Mienenbüttel. Mahnwache vor früherer Tierversuchsanstalt. Dort ist jetzt ein Tierheim. Aktivisten werfen Betreibern „Geschäfte auf dem Rücken der Tiere“ vor

Wieder Proteste vor dem ehemaligen Horrorlabor in Mienenbüttel: Mit einer Mahnwache haben Mitglieder einer Tierschutz-Gruppe am vergangenen Sonnabend auf – aus Sicht der Gruppe – unhaltbare Zustände in dem Tierheim hingewiesen, dass sich auf dem Areal des ehemaligen Tierversuchslabors der LPT befindet. Nach dem Tierversuchsskandal in dem LPT-Labor, bei dem im Oktober 2019 erschreckende Bilder von gequälten Affen und Hunden ans Licht der Öffentlichkeit kamen und bundesweit für Empörung sorgten, war das Labor im Februar 2020 von den Behörden geschlossen und in einem längeren Genehmigungsverfahren in ein, von einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) geführtes, Tierheim mit Wildtierstation umgewandelt worden.

Seitdem steht Doris Firlus, Geschäftsführerin des unter dem Namen „Reso-Zentrum für benachteiligte Tiere gGmbH“ firmierenden Tierzentrums, immer wieder in der Schusslinie einiger Tierschützer aus der Region. Ihnen erscheint die Ausrichtung des Tierzentrums als zu kommerziell. Sie wittern auf dem Gelände der ehemaligen Tierversuchsanstalt wieder ein Geschäft auf dem Rücken der Tiere. Firlus bestreitet die Vorwürfe gegen ihre Person und das von ihr geführte Tierzentrum und will sich erst nach einem anwaltlichen Gespräch näher zu der Kritik der Mahnwachen-Teilnehmer äußern.

Angeblich „unhaltbare Zustände“ auf dem Ex-LPT-Gelände in Mienenbüttel

„Ich möchte rechtliche Schritte gegen diese Leute abklären lassen“, sagte sie auf Abendblatt-Nachfrage. „Was sie behaupten, ist geschäftsschädigend und entspricht absolut nicht der Wahrheit.“ An der Mahnwache am vergangenen Sonnabend nahmen überwiegend ehemalige ehrenamtliche Mitarbeiterinnen des Tierzentrums teil. Ihr Protest richtet sich einerseits gegen die Zustände im Tierzentrum, aber auch gegen die Stadt Hamburg und das Veterinäramt in Winsen. „Mangelnde finanzielle Unterstützung der Stadt Hamburg in Bezug auf die Tierheime führte zum Aufnahmestopp im Tierheim Süderstrasse des Hamburger Tierschutzvereins.

Wir sind Zeugen eines großen Skandals“, sagt Uwe Gast.
Wir sind Zeugen eines großen Skandals“, sagt Uwe Gast. © HA | Sabine Lepél

Nun verbringt man Hunde dutzendweise ins Tierzentrum Mienenbüttel, das personell gar nicht für so viele Tiere ausgerüstet ist“, erläutert Uwe Gast. Der Neu Wulmstorfer setzt sich seit längerem für den Tierschutz ein und fungiert als informeller Sprecher der Mahnwachen-Teilnehmer. Es sei gut, dass durch ehemalige ehrenamtliche Mitarbeiter einige Missstände aufgedeckt wurden, „die geheim gehalten werden sollten“, meint Mahnwachen-Teilnehmerin Sandra Glässner: „Es scheint so, als würden die Betreiber hauptsächlich auf hohe Einnahmen aus sein. Es ist an der Zeit, dass die Behörden einschreiten. Zu viele Tiere, zu wenig Leute, man kann den Tieren nicht gerecht werden.“„Mir ist es ein Anliegen, die hier herrschenden Missstände öffentlich darzustellen“, sagt Mahnwachen-Teilnehmerin Jana Gerstmann.

„Zu wenig Menschen, die sich um zu viele Tiere kümmern“.

Ein Tierheim als solches sei eine gute und wichtige Idee. „Aber die Umstände, die hier herrschen - das ist aus meiner Sicht nicht zu verantworten“, so Gerstmann. Mitstreiterin Andrea Prehn ergänzt: „Ich stehe hier heute, weil ich für die Tiere, die hier untergebracht sind, eine artgerechtere und intensivere Betreuung fordere. Ich bin der Meinung, dass hier der Personalschlüssel definitiv nicht erfüllt wird. Es gibt zu wenig Menschen, die sich um zu viele Tiere kümmern müssen. Das schadet den Tieren sehr.“ Das Tierzentrum darf laut Genehmigung 100 Hunde und 48 Katzen aufnehmen.

Der Landkreis als Aufsichtsbehörde bestätigt dies. Das Tierzentrum werde etwa alle zwei Monate kontrolliert, so Landkreissprecher Andres Wulfes auf Abendblatt-Nachfrage. „Die Kontrollen geschehen natürlich unangekündigt“, so Wulfes. Grundsätzlich hätten die Kollegen dort einen positiven Eindruck gewonnen und bestätigen eine gute Entwicklung der Einrichtung. Dennoch gebe es laut Veterinäramt Verbesserungspotenzial „im geringeren Umfang“ und hin und wieder Bedarf zu Gesprächen mit der Betreiberin. Dabei sei es um den Betreuungsschlüssel gegangen oder auch um die Anschaffung von mehr Katzenklos.

„Wir sind Zeugen eines großen Skandals“

„Wir haben das im Blick“, so der Landkreissprecher. Schließlich handele es sich um einen prägnanten Ort. Auch mit den Kritikern der Einrichtung habe der Landkreis bereits gesprochen. Dort ist das Vertrauen in das Veterinäramt nach den Erfahrungen mit dem Skandal um das ehemalige LPT-Tierversuchslabor allerdings nicht sehr groß. „Das Veterinäramt in Winsen wird seit zirka zehn Monaten von verschiedenen Seiten über die Missstände und Defizite informiert und kontrolliert zwar recht häufig. Eine Verbesserung der Situation ergibt sich aber nicht“, so Uwe Gast.

Ausbildungsdefizite sowie lediglich temporäre Betreuung durch Tierärzte entgegen des Genehmigungsverfahrens würden akzeptiert. „Wir sind Zeugen eines großen Skandals“, so Gast. „Nicht nur die uns bekannten eklatanten Defizite hinsichtlich der Führung und des Personals in Bezug auf das Tierzentrum mit den Auswirkungen für die Tiere sind ein Skandal, sondern ganz besonders der Umgang der Hamburger Behörden mit den Tieren, für die sie laut Gesetz die Verantwortung und auch die Fürsorgepflicht tragen, gehört dazu.“

Dort, wo heute das Tierzentrum betrieben wird, mussten lange Zeit viele Tiere bei Tierversuchen leiden.
Dort, wo heute das Tierzentrum betrieben wird, mussten lange Zeit viele Tiere bei Tierversuchen leiden. © HA | Sabine Lepél

Veterinäre kontrollieren regelmäßig. Bislang haben sie einen positiven Eindruck

Auch der Umgang des zuständigen Veterinäramtes des Landkreises Harburg mit den „Missständen“ sei ein „wesentlicher Teil dieses Skandals“.Das Tierzentrum in Mienenbüttel kooperiert sowohl mit dem Landkreis Harburg als auch mit den Hamburger Behörden. Sowohl der Landkreis als auch die Hansestadt haben in Mienenbüttel bereits Tiere untergebracht. Für Tiere von ukrainischen Geflüchteter und auch für Fundtiere fehlen in der Großstadt Hamburg Unterbringungsmöglichkeiten – vor allem, seit der Hamburger Tierschutzverein als Betreiber des Tierheims Süderstraße im vergangenen März den Vertrag mit der Stadt Hamburg aufkündigte, weil das von den Hamburger Behörden bezahlte Geld für die Unterbringung der Tiere offenbar nicht kostendeckend war. Auch die Betreiberin des Tierzentrums in Mienenbüttel erhält als gemeinnützige GmbH Gebühren für jedes von der Stadt oder vom Landkreis untergebrachte Tier. Ansonsten bezieht sie keine finanzielle Unterstützung durch den Kreis, wie Wulfes bestätigte. Zur Unterstützung seiner Arbeit wirbt das Tierzentrum auf seiner Homepage um Spenden. Das Tierheim sei darauf angewiesen, weil die Kosten für Versorgung, Ernährung und Unterbringung der Tiere enorm hoch seien, heißt es dort.

Inhalt der Homepage und Aussagen der ehemaligen ehrenamtlichen Mitarbeiter unterscheiden sich eklatant. „Als ehemalige engagierte Verfechterin des Tierzentrums stehe ich hier: desillusioniert, enttäuscht und in Angst um die Tiere, die in diesem Konstrukt beherbergt werden“, sagt Mahnwachen-Teilnehmerin Marion Stützlein. Sie wolle, dass Tierheim und Wildtierstation bestehen bleiben. „Aber nicht unter dieser Leitung, die in keiner Weise das Tier im Auge behält. Dafür stehe ich heute an diesem mir so verhassten Ort.“