Jork. In der heimischen Manufaktur stellen Kerstin und Danny Riewoldt – Betreiber der „Mühle“ – erlesene Spezialitäten her

Wenn der König der Gemüse in der Flasche landet, dann wird es fruchttypisch. Am Gaumen zeigt sich eine milde Säure. Das ist Spargelessig und eine der neueren Kreationen der Jorker Gastronomen Kerstin und Danny Riewoldt.

Danny Riewoldt ist gelernter Koch. Mit seiner Frau Kerstin – sie macht den Service – betreibt er seit fast zwölf Jahren die Mühle in Jork. Das Restaurant auf dem Deich, Am Elbdeich 1, lebt vor allem von seinen Stammgästen. Der Hannoveraner steht in der Regel allein in seiner Restaurant-Küche und „kocht, worauf ich Lust habe, mal relativ bodenständig, mal mit asiatischem Einschlag, auf jeden Fall saisonal und regional“. Seit Neuestem züchten die Riewoldts ihr Gemüse für die Mühle im eigenen Garten in Hinterbrack.

Danny Riewoldt muss immer etwas Neues ausprobieren

Schuld daran, dass die Riewoldts jetzt auch noch Essig machen, sind der Lockdown und die Tatsache, „dass Danny immer irgendwas Neues ausprobieren muss“, so Kerstin Riewoldt. Ursprünglich war die Idee, ein bisschen Essig für die eigene Küche herzustellen. Die beiden Unternehmer hatten gerade vor dem ersten Lockdown in ihrem Wohnhaus in Hinterbrack eine Schulküche eingebaut. Hier sollten Kochevents stattfinden und Gäste in Kursen kochen lernen – und mit eigenen Essigsorten kochen.

Vor dem Wohnhaus der Riewoldts in Hinterbrack lagert in alten Holzfässern der Essig.
Vor dem Wohnhaus der Riewoldts in Hinterbrack lagert in alten Holzfässern der Essig. © HA | Rachel Wahba/privat

Mit der Kochschule wurde es dank Corona erst mal nichts. „Aber der erste Essig, den ich ausprobiert habe, wurde fantastisch. Das war wahrscheinlich eher Zufall“, sagt Danny Riewoldt. Der Apfelessig – ein Teil lagert noch im Holzfass in der Riewoldtschen Essig Manufaktur – bleibe selbstverständlich in Familienbesitz, so Danny Riewoldt. In fünf bis sechs Jahren ist der Essig dann zehn Jahre alt. Danny Riewoldt: „Vielleicht machen wir dann daraus eine Sonderedition ‚the fist one’.“

Es gab eine Menge Fehlversuche

Es habe natürlich auch eine Menge Fehlversuche gegeben. Normal, wenn man wie Riewoldt als Autodidakt mit Fachliteratur und im „Learning by Doing“-Verfahren die ersten Schritte in der Essig-Branche unternimmt. Wer bei den Riewoldts durch die Haustür tritt, steht direkt vor riesigen, dickbauchigen Glasflaschen, sogenannten Glasballons, und Holzfässern. Natürlich lagert hier Essig. In ihrem kleinen „Essig-Labor“ arbeiten die beiden Gastronomen teilweise mit Geräten der Marke Eigenbau.

„Als das mit dem Essig ausuferte, haben wir uns einen kleinen Fermenter gekauft. Dann fingen wir an, den ersten Essig in der Mühle zu verkaufen“, erzählt Riewoldt. Der Essig ging weg, wie warme Semmeln. Ein größerer Fermenter wurde angeschafft, und Danny Riewoldt experimentierte weiter. Die ersten 1000 Liter wurden in der kleinen Manufaktur hergestellt. Kerstin Riewoldt: „Natürlich merken auch wir die gestiegenen Energiepreise, und so ein Fermenter verbraucht einiges an Strom. Wir arbeiten daher jetzt erstmal mit kleineren Maschinen und in kleinen Margen.“ Das Sortiment der Essigmanufaktur umfasst außer Spargel- und Apfelessig auch Essig aus Sauerkirschen, Zwetschgen und anderem, was im Alten Land wächst.

Essig machen klingt einfach

Inzwischen wird das Würz- und Heilmittel auch in Joker Geschäften und Obsthöfen angeboten
Inzwischen wird das Würz- und Heilmittel auch in Joker Geschäften und Obsthöfen angeboten © HA | Rachel Wahba/privat

Essig machen klingt einfach. Aus Saft wird Wein gemacht, denn Alkohol braucht der künftige Essig. Angereichert mit Essigbakterien, also einer Essigmutter, wird in einem zweiten Gärungsprozess aus dem Frucht- oder Gemüsewein Essig. Danny Riewoldt: „Geduld braucht man. Beim Essig brauen geht es darum, dass Alkohol in Säure umgewandelt wird.“ Der Essig aus der Manufaktur der Riewoldts wird dann grob gefiltert, auf keinen Fall pasteurisiert. In dem Essig, der inzwischen auch im Internet und in einigen Jorker Geschäften und in den Läden zweier Jorker Obsthöfe angeboten wird, sind noch Essigbakterien – besonders gesund für die Darmflora. Was braucht ein guter Essig noch?

„Zeit, viel Zeit“, sagt Danny Riewoldt. Wie viel Zeit das im einzelnen sei, so Riewoldt, hänge vom Verfahren ab. Bis zu einem Jahr oder länger muss Essig reifen, der im Orleans-Verfahren hergestellt wird – die älteste Methode der Essigherstellung. Auf der Oberfläche der Flüssigkeit im Holzfass schwimmen Essigbakterien. Regelmäßig entnimmt Danny Riewoldt einen Teil des Rohessigs und ersetzt ihn durch Wein. Dann lagert der Rohessig. Monatelang.

Am liebsten benutzen die Riewoldts „vorbelegte“ Holzfässer

Ein aufwendiges Verfahren, bei dem es zu großen Qualitätsschwankungen kommen kann. Am liebsten benutzen die Riewoldts „vorbelegte“ Holzfässer. Das sind Fässer, in denen vorher Wein oder Whisky gelagert wurden. Diese Fässer haben ihre eigene Note, die sie an den Essig abgeben. Bei dem Spanbildner- oder Fessel-Verfahren rieselt die alkoholische Flüssigkeit, aus der mal der Essig werden soll, drei bis vier Monate lang durch große zylindrische Behälter über Buchenholzspäne. An den Spänen bilden sich die Bakterien. Sie wandeln den Alkohol in kurzer Zeit in Essigsäure um.

Das modernste Verfahren ist das Submerseverfahren. Die alkoholische Flüssigkeit lagert in einem Tank. In diese Flüssigkeit wird Sauerstoff gepumpt. So bleiben die Essigkulturen in der Schwebe und können den Alkohol in Essig umwandeln.

Längst haben die Riewoldts Fans für ihren Essig gefunden. Danny Riewoldt: „Aber wir wollen langsam wachsen. Denn unser Hauptgeschäft ist die Mühle.“ Dennoch hat Riewoldt schon Pläne in der Tasche, seinen Restaurantgästen das Naturprodukt und die Geschmacksvielfalt näher zu bringen. So denken die beiden Gastronomen über ein „Essig Menü“ für Silvester oder ein Essig Tasting in der Mühle nach.