Hannover/Winsen. Jagen oder Schützen? Umweltministerium in Hannover startet Dialogforum zum Umgang mit den wieder heimisch gewordenen Wölfen.
Die rot-grüne Landesregierung in Hannover startet einen neuen Anlauf, den Konflikt zwischen Wolfsschutz und Weidetierhaltung im regelmäßigen Dialog zu lösen. „Wir wissen um die Nöte der Weidetierhalter auf der einen und das Naturschutzinteresse auf der anderen Seite“, so Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne). „Und wir wissen, dass das Thema Weidetierhaltung und Wolf nicht einfach zu lösen ist. Trotzdem wollen wir den sachlichen Dialog und die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten auf eine neue Grundlage stellen.“ Meyer und Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) veranstalten am heutigen Donnerstag das erste Dialogforum „Weidetierhaltung und Wolf“.
Eingeladen sind Weidetierhalter, Naturschutzverbände, Landwirtschaft, Wissenschaft, die zuständigen kommunalen Behörden und weitere Organisationen und Verbände. Der Winsener Schäfer Wendelin Schmücker, der sich seit vielen Jahren sehr öffentlichkeitswirksam für seine und viele andere Schafe einsetzt, wurde nicht gefragt. Und ist darüber offenbar nicht traurig: „Seit Jahren redet man mit der Politik. Die wissen, was zu tun ist. Niedersachsen kann da wenig ausrichten, Deutschland muss tätig werden und EU-Gesetze entsprechend umsetzen. Wir brauchen Schutzjagden für die deutsche Weidetierhaltung, wie zum Beispiel in Frankreich.“
2018 hatte Schäfer Schmücker in Winsen eine Waffenerlaubnis beantragt
Der von Schmücker gegründete Förderverein der Deutschen Schafhaltung (FDS) setzt sich vor allem für ein striktes Wolfsmanagement ein: Es gelte „die Bestände der Wölfe zu regulieren und ihrer unbeschränkten Ausbreitung in Deutschland und Europa Grenzen zu setzen“.
2018 wollte Schmücker nach mehreren Wolfsattacken auf seine Schafe die Sache selbst in die Hand nehmen und hatte in Winsen eine Waffenerlaubnis beantragt – „in erster Linie, um Wölfe zu vergrämen“, wie er sagt. Die Stadt hatte den Antrag abgelehnt, da sie keinen „triftigen Grund“ für die Waffengewalt sah. Schmückers Klage gegen diese Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Lüneburg im September 2022 abgewiesen.
Der Wolf ist und bleibt in Niedersachsen streng geschützt
Fast gleichzeitig wurde der Wolf im Sommer 2022 ins niedersächsische Jagdrecht aufgenommen. Inhaltlich hat sich dadurch aber nichts geändert, denn der Wolf ist und bleibt streng geschützt. Im Grundsatz gilt die Devise, dass die Schafhalter ihre Tiere vor Wölfen zu schützen haben, mit speziellen, vom Land geförderten Zäunen. Wenn es, wie bei Schmücker, dennoch zu Attacken kommt, weil Wölfe gelernt haben, dass Weidetiere für sie eine leichte Beute darstellen, dürfen ausnahmensweise einzelne Tiere aus auffälligen Rudeln geschossen werden.
Solche Ausnahmegenehmigungen müssen generell bei den Unteren Naturschutzbehörden der Städte und Landkreise beantragt werden. „Im Landkreis Harburg wurde bislang kein Antrag auf Entnahme eines Wolfes gestellt und dementsprechend auch keiner genehmigt“, sagt Kreissprecher Bernhard Frosdorfer. „In den meisten Fällen agieren die Tiere jedoch über Kreisgrenzen hinweg – dann wäre das Land zuständig.“
Im Rudel bei Munster kamen 2022 sieben Welpen zur Welt
Rund um den Landkreis Harburg gibt es nach Angaben der DBBW (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf) aktuell drei territoriale Wolfsrudel im Landkreis Cuxhaven, bei Munster und Bleckede. Überall gab es 2022 wohl Nachwuchs; in Munster wurden sieben und in Bleckede zwei Welpen sicher nachgewiesen.
Im Erhebungsjahr 2021/22 (jeweils bis zum 1. April) waren weitere Rudel in Scheeßel, Schneverdingen, Soltau, Garlstorf und Ebstorf registriert worden. Insgesamt lebten 34 Rudel in Niedersachsen. In 31 Rudeln wurde 2021/22 insgesamt 145 Welpen gezählt. Zusammen mit sesshaften Paaren und Einzeltieren gab es 49 Wolfsreviere, nur in Brandenburg waren es noch mehr (61). Deutschlandweit gab es 161 Wolfsfamilien, davon hatten 145 Rudel Nachwuchs, insgesamt 550 Welpen. Zum Erhalt der Art reichten 250 Wölfe aus, behauptet Schäfer Schmücker und fordert eine Bestandsobergrenze. Alle weiteren Wölfe sollten bejagt werden dürfen, so der Schafsschützer.
Der BUND will Existenz der Weidetierhaltung und der Wölfe sichern
Der Wolf gehöre nicht ins Jagdrecht, eine flächendeckende Bejagung sei kein Ersatz für effektiven Herdenschutz, betont dagegen der Umweltverband BUND. „Mittlerweile werden immer schneller die Stimmen laut, die den Abschuss von Wölfen als Allheilmittel sehen“, sagt Susanne Gerstner, Landesvorsitzende des niedersächsischen BUND. „Doch den Weidetierhaltenden hilft das nicht weiter. Wir brauchen tragfähige Lösungen, um die Existenz der Weidetierhaltung und der Wölfe langfristig zu sichern.“
Dabei sei an vielen Punkten ansetzen, so Gerstner, auch bei der Unterstützung der Schäfereien und anderer tierhaltenden Betriebe: „Die schlechte wirtschaftliche Grundsituation vieler Weidetierbetriebe muss dringend verbessert werden. Wir brauchen eine vollständige und unbürokratische Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen durch die Länder. Die Antragsverfahren müssen erleichtert und beschleunigt werden.“
Nur mit Schutzzäunen und Hunden ließen sich Wolfsrisse nicht verhindern
Die friedliche Koexistenz von Weidetieren und Wölfen sei ein „absurdes Märchen, das NABU und andere Organisationen gerne verbreiten“, schreibt dagegen der FDS. Nur mit Herdenschutzzäunen und Hunden ließen sich Wolfsrisse nicht verhindern. Die Fleischfresser passten nicht in von Weidetieren gepflegte Kulturlandschaften und dicht besiedelte Lebensräume, heißt es in einer „Berliner Erklärung 2023“, für die Schmücker auf der FDS-Website gerade Unterschriften sammelt.
Sie fordert, „in ökologisch wertvollen Gebieten mit einer hohen Dichte an Weidetieren, in denen Präventionsmaßnahmen nicht möglich und zumutbar sind“, sogenannte Weidetier-Schutzzonen festzusetzen. In solchen Zonen müsse der Schutz der Weidetierhaltung Vorrang vor dem Wolfsschutz haben „und eine unbürokratische Entnahme von Wölfen trotz Artenschutz erlaubt sein“.