Tostedt. Gut gemeint, schlecht gemacht? Gemeinde kündigt Nachtabschaltung an, aber die Technik spielt nicht mit
Die Gemeinde Tostedt will Strom sparen. Dazu sollten, wie angekündigt, die Straßenlaternen nachts aus. In der Nacht zu Dienstag sollte es soweit sein. Passiert ist seither aber nichts beziehungsweise eben doch: Jeden Abend geht die Beleuchtung an. Das Problem liegt in den Dutzenden Schaltschränken, welche die Lampen steuern.
Den Plan, die Kleinstadt nachts in großen Teilen im Dunkeln zu lassen, gibt es schon lange. 2009 kippten Bürgerproteste eine schon beschlossene zweijährige Testphase der Nachtabschaltung. Anfang 2022 brachten die Grünen einen neuen Antrag in den zuständigen Bau- und Wegeausschuss ein.
Energie sparen und auch nachtaktive Tiere schützen
Der Tostedter Grünen- Fraktionsvorsitzende Alexander Gröngröft sagte: „Eine Nachtabschaltung ist dringend geboten.” Damit würde nicht nur Energie eingespart, sondern auch nachtaktive Tiere und Pflanzen geschützt werden. Das gibt auch ein neues Bundesgesetz vor, das Mitte des Jahres in Kraft treten wird. Mit diesem soll das Insektensterben gestoppt werden. Als Maßnahme ist zum Beispiel eine Eindämmung der Lichtverschmutzung vorgesehen. Dem Ziel schlossen sich die meisten Politiker des Tostedter Ausschusses an. Ein Gutachter solle ein Beleuchtungskonzept entwickeln, um zu schauen, an welchen Stellen zum Beispiel Straßenlaternen ausgeschaltet werden könnten.
Als sich der Rat der Gemeinde Tostedt Ende Juni nach den Beratungen im Ausschuss mit dem Thema beschäftigte, hatte sich die Welt geändert. Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine stand die Energiekrise im Mittelpunkt. Kurzfristig beschloss der Rat, eine etwa zweieinhalbmonatige Probephase zur Abschaltung der Straßenlaternen schon am 19. Juli zu beginnen. In der Zeit zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens sollten viele Laternen dunkel bleiben, um Strom zu sparen.
„Wir als Kommune müssen vorangehen”, hieß es aus der Verwaltung. Denn außergewöhnliche Situationen würden außergewöhnliches Handeln erfordern. Doch die technische Umsetzung scheiterte zunächst an rechtlichen Bestimmungen. Denn die Kommunen müssen dafür sorgen, dass Fußgängerüberwege beleuchtet sind. Außerdem muss das Licht an der Bundesstraße, den Landesstraßen (wie der Bahnhofstraße) und Bahnübergängen im Ort an bleiben.
Kurzfristige Umsetzung ist nicht so einfach, wie gedacht
„Die kurzfristige Umsetzung ist nicht so einfach umzusetzen, wie gedacht”, sagte Tostedts Erster Samtgemeinderat Stefan Walnsch. In der Gemeinde gibt es Dutzende Schaltschränke, die jeweils für einige Straßenzüge die Laternen steuern. Wenn Teile der Straßen wegen Fußgängerüberwegen weiter in der Nacht beleuchtet werden sollen, muss das in den Schaltschränken angepasst werden. Elektriker sind derzeit dabei, die Technik zu überprüfen und nachzubessern. Wenn alles gut läuft, wird das Licht in der kommenden Woche nachts ausgehen.
Die Probephase soll nach ihrem Abschluss ausgewertet werden. „Wir beziehen die Rückmeldungen der Bürger in die weiteren Planungen mit ein”, verspricht Walnsch. Außerdem erhoffe man sich, durch das zu entwickelnde Beleuchtungskonzept weitere Einsparpotenziale zu erkennen. Im Unterschied zu den Protesten 2009 haben sich bisher nur zwei Anwohner mit Anmerkungen zur Straßenbeleuchtung bei der Gemeinde gemeldet.
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Unkar ist, wie viel Tostedt durch Abschaltung einspart
Wie viel Strom durch die vierstündigen Nachtabschaltungen gespart wird? Das konnte die Verwaltung im Vorfeld nicht berechnen. Dafür sei das Straßenlaternennetz in Tostedt zu umfangreich und die verbauten Lampen zu unterschiedlich. Zur Einordnung: In einem abgelehnten Antrag für eine neue Beleuchtung an der Niedersachsenstraße gingen die Planer für eine 750 Meter lange Wegstrecke von etwa 280 Euro Kosten pro Jahr aus.
Der Energieverbrauch bei der Straßenbeleuchtung in Tostedt ging schon in den vergangenen Jahren um etwa die Hälfte zurück. Das liegt an einem Sanierungsprogramm Anfang der 2010er-Jahre. Damals wurden mit Fördermittel alle alten Quecksilberlampen durch Energiesparlampen ausgetauscht. Im Laufe der Jahre kamen zusätzlich neue LED-Lampen dazu.
Alle Energiesparlampen und Nachtabschaltungen bringen jedoch nur wenig, wenn an anderer Stelle Gebäude in unnötiger Weise beleuchtet werden. In dieser Woche trafen sich Vertreter von allen Gemeinden des Landkreises, um ein einheitliches Vorgehen beim Energiesparen in öffentlichen Gebäuden zu beratschlagen. Zur gleichen Zeit brannte in einem Klassenzimmer der Grundschule Tostedt in der Poststraße Tag und Nacht das Licht. Der Grund laut Verwaltung: Hier liegt ein technischer Systemfehler vor, der behoben werden soll.