut. Was sie vereint, ist die Liebe zur Lüneburger Heide. Dort herrscht Aufbruchstimmung.

Etwas mit den eigenen Händen schaffen, mit der Natur leben – das ist etwas, was Gerhard Bosselmann generell mag. Ob als Jäger, Reiter oder eben als Gin-Destillateur. In seiner Heidebrennerei in Egestorf produziert der studierte Landwirt und Betriebswirtschaftler seit zwei Jahren seinen eigenen Gin. Es ist wohl Europas kleinste Privatdestillation. Hier brennt er zweimal im Monat bis zu sieben verschiedene Ginsorten in 300 Flaschen. Klasse statt Masse. Diese heißen etwa „Bosselmanns böser Heidebitter“, „Dr. B’s wundersamer Pink Pepper Himbeer Gin“ oder „Dr. B’s wundersamer Heidegin“.

Gin-Destillerie passt zur Natur der Lüneburger Heide

In seinem anderen Leben gehören dem 64-Jährigen 21 Bäckereien in der Region Hannover. Da ist er Geschäftsmann, da geht es um Umsatz, und er trägt Verantwortung für viele Mitarbeiter. In diesem Leben im Herzen der Lüneburger Heide aber geht es nicht um Wirtschaftlichkeit, sondern um Gefühl. Er ist in Schneverdingen aufgewachsen und nach vielen Jahren aus Hannover vor sechs Jahren zurückgekehrt. „Einmal Heidjer immer Heidjer“, sagt er. „Ich bin ein Draußenmensch. Im Sonnenaufgang im Sommer durch die Heide, das ist unbeschreiblich schön“, sagt er. Und in diese sanfte Natur passt auch seine kleine Destillerie. „In dieser kleinen Manufaktur blüht die Seele auf“, sagt er.

Für seinen Gin geht Bosselmann auch schon mal bei Vollmond in die Natur, um Douglasienspitzen zu ernten. „Ich habe keinen Sockenschuss“, sagt er und lacht. „Vieles ist überliefert und ergibt auch Sinn.“ Und so lässt er das besonders weiche Heidewasser für den Gin aus der Leitung über Edelsteine wie Rosenquarz laufen. Die Botanicals, also die Pflanzen für seinen Gin, erntet er von Hand zwischen Undeloh und Wilsede. „Zwei ältere Damen aus dem Dorf helfen mir dabei.“ Sie lesen Preiselbeeren, wilde Johannisbeeren, ab und zu eine Brombeere, Schlehen, Hagebutten.

Herstellung von Gin nimmt alle Sinne in Anspruch

Fast alle Botanicals werden mit dem Mörser per Hand zerrieben, um die ätherischen Öle aufzuschließen. Die Maische wird mehr als 75 Stunden in Schritten angesetzt. Die Herstellung von Gin, sagt er, nehme alle Sensoren in Anspruch: riechen, schmecken, sehen. Und wer einmal an einem seiner Gins nur gerochen hat und dieses üppige Wacholderaroma wahrgenommen hat, ist auch als Nicht-Gin-Fan sofort davon angetan.

Anders als in der Industrie nimmt sich der Heidebrenner Zeit. Viel Zeit. Er brennt seinen Gin langsam und bei niedrigen Temperaturen, damit die Aromen langsam entweichen. Sein Bestreben ist stets die höchste Qualität: Geschmack ist alles. Zu bestellen sind seine Brände und Gins nur online auf www.heidebrennerei.com.

Nachhaltige Nutzung der Natur hat Priorität

Bosselmann gehört mit zu der Riege von Menschen, denen die nachhaltige Nutzung der Natur am Herzen liegt. „Gerade im Bioreservat Heide tragen wir eine hohe Verantwortung“, sagt er. „Hier sind viele spannende Mädels und Jungs, die das, was sie verkaufen, mit Herzblut machen. Die Heide brennt. Hier herrscht Aufbruchstimmung.“

Er meint die jungen Wilden, die die Heide für sich entdecken und voranbringen, wie die Macher vom Stimbekhof in Oberhaverbeck, Frank „Franky“ Prohl, den Heideröster, das Team vom Heidebulli mit den Heidetouren oder auch die nicht mehr ganz so Jungen wie Kai Beitzer, der in Egestorf in unmittelbarer Nähe seine eigene kleine Privatbrauerei aufgebaut hat.

