Eine Gartenrevolution: Wie Profi Mona Martens auf dem Hof Tiarella ein Paradies schuf, in dem Pestizide tabu und Raupen willkommen sind.

Am Stadtrand von Buchholz, dort, wo die Bremer Straße in die B75 einmündet, öffnet sich eine Gartenpforte zum Paradies: Dahlien recken ihre bunten Köpfe in die Spätsommersonne, eine prächtige Echinacea breitet ihren rosafarbigen Schirm aus, im Staudenbeet summen und brummen Wildbienen, sirren Wespen, flattern Schmetterlinge. Dazwischen kriechen Raupen und Schnecken, auch eine Ameisenstraße verläuft über die Beete.

Lümmel und Vinda - die Düngemittelproduzenten der Gärtnerei Hof Tiarella.
Lümmel und Vinda - die Düngemittelproduzenten der Gärtnerei Hof Tiarella. © HA | nanette franke

Denn: Die Gärtnerei Tiarella ist anders. Ein Paradies für Blumen. Und auch für Insekten. Hinter dem Konzept steht Mona Martens. Die 36-jährige hat im Jahr 2021 die Gärtnerei von ihren Eltern übernommen. Tiarella – der lateinische Name für die Schaumblüte. Ein heimischer, immergrüner Bodendecker, der hervorragend ins Portfolio des Unternehmens passt, denn: Martens gärtnert mit der Natur.Ohne chemische Pflanzenschutzmittel, ohne künstlichen Dünger. Sie tut das aus Überzeugung. „Wenn Landwirte Pestizide einsetzen, weil sie sonst keine Ernte haben können, verstehe ich das ja noch, aber hier im Garten ist das absolut nicht sinnvoll“, findet sie.

Haben die Stauden einmal Fuß gefasst, blühen sie zuverlässig jedes Jahr

In kleinen Schritten hat sie das Angebot der Gärtnerei umgestellt. Nicht mehr Ziergehölze und Einjahresblüher in Plastiktöpfen stehen hier im Mittelpunkt, sondern Stauden, von denen sie viele selbst aus Samen zieht. „Das kann ewig dauern, aber es lohnt sich“, findet sie. Denn haben die Stauden einmal Fuß gefasst, blühen sie zuverlässig jedes Jahr.

Naturnah und doch prächtig: das Pflanzenangebot auf dem Hof Tiarella.
Naturnah und doch prächtig: das Pflanzenangebot auf dem Hof Tiarella. © HA | nanette franke

Auch Sträucher gehören zum Angebot, gern auch im Paket mit dazu passenden Pflanzenpartnern. Ebenso wie Schnittblumen ohne Pestizide und mit Vorbestellung, sodass nichts umkommt. Mona Martens ist Mitglied der Slow Flower Bewegung. In ihrer Arbeit macht sie vieles anders als gelernte Gärtner, denn sie ist eine Quereinsteigerin. Erlernt hat sie den Beruf der Pharmazeutisch-Technischen Assistentin. Doch nach der Ausbildung fand sie keinen Job. Und half zunächst im Betrieb der Eltern mit. Lange hatte sie sich dagegen gesträubt, dasselbe wie Vater und Mutter zu machen. Doch mit dem täglichen Tun wuchs ihre Liebe zu Pflanzen. Schon nach zwei Jahren konnte sie sich nicht mehr vorstellen, den ganzen Tag hinter dem Schreibtisch zu sitzen.

Zwischen Gewächshäusern, Hochbeeten und Teich eine eigene Welt geschaffen

Inzwischen hat sie sich zwischen Gewächshäusern, Hochbeeten und hofeigenem Teich ihre eigene Welt geschaffen. Und eine kleine Gartenrevolution angezettelt. Staudenbeete anzulegen ist ihre Spezialität. Auch bei Kräutern geht ihr das Herz auf. „Einfach phantastisch, was die alles können“, sagt sie und hat sich in medizinischer Fachliteratur nicht nur zu den Erscheinungsformen und Wuchsbedingungen, sondern auch zu den medizinischen Wirkungen der oft unscheinbaren Winzlinge schlau gemacht.

An den Wochenenden geöffnet: die Gärtnerei Hof Tiarella
An den Wochenenden geöffnet: die Gärtnerei Hof Tiarella © HA | nanette franke

Ihre Kunden, die inzwischen aus ganz Norddeutschland kommen, berät sie bei der Anlage von Gärten. Und zwar solchen, die ohne Thuja, Rollrasen, Stiefmütterchen und Geranien auskommen. Aus denen können Insekten nämlich keine Nahrung gewinnen.

Was für Biene und Co. weitaus wertvoller ist: Beete voller kunterbunter Mischungen so exotisch klingender Pflanzen wie Lungenkraut, Katzenminze, Storchschnabel oder Wegwarte, denen eines gemein ist: der offene Zugang zum Blütenstempel. Wo sich Insekten laben, gesellen sich meist schnell Vögel dazu. Sie halten Raupen und Co. kurz - eine natürliche Form der Schädlingsbekämpfung - und tragen Samen aus abgeblühten Pflanzen weiter.

Mona Martens hält nicht viel von „autoritären Pflanzplänen“

Mona Martens hält nicht viel von „autoritären Pflanzplänen“. Denn sie findet: Das Geheimnis eines guten Gartens ist, zu erfahren, was wohin passt. Braucht die Pflanze Licht oder eher Schatten, mag sie Feuchtigkeit, fetten Boden oder eher mageren Grund? „Unglaublich, welch schöne Blumen auch auf Schutt blühen können“, hat sie beobachtet.

Bevor sie mit den Gartenbesitzern ans Werk geht, beobachtet sie, guckt nach dem, was sich bereits angesiedelt hat. „Das ist wie eine Wohnung zu möblieren, die ist auch nicht gleich im ersten Jahr fertig“. Bis aus den Anpflanzungen ein Paradies im Mona-Stil entsteht, braucht es Geduld. Und Mulch, nicht zu dünn. Der verhindert, dass zwischen den Pflanzen Unkraut aufpoppt. „Zur Not muss man das Unkraut auch händisch entfernen - sprich ziehen - aber das ist nur am Anfang so, später entwickeln sich pflegeleichte Pflanzenteppiche.

Die Düngerfabrik steht im Stall oder auf der Wiese: Zwei Uralt-Ponys

Was aber, wenn sich bei den hoffnungsvollen Jungpflanzen plötzlich braune Stellen in den einstmals grünen Blättern zeigen? „Das ist nicht unbedingt ein Todesurteil“, beruhigt Mona, „die meisten Pflanzen überstehen das.“ Und wenn doch mal Schnecken eine Kiste Pflanzen verputzen, dann hören sie, so die Gärtnerin, spätestens bei der zweiten Kiste von selbst auf. Das regle sich alles ganz natürlich.

Natürlich geht es auch bei der Düngemittelgewinnung zu. Die Düngerfabrik steht nämlich im Stall oder unter Apfelbäumen auf der Wiese; Zwei Uralt-Ponys, 37 und 39 Jahre alt, produzieren Mist, der Pflanzen gedeihen lässt. Auch mit Alpaka-Dung erzielt die junge Gärtnerin erstaunliche Erfolge. Sie, die ihr Unternehmen erfolgreich in die nächsten Jahrzehnte führen will, ist sich bewusst, dass sich die Herausforderungen an die naturnahe Gärtnerei ändern.

Mona Martens hegt und pflegt ihre Stauden.
Mona Martens hegt und pflegt ihre Stauden. © HA | nanette franke

„Wir hatten jetzt zwei sehr trockene Sommer, das Wasser in den oberen Bodenschichten fehlt“, sagt sie. Und auch die Schadstoffe in der Luft bekämen vielen Pflanzen nicht. Wer heute noch Hortensien und Rhododendron pflanze, werde viele Rückschläge hinnehmen müssen. Aber diese Pflanzen gehören ohnehin nicht in naturnahe Gärten, wie sie Mona Martens liebt.

www.hof-tiarella.de