Mienenbüttel. Tierschützer erheben schwere Vorwürfe gegen das Tierzentrum auf dem Areal des ehemaligen LPT-Labors in Mienenbüttel. Ein Ortsbesuch.

„Sie können sich hier gern alles anschauen und fotografieren“, sagt Doris Firlus, Geschäftsführerin des Tierzentrums Neu Wulmstorf in Mienenbüttel. Sie möchte die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass es den Tieren in ihrem Tierheim gut geht und es gut geführt wird. Denn Firlus muss sich seit Monaten mit mehr oder weniger offener Kritik an der Einrichtung und an ihrer Person auseinandersetzen.

Aktuell werden die Anfeindungen besonders sichtbar bei Mahnwachen, die neuerdings wieder vor dem Tierzentrum stattfinden. Wie berichtet, trifft sich eine Gruppe von etwa zehn Tierschützern – darunter auch ein ehemaliger ehrenamtlicher Mitarbeiter und weitere ehrenamtliche Mitarbeiterinnen des Tierzentrums – zu Mahnwachen vor dem Tierheim. Die erste fand am 20. Mai statt, die nächsten sind für den 3. und 10. Juni angesetzt, wie Initiator Uwe Gast aus Neu Wulmstorf dem Abendblatt mitteilte.

Tierheim ist in den Gebäuden des ehemaligen Tierversuchslabors LPT untergebracht

Die Mahnwachen wecken Erinnerungen, denn das Tierheim ist in den Gebäuden des ehemaligen Tierversuchslabors des „Laboratory of Pharmacology and Toxicology“ (LPT) untergebracht. Dort hatte die „Soko Tierschutz“ 2019 massive Tierquälereien aufgedeckt. Der Skandal ging bundesweit durch die Medien, führte zu Großdemos und schließlich zur Schließung des „Horrorlabors“ und weiterer Dependancen des LPT. Auch während des Kampfs der Tierschützer gegen LPT hatte es in Mienenbüttel ausgedehnte Mahnwachen gegeben.

Der Tibetanische Mastiff
Der Tibetanische Mastiff "Bahus" begrüßt Doris Firlus. Er ist einer der Hunde von ukrainischen Flüchtlingen, die im Tierzentrum untergebracht werden mussten.  © HA | Sabine Lepél

Dass sie nun wieder aufleben und sich ausgerechnet gegen ein Tierheim wenden, führt bei den einen zu Besorgnis und bei den anderen zu Unverständnis. Das Abendblatt wollte sich deshalb selbst einen Eindruck von der Einrichtung verschaffen, die im März des vergangenen Jahres eröffnet wurde. Und Doris Firlus möchte die Gelegenheit nutzen, um ihre Sicht der Dinge darzustellen.

Tierheim wird regelmäßig vom Veterinäramt im Landkreis Harburg überprüft

Eigentlich müsste sie das nicht, denn das Tierheim wurde in einem entsprechenden Genehmigungsverfahren zugelassen und wird regelmäßig vom Landkreis Harburg als zuständige Aufsichtsbehörde und dessen Veterinäramt überprüft, wie der Landkreis dem Abendblatt bestätigte. Das Tierzentrum werde etwa alle zwei Monate kontrolliert, die Kontrollen erfolgten unangekündigt. Grundsätzlich hätten die zuständigen Kollegen dort einen positiven Eindruck gewonnen und bestätigen eine gute Entwicklung der Einrichtung, so ein Landkreis-Sprecher. Die Teilnehmer der Mahnwache akzeptieren diese Aussagen nicht.

Sie kritisieren, dass es im Tierzentrum „eklatante Defizite hinsichtlich der Führung und des Personals in Bezug auf das Tierzentrum“ gebe und dies fatale Auswirkungen für die Tiere habe. Es gebe dort zu wenig Menschen, die sich um zu viele Tiere kümmern müssten, heißt es. Firlus und ihr Team wurden bei der ersten Mahnwache am 20. Mai von den Kritikern auf teils sehr persönliche Art unter Beschuss genommen. So wurde ein Mitarbeiter auf einem Plakat als „Narzisst“ und „manipulatives Arschloch“ bezeichnet und sein abgebildetes Konterfei lediglich mit einem schwarzen Balken versehen.

Es wird behauptet, die Tiere sähen kein Tageslicht

Außerdem wurde auf den Plakaten unter anderem behauptet, dass die Tiere im Tierzentrum kein Tageslicht sehen würden und bei Kälte frieren müssten.

Ein Hund steckt neugierig die Nase durch die Gitter seines Zwingers. 
Ein Hund steckt neugierig die Nase durch die Gitter seines Zwingers.  © HA | Sabine Lepél

Firlus vermutet hinter der Kritik der Mahnwachen-Teilnehmer einen Rachefeldzug. Die ehemaligen Ehrenamtlichen, die sich gegen sie und ihr Team gestellt haben, hätten sich eventuell mehr Mitspracherecht erhofft und seien nun wahrscheinlich beleidigt. „Wir haben hier klare Vorstellungen, wie es laufen soll. Ich habe von vornherein gesagt, dass wir kein Verein sind“, sagt sie. „Was mir vorgeworfen wird, ist definitiv unwahr und haltlos.“

Die Geschäftsführerin des unter dem Namen „Reso-Zentrum für benachteiligte Tiere gGmbH“ firmierenden Tierzentrums führt weiter durch die weitläufigen Räumlichkeiten der ehemaligen Tierversuchsanstalt. „Kachelknast“ nennen Kritiker die Anlage, die allerdings auch wegen der Wand- und Bodenbeläge sauber und gepflegt wirkt. Im Moment sind dort nach Firlus’ Angaben 87 Hunde und 38 Katzen untergebracht. Die Einrichtung besitzt eine Zulassung für 100 Hunde und 48 Katzen. Außerdem gibt es eine Wildtierstation, in die gerade eine verletzte Krähe eingeliefert wird, die ein Paar gefunden und vorbeigebracht hat. Sie sind froh, in Tierpflegerin Sabrina Gül jemanden zu haben, der ihnen das kranke Tier abnimmt und sich um weitere Schritte kümmert.

15 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, davon elf in Vollzeit

Insgesamt hat das Tierzentrum nach Angaben von Doris Firlus 15 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, davon elf in Vollzeit. Unterstützt werde es außerdem von rund 30 ehrenamtlichen Helfern, sagt Firlus. Sie selbst wohne mit ihrem Mann auf dem Gelände und sei deshalb zur Not rund um die Uhr zur Stelle.

Firlus führt zur Rezeption, in die Futterküche, dann zeigt sie die Räume zur medizinischen Versorgung. Weiter geht es zur Unterbringung der Katzen. Die „Stubentiger“ werden – wenn möglich – in kleinen Gruppe gehalten. Sie können sich in Innenräumen aufhalten, die mit einem - mit Spielzeug und Kratzbäumen ausgestatteten - Wintergarten verbunden sind und durch Katzentüren auch mit einem Außenbereich. Als Firlus an diesem vorbeigeht, kommen Katzen ans Gitter, lassen sich kraulen. Die Samtpfoten machen einen fitten ersten Eindruck.

„Von den Leuten der Mahnwache wird behauptet, unseren Tieren gehe es schlecht“, sagt Firlus. „Uns wird sogar Tierquälerei vorgeworfen.“ Das sei Rufmord und geschäftsschädigend und davor müsse sie sich und ihre Mitarbeiter schützen, so die Geschäftsführerin. Ein Anwalt sei eingeschaltet.

Rund 750 000 Euro hat Firlus bis jetzt in das Tierzentrum investiert

Rund 750 000 Euro hat Firlus nach eigenen Angaben bis jetzt in das Tierzentrum investiert. Es stehen weitere Investitionen an, wie sie sagt. Eine neue Annahmestelle solle entstehen, außerdem ein neuer Fundtierbereich sowie eine separate Isolierstation mit Platz für zwölf Katzen. Auch an einem neuen Bereich, in dem Menschen, die sich für einen Hund aus dem Heim interessieren, und der erwählte Vierbeiner sich wetterunabhängig kennenlernen können, wird gerade gebaut. Ehrenamtliche Helfer haben einen neuen Hundetrainingsplatz gestaltet.

Doris Firlus zeigt den neuen Trainingsplatz für Hunde, den ehrenamtliche Mitarbeiter gestaltet haben.
Doris Firlus zeigt den neuen Trainingsplatz für Hunde, den ehrenamtliche Mitarbeiter gestaltet haben. © HA | Sabine Lepél

Insgesamt verfügt das Tierzentrum über eine Gebäudefläche von 2500 Quadratmetern und eine Gesamtfläche von 3,5 Hektar. Auf einer etwa 1,5 Hektar großen umzäunten Freifläche finden die Hunde Auslauf. Firlus hat die Anlage von Jost Leuschner gepachtet, dem ehemaligen Inhaber des inzwischen aufgelösten Unternehmens LPT und früheren Betreiber des „Horror-Labors“

„Auch das wird mir immer wieder zum Vorwurf gemacht. Ich habe mit Herrn Leuschner aber nichts weiter zu tun, als dass ich seine Pächterin bin. Weder das Gebäude noch ich oder meine Mitarbeiter können etwas dafür, was hier einmal war“, sagt sie. Das sei – auch dank des Einsatzes der Tierschützer – glücklicherweise Vergangenheit.

„Ich würde es wohl nicht noch einmal machen. Das geht an die Substanz.“

Doch der Ärger geht weiter: „Ich war mir von Anfang an bewusst darüber, dass der Standort umstritten ist und die Leute an diesem speziellen Ort, an dem Tiere Schlimmes erleben mussten, genau hinschauen würden“, sagt Firlus. Auch mit Widerstand habe sie gerechnet. „Aber wenn ich gewusst hätte, wie hart es tatsächlich wird – ich würde es wohl nicht noch einmal machen. Das geht an die Substanz.“

Über Vorwürfe, sie sei nur aufs Geschäft aus und verdiene sich an den Tiervermittlungen über die Hamburger Behörden eine goldene Nase, kann sie nur den Kopf schütteln. „Es geht mir auf den Keks, dass immer gesagt wird, die Stadt Hamburg finanziere hier irgendetwas“, sagt die Geschäftsführerin. Sowohl die Hansestadt Hamburg als auch der Landkreis Harburg bezahlten lediglich die festen Sätze für eine Unterbringung: „In Quarantäne 35 Euro für einen Hund und 21 Euro für eine Katze pro Tag, regulär 21 Euro für einen Hund und 17 Euro für eine Katze.“

"Lucie" und "Elli" gehören zu den Hunden von ukrainischen Flüchtlingen, die im Tierzentrum untergebracht wurden. © HA | Sabine Lepél

Davon müssten Futterkosten, Unterhalt, Personalkosten, Tierarztkosten bezahlt werden: „Da bleibt nichts über. Was ich nicht habe, muss ich aus eigener Tasche dazu geben oder hoffen, dass es durch Spenden finanziert werden kann“, so Firlus.

Einige Tiere gehören Geflüchteten aus der Ukraine

Während des Besuchs kommen mehrfach Menschen vorbei – Mitarbeiter und Besucher. Eine Frau holt „Emma“ ab, eine stattliche Hündin aus einer Sicherstellung. Sie geht mit ihr auf dem Gelände spazieren, möchte sie wahrscheinlich zu sich holen, wie sie Doris Firlus mitteilt. Bei den Hundezwingern wird es lauter. Einige Hunde kommen schwanzwedelnd auf Firlus zu. Sie spricht die Tiere mit Namen an, sie lassen sich streicheln, manche schlecken ihr über die Hand oder durchs Gesicht. Es sieht nicht so aus, als hätten sie Angst vor der Geschäftsführerin des Tierzentrums.

Einige Tiere gehören Geflüchteten aus der Ukraine. Sie durften ihre Haustiere nicht mit in die Flüchtlingsunterkunft nehmen. Deshalb hatten die Hamburger Behörden temporäre Unterbringungsmöglichkeiten für Katzen und Hunde gesucht und in dem wenige Tage nach Kriegsbeginn eröffnete Tierzentrum Neu Wulmstorf gefunden. „Selbst daraus will man mir einen Strick drehen“, seufzt Firlus. „Es muss ja alles in das Bild vom bösen, bösen Tierzentrum passen.“ Sie habe es satt, dass von ein paar frustrierten Leuten alles krankhaft verdreht werde. Daran werde wohl leider auch ein Abendblatt-Artikel nichts ändern. „Die Situation ist eskaliert“, sagt sie zum Abschied. „Sie werden sehen: Wenn Sie nicht schreiben, dass hier alles schlecht ist, werden diese Leute behaupten, ich hätte Ihren Besuch von vorne bis hinten inszeniert und Ihnen sowieso nur das gezeigt, was ich zeigen wollte.“