Kai Beitzer braut 70 Hektoliter Bier im Jahr

Denn Bier ist seine Leidenschaft. Deshalb hat Beitzer vor vier Jahren seine 70 Quadratmeter kleine Brauerei geschaffen. Dort braut er bis zu 70 Hektoliter Bier im Jahr. Klein, aber fein ist das Motto, und so bietet er je nach Saison verschiedene Biersorten an. Rauchbier, helles Kellerbier und Bockbier hat er im Angebot. In die Welt hinaus möchte der 53-Jährige mit seinem Bier gar nicht. Ganz im Gegenteil: „Die Menschen sollen extra für mein Bier in die Heide kommen.“

Klein, aber fein: Kai Beitzer braut das Egestorfer Fuhrenbräu.
Klein, aber fein: Kai Beitzer braut das Egestorfer Fuhrenbräu. © Mark Sandten

So wie man in Köln Kölsch trinke, solle man sein Egestorfer Fuhrenbräu beim Besuch in der Heide trinken. Das ist die Idee. Bier ist für ihn so viel mehr als nur ein alkoholisches Getränk. „Bier ist Geschichte, das es schon bei den alten Ägyptern gab und das als Zahlungsmittel diente.“ Bei seinen Führungen, dem „Biergeflüster“, erzählt der passionierte Bierliebhaber seinen Gästen alles über den Gerstensaft. „Ich biete keinen Bierbraukurs an, sondern einen Geschichtskurs“, sagt er und lacht.

Bier darf in eigener Brauerei 1000 Stunden lagern

Der Unterschied zum industriellen Bier: Beitzer lässt sich Zeit beim Brauen. An einem Tag wird das Bier aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt, dann ist es acht Tage in der Gärung, weitere zehn Tage in der Nachgärung, und dann darf das Bier 1000 Stunden, also 42 Tage, lagern. „Mein Bier ist immer frisch und dadurch nicht so lange haltbar wie Industriebier“, sagt er. Er möchte Indus­triebier gar nicht schlechtmachen, aber es wird doch schnell klar: Seins ist einfach wertvoller, qualitativ hochwertiger.

„Industriebier ist wie H-Milch, naturtrübes Bier wie Frischmilch.“ Die optimale Trinktemperatur beträgt übrigens sechs Grad. „Und wer kein Bier mag, hat nur noch nicht das richtige getrunken“, sagt er, der für die Industrie- und Handelskammer als Bierbotschafter unterwegs ist und die Menschen auf den Geschmack bringen möchte. Noch arbeitet er hauptberuflich im Hamburger Hafen im Containerterminal, doch irgendwann will er sein Geld überwiegend mit dem Bierbrauen verdienen. Auf dieser Seite können Interessierte mehr erfahren: www.egestorfer-fuhrenbraeu.de

Größte Cranberry-Plantage in Deutschland

In der Moosberghütte machen Sonja und Wilhelm Dierking Feines aus der Cranberry (Moosbeere)Fruchtaufstrich, Soßen und Hochprozentiges. Ihre 20 Hektar große Cranberry-Plantage soll die größte Deutschlands sein. Im Internet findet man sie unter www.moosbeerhuette.de.

Ginberry – Feines aus der Moosbeerhütte.
Ginberry – Feines aus der Moosbeerhütte. © Moosbeerhütte OHG

Die Macher von ÆRE KORN, Philipp Simon, sein Bruder Peter und Kumpel Henning haben für die Herstellung ihres Korns ebenfalls die Lüneburger Heide entdeckt und lassen das Getränk auf einem landwirtschaftlichen Hof bei Lüneburg brennen. Auch ihnen ist Nachhaltigkeit für ihren Korn, der zwei Jahre lang in mehr als 100 Jahre alten Eichenfässern lagert, wichtig, und so kommt der Weizen für den Korn aus der Region.

Herstellung von Korn in der Lüneburger Heide

Gerade sind sie eine Kooperation mit dem Glückshuhn-Hof aus Neuenkirchen/Tewel von Jessica und Niels Westermann eingegangen. Dort werden die Hühner in mobilen Ställen gehalten. Dabei können die Hühner an der frischen Luft nach Würmern und Insekten scharren. Alle zwei bis vier Wochen wird der Stall umgestellt. Von diesen glücklichen Hühnern bekommen Philipp Simon und seine Mitstreiter die Eier für ihren neu entwickelten Eierlikör. „Es ist schön, dass wir uns in der Heide ergänzen und somit neue Produkte hervorbringen können“, sagt Philipp Simon. Infos gibt es hier: www.aere-korn.de