Rosengarten. Autor André Lenthe verschaffte sich zusammen mit Förster Claudius Fricke einen Überblick in der Revierförsterei Kleckerwald.
Noch immer hallen die Namen der Winterstürme „Nadia“ von Ende Januar und „Zeynep“ in der zweiten Februar-Hälfte in den Forstbetrieben nach wie Donnerhall. Anfang des Jahres beschäftigten die ungewöhnlich heftigen Orkantiefs mehrere Tage lang die Feuerwehren – nicht nur im Bezirk und Landkreis Harburg. Im Minutentakt mussten umgeknickte Bäume von Hausdächern geschnitten und von Straßen gezogen werden, leider wurden die Wälder dabei nicht verschont.
In ganzen Waldstrichen wurden Bäume entwurzelt, ehemals dichtbewachsene Anhöhen und Lichtungen waren plötzlich kahl. Vor dem Betreten der Wälder wurde in der gesamten Region gewarnt. Bis heute sind die Schäden deutlich links und rechts der Wege und Straßen am Waldesrand sichtbar.
Nachpflanzungen werden noch mindestens zwei, vielleicht drei Jahre dauern
„Die Aufräumarbeiten dauern noch an. Die Nachpflanzungen werden uns noch mindestens zwei, vielleicht drei Jahre beschäftigen“, erklärt Claudius Fricke, der Leiter der Revierförsterei Kleckerwald im Niedersächsischen Forstamt Sellhorn, beim Ortstermin mit dem Abendblatt. „In meinem gesamten Revier zwischen Winsen, Hittfeld, Klecken und Rosengarten hatten wir, wie in ganz Norddeutschland, erhebliche Windwürfe nach den Stürmen. Der größte Teil davon waren ältere Fichten, die wegen ihrer flachen Wurzeln und ihres immergrünen Nadelkleides besonders sturmgefährdet sind“, erläutert Fricke weiter. „Unter den Bäumen sind Fichten die Verlierer des Klimawandels.“
Sie kippen im Sturm durch die trocknen Böden einfach um und reißen wie beim Dominospiel weitere Bäume mit. „Insgesamt haben wir durch die Stürme rund 35.000 Kubikmeter Holz abernten müssen. Das ist das Dreieinhalbfache der nachhaltigen Ernte in normalen Jahren, wo wir rund 10.000 Kubikmeter an Bäumen entnehmen“, ergänzt der Revierförster Und das seien nur rund 70 Prozent von dem, was jährlich neu austreibt.
Holz gefallener Fichten muss schnell raus aus dem Wald
Durch den hohen Baumbestand an Fichten und die Unberechenbarkeit des Wetters wächst die Gefahr, große Teile des Waldes zu verlieren. Denn die Fichte ist zudem besonders anfällig für den Borkenkäfer, der seine Brut am liebsten im toten Holz der Bäume aufzieht, sich notfalls aber auch in gesunde Bäume zur Aufzucht einbohren kann. Durch die Trockenheit können Fichten nicht genügend Harz entwickeln, um Angriffe der Borkenkäfer abzuwehren – so sterben sie letztlich ab.
Um einer Katastrophe wie im Harz und im Schwarzwald zu entgehen, wo kaum noch eine Fichte zu finden ist, sei man hier dabei, das gefallene Holz so schnell wie möglich abzuernten, aus dem Wald zu bringen und zu verkaufen. Dafür wurden zusätzliche Forstbetriebe aus der Region, aber auch aus dem Oberallgäu, der Umgebung von Stuttgart und aus Brandenburg im Klecker Wald eingesetzt.
Beim Projekt „Forst AID“ halfen Forstbetriebe aus anderen Regionen
Ein Projekt, das im Wald den liebevollen Beinamen „Forst AID“ trägt. „Das war die erste Aufgabe, die sich uns nach den verheerenden Stürmen stellte“, so Revierförster Fricke, der dies „saubere Wirtschaft“ nennt. Dadurch werde dem Borkenkäfer die Kinderstube genommen, die Baumbestände fielen dem Schädling nicht zum Opfer.
Bereits bei seiner Amtseinführung 2019 hatte Fricke betont: „In vielen Fällen kann ich mit den natürlich ankommenden Baumarten arbeiten, hier muss ich nur steuernd eingreifen. Aber da, wo es nötig ist, werde ich durch Pflanzungen Nadelholzbestände in klimaangepasste, standortgerechte Mischwälder umwandeln.“
Diese Phase ist jetzt gekommen. Schon im vergangenen Jahr ließ der Förster durch Forstunternehmen etwa 50.000 neue Bäume setzen. Vor allem Birken, die, solange es noch geht, unter dem Schutz der alten Bäume anwachsen sollen. Erst nach zehn Jahren sind Birken stark genug, der Sonne zu trotzen. „Ich hoffe, dass die Fichte in unserem Wald noch einige Jahre durchhält“, zeichnet Fricke ein düsteres Bild. Zusätzliche Mischwaldbäume, wie Douglasien, Bucheckern, Weißtannen und andere, werden künftig das Bild prägen.
Vor 70 Jahren war die Fichte der baum der Wahl, heute nicht mehr
Vor rund 70 Jahren wurden die Fichten in den Wäldern rund um Hamburg gepflanzt, weil sie schnell Bauholz lieferten, das zum Wiederaufbau dringend benötigt wurde. Damals dachte noch niemand an den Klimawandel, die Böden waren ausreichend feucht und Extremwetterereignisse waren die absolute Ausnahme. Das hat sich geändert, seit mehr als 40 Jahren wird durch die Förstereien gegengesteuert, immer auf dem neusten Stand der Forschung. Neben reinen Birken- und Fichtenwäldern, die heute noch jeweils rund 40 Prozent des Baumbestandes im Klecker Wald ausmachen, gesellen sich immer mehr neue Baumarten hinzu.
Die Monokulturen im Forst werden so immer stärker aufgeweicht, der Wald fit gemacht für die Zukunft. Wie viele und welche jungen Bäume nach dem Sturmwinter im Kleckerwald neu gepflanzt werden können, dazu kann Claudius Fricke noch keine genauen Aussagen treffen. „Das ist abhängig vom Preis und dem zur Verfügung stehenden Saatgut.“ Klar ist aber bereits, dass Jahre vergehen werden, bis die Baumlücken wieder geschlossen sein werden und komplett aufgeforstet sind. Begonnen wird in der frostfreien Zeit im Spätherbst bis zum Frühjahr, dann sei die beste Zeit, die kleinen Bäume neu zu verpflanzen. Die gute alte Fichte wird allerdings über kurz oder lang aus den norddeutschen Wäldern verschwinden.
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Informationen zur Revierförsterei:
In der Revierförsterei Kleckerwald bewirtschaften der Förster und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Fläche von etwa 1300 Hektar Wald. Davon befinden sich etwas mehr als 1000 Hektar in Besitz des Landes, die restlichen 250 Hektar sind Genossenschaftswälder.
Durch die Nähe zum Ballungsraum Hamburg wird der Kleckerwald nicht nur holzwirtschaftlich genutzt, ihm kommt auch eine wichtige Aufgabe als Naherholungsgebiet zu. Seit 2019 ist der 39 Jahre alte Clemens Fricke der zuständige Revierförster. Der gebürtige Lüneburger kehrte nach seinem Studium in Göttingen und erster Berufserfahrung, auch im Ausland, in seine Heimat zurück.