Ehestorf. Matthias Schuh ist Chefgärtner im Museumsdorf Kiekeberg, TV- und YouTube-Gesicht. Im Podcast „Schmeckt’s?“ gibt er Tipps zum Gemüseanbau.
Wer noch keine Lust zum Gärtnern hat, bekomt sie, wenn er Matthias Schuh zuhört. Seit 1995 bewirtschaftet Schuh die historischen Gärten im Freilichtmuseum am Kiekeberg in Rosengarten an der südlichen Hamburger Stadtgrenze. Dort teilt er seine Erfahrungen mit den Besuchern. Als Fernsehgärtner war er lange im NDR zu sehen.
Den Anbau zur Selbstversorgung hält Schuh für nahezu unmöglich. Aber selbst Anfänger können sich die eine oder andere frische Mahlzeit heranziehen, sagt der Gärtner im Abendblatt-Podcast „Schmeckt’s?“.
Der Trend zum Gärtnern habe es schon vor der Pandemie gegeben, so Schuh: „Immer mehr junge Leute haben Interesse an Kleingärten bekommen. Corona verstärkte das deutlich. Viele Hausbesitzer haben ihren Garten entdeckt. Bei mir kamen deutlich mehr Anfragen von Ratsuchenden an. Man sollte sich aber keinen Illusionen hingeben: Der eigene Garten kann nur zu einem kleinen Teil zur Versorgung beitragen.
Gemüseanbau: Wer sich selbst ernähren will, muss Beruf aufgeben
Es heißt, dass 150 Quadratmeter Beetfläche eine Person ernährt. Bei Durchschnittsernten und -böden. Schuh: „Wir sind eine sechsköpfige Familie und bräuchten 900 Quadratmeter, damit wir uns aus unserem Garten ernähren können. Das ist viel, viel Arbeit. Wer das anstrebt, muss seinen Beruf aufgeben.“ Anfängern rät er: „Weniger ist mehr. Mit kleinen Töpfen und kleinen Mengen anfangen. Sonst wächst einem das Ganze über den Kopf.“ Als Startergemüse eignen sich Pflanzen mit einer kurzen Kulturzeit. Radieschen zum Beispiel. Sechs Wochen nach der Aussaat sind die ersten Radieschen zu ernten. Das sei gerade für Kinder interessant: „Sie sind ungeduldig, da muss immer schnell etwas passieren. Man kann auch ein paar Kohlrabipflanzen kaufen. Und zusehen, wie sich das Gemüse entwickelt.“
Ein Gemüsebeet kann zum Beispiel in einer Rasenfläche entstehen. Dazu die Grassoden abnehmen. Dann den Boden anschauen: „Die Bodenqualität in Norddeutschland ist sehr unterschiedlich“, sagt der Profigärtner. „In der Lüneburger Heide, wo ich herkomme, haben wir sandigen Boden. Der ist gut für Möhren und anderes Wurzelgemüse. Auch für Kartoffeln. Alles, was unter der Erde wachsen soll, braucht lockeren Boden, um sich entwickeln zu können. Anderen Pflanzen ist er nicht gehaltvoll genug. In der Gegend um Dithmarschen sind die Böden dagegen sehr schwer und gehaltvoll. Kohl mag das, das Blattgemüse entwickelt sich oberirdisch.“
Welche Faktoren für Pflanzen maßgeblich sind
Zwei Faktoren sind für die Pflanzen maßgeblich: der Nährstoffgehalt und die Durchlässigkeit des Bodens. Wenn beides stimmt, dann kommen die meisten Pflanzen gut zurecht. Der Gärtner rät, sandigen Boden mit etwas Kompost aufzufrischen. Und einen schweren Boden mit Sand oder Laubkompost lockerer zu machen. Zugekaufte Spezialerden seien meist nicht nötig, so Schuh: „In sehr nährstoffarmen oder schweren Böden lässt sich halt nicht alles pflanzen. Ansonsten reicht Pflanzerde oder – besser noch – eigener Kompost.“
Schuh rät, einfach mal etwas auszuprobieren: „Vielleicht eine Erbse, Bohne und Kartoffel pflanzen. Wenn das klappt, mache ich es im nächsten Jahr wieder. Was nicht funktioniert hat, lasse ich weg.“ Wer nicht alle Kartoffeln verbraucht hat und feststellt, dass sie Keime gebildet haben, kann die Knollen in eine Maurerbütt pflanzen, die unten Löcher hat. Oder ins Beet. Kartoffeln brauchen 100 Tage bis zur Ernte, dürfen aber nur einmal an einer Stelle angebaut werden. Danach muss man pausieren.
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Ab Mitte Mai, nach den Eisheiligen, können alle Pflanzen ins Freie. Dazu müssen die Beete gedüngt und unkrautfrei sein. Das erste Beet sollte nicht zu groß sein. Schuh: „20 Quadratmeter ist schon recht viel. Man muss die Jungpflanzen übers Jahr bringen. Ein Gemüsebeet ist im Grunde wie ein Haustier. Es zeigt mir, wenn ich es anschaue, dass es Pflege braucht. Vielleicht Wasser oder mehr Dünger, etwa eine Kompost. Man kann eine dünne Schicht Rasenschnitt als Mulch nehmen. Das unterdrückt auch den Wildbewuchs.“
In vielen Gärten sprießen Hochbeete wie Pilze aus dem Boden. „Man möchte rückenfreundlich arbeiten. Viele Büroleute können die Bückarbeit kaum noch machen. Wir müssen uns das wieder antrainieren, im Garten sportlich aktiv zu sein“, sagt der Gärtner. Das Hochbeet habe einen weiteren Vorteil: Es frisst Gartenabfälle, denn es wird in Schichten aufgebaut: Ganz unten liegen Stöcker, Staudenreste und Ähnliches. „Nach oben hin werden immer feinere Materialien benutzt, sodass ich oben eine fünf bis zehn Zentimeter dicke Schicht habe, in der ich pflanze und säe. Damit ist das Hochbeet ein verlängerter Kompost. Und das ist im Sinne der Nachhaltigkeit.
Der Museumsgärtner kommt ohne chemische Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger aus – „so wurde das jahrhundertelang erfolgreich gemacht“, sagt er. Er gibt gern Tipps: die Kulturen gut beobachten, um Schädlingsbefall frühzeitig zu erkennen. Zweitens die Pflanzen stärken, mit Mitteln aus der Natur. Gegen gefräßige Nacktschnecken gibt es indes kein Patentrezept. „Bierfallen locken Schnecken an. Schafwolle oder Holzspäne wirken nur bei Trockenheit. Kupferumrandungen und abgekantete Ränder funktionieren ein bisschen“, sagt Schuh.
Aber nur, solange sich kein Blatt über die Hindernisse legt und den Schnecken eine Brücke baut. Der Profi rät, im Herbst und Winter den Boden zu lockern, um die Gelege zu zerstören – über freigelegte Schneckeneier freut sich das Rotkehlchen. Im Frühjahr Schnecken gerne absammeln – aber die Tigerschnecke im Garten lassen. Sie frisst die Jungtiere der braunen Wegschnecke.