Buchholz. Vera Theelen und Michael Kroop neues Duo an der Spitze der Außenstelle Weisser Ring im Landkreis Harburg. Das sind ihre Ziele
Sie sind da, wenn Opfer schnelle Hilfe brauchen. Als Zuhörer, Begleiter und mentale Stütze. Sie verweisen auf Hilfsnetzwerke, sind bei Gerichtsverhandlungen dabei und helfen bei häuslicher Gewalt, nach Vergewaltigung, Stalking und Trickdiebstahl. Und das rund um die Uhr – im Ehrenamt. Auch im Landkreis Harburