Stade. Mit „Greundiek“ kann man gemütlich über die Elbe schippern. Doch die Kapitäne fühlen sich von den Behörden gegängelt. Zurecht?
- Ein Verein in Stade hat ein altes Küstenmotorschiff wieder flott gemacht und bietet damit Törns über die Elbe an.
- Die Fahrten mit der „Greundiek“ bringen dem Verein einen Teil des Geldes ein, das er für den Unterhalt des Schiffes braucht.
- Das Problem: Die Kapitäne der „Greundiek“ werden immer älter. Das ruft die Behörden auf den Plan.
Die alte Dame ist genau 46,55 Meter lang. Und es hat schon etwas Majestätisches, wenn sie nach einem scheinbar zentimetergenau ausgezirkelten Wendemanöver im engen Hafenbecken den Stader Stadthafen verlässt. Im Maschinenraum schnurrt unbeirrt der 74 Jahre alte Dieselmotor. Auf Deck der „Greundiek“ freuen sich die Gäste auf den Törn über die Elbe.
Bei der Crew sitzt jeder Handgriff. Jeder kennt seinen Job auf dem Stahlkoloss. Es ist die letzte Fahrt des Traditionsschiffes für diese Saison - hoffentlich nicht für immer.
„Immer absurdere Auflagen“: Werden die Kapitäne der „Greundiek“ diskriminiert?
Zum einen gehen der Crew die Kapitäne aus – das ist wenig überraschend. Doch ein weiterer Punkt macht den „Greundiek“-Betreibern das Leben schwer. „Wir fahren immer mit zwei Kapitänen, aus Sicherheitsgründen. Umso mehr Leute mit Kapitänspatent brauchen wir natürlich, um mit unseren Gästen rausfahren zu können. Aber die Behörden machen der Traditionsschifffahrt mit immer absurderen Auflagen das Leben schwer. Unter diesen Auflagen leidet die ganze Community“, sagt Gerd Becker.
Becker ist Vorsitzender des 230 Mitglieder starken Vereins „Alter Hafen Stade e.V.“. Seit 1996 ist der Verein Eigner des ehemaligen Küstenmotorschiffs „Greundiek“. Satzungsziel des Vereins ist der Erhalt des maritimen Erbes der Stadt Stade und der Region.
Im Jahr 1986 kaufte der Landkreis Stade das Schiff
Heimathafen der „Greundiek“ ist seit 1996 der Stader Stadthafen. Im Auftrag des Reeders Hermann Behrens wurde das Schiff im Jahr 1949 in Bremerhaven auf der Rickmers Werft als „Hermann-Hans“ auf Kiel gelegt. Ein Jahr später lief die „Hermann-Hans“ – benannt nach Behrens’ im Krieg gefallenen Söhnen Hans und Hermann – vom Stapel. Das Küstenmotorschiff transportierte vorwiegend Holz und andere Baumaterialien. 1951 sank das Stahlschiff vor der Südküste Ölands.
Nach der Bergung wurde die „Hermann-Hans“ auf der Beckmannswerft in Cuxhaven repariert, von ursprünglich 33,79 auf 46,55 Meter verlängert und 1952 wieder in Fahrt gesetzt. 13 Jahre später wurde das Schiff an Henry Dölling verkauft, der die „Hermann-Hans“ in „Rita Dölling“ umtaufte. Im Jahr 1986 kaufte der Landkreis Stade das Schiff und stellte es der Seefahrtschule in Grünendeich für die Ausbildung von Kapitänen zur Verfügung. Jetzt hieß das Schiff Motorschiff (MS) „Greundiek“.
Der harte Kern: 20 Leute, die sich jeden Mittwoch an Bord treffen
Mit viel Eigenleistung, viel Engagement und Herzblut restaurierten die Vereinsmitglieder nach 1994 das damals eigentlich schrottreife Stahlschiff. Der harte Kern besteht aus rund „20 Leuten, die sich hier jeden Mittwoch an Bord treffen, um am Schiff zu arbeiten“, so Becker. Das Problem: Der harte Kern des Vereins, also die Crew, wird nicht jünger. Das Durchschnittsalter der Vereinsmitglieder liegt bei etwa 70 Jahren und aufwärts.
Einige von ihnen haben in ihrem aktiven Berufsleben Riesenpötte über die Weltmeere manövriert. Für sie ist die MS „Greundiek“ zu fahren geradezu ein Kinderspiel. Aber die zuständigen Behörden machen den alten Seefahrern das Leben schwer. „Seit Neustem müssen wir regelmäßig Hör- und Sehtests machen, was eigentlich ja nachvollziehbar wäre. Allerdings“, sagt Klaus Wöstmann, „müssen wir dazu Brille und Hörgerät abnehmen“. Das wiederum scheint dann doch absurd. Wöstmann, der ehemalige Zimmermann, ist an Bord der „Greundiek“ Maschinist und Bootsmann in persona.
Die Crew legt allergrößten Wert auf das Thema Sicherheit – gerade wegen ihres Alters
Bestes Beispiel für seine Zimmermannskunst sind die Holzbänke für die Gäste auf Deck der „Greundiek“. „Es ist nun mal so, dass im Alter Hören und Sehen nachlassen. Deswegen tragen wir ja Brille und Hörgerät, ohne die wir überhaupt nicht das Haus verlassen und erst recht nicht unsere Gäste auf dem Schiff transportieren würden“, sagt Wöstmann.
Becker und seine Mitstreiter legen allergrößten Wert auf das Thema Sicherheit, in ureigenstem Interesse. Denn die „Greundiek“ bietet so etwas wie die Existenzgrundlage des Vereins. „Wir tun alles Erdenkliche hier an Bord, um die Sicherheit unserer Gäste, unsere eigene Sicherheit und die Sicherheit des Schiffs zu gewährleisten“, so der Vereinsvorsitzende. Die Fahrtüchtigkeit des Traditionsschiffes ist das Pfund des Vereins, mit dem er wuchern und Einnahmen generieren kann.
Was geht, reparieren die Vereinsmitglieder selbst
Die Fahrten mit der „Greundiek“ bringen dem Verein einen Teil des Geldes ein, das er für den Unterhalt des Schiffes braucht. Was geht, reparieren die Vereinsmitglieder selbst. Aber viel Material muss angeschafft werden, und alle fünf Jahre muss die „Greundiek“ in die Werft. Dann wird der TÜV - bei Schiffen heißt das Klasse - abgenommen. Ein paar Tausend Euro fließen da locker aus der Vereinskasse.
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Neben den öffentlichen Fahrten, die der Verein regelmäßig anbietet, finden Veranstaltungen auf dem Schiff statt, Firmen buchen die „Greundiek“ für Feiern, auf dem Traditionsschiff lassen sich Brautpaare trauen. All das wäre völlig unmöglich, würden an Bord nicht die modernsten Sicherheitsstandards eingehalten.
Was ist ein Traditionsschiff wert, das nicht mehr aus dem Hafen kommt?
Und ein Traditionsschiff, sagen Becker und seine Kollegen, das nicht mehr aus dem Hafen komme, das könne eigentlich gleich verschrottet werden. Und genau das will hier niemand. Immerhin sind sie stolz auf ihre alte Dame, deren alter Motor so zuverlässig wie ehedem läuft.
„Aber diese ganzen, teilweise wirklich aberwitzigen Auflagen für das Schiff, für unsere Kapitäne und die Crew nehmen uns schon manchmal der Mut, weiter zu machen. Es ist schlicht frustrierend. Und da tröstet es auch wenig, dass wir nicht die einzigen sind, die darunter zu leiden haben“, sagt Gerd Becker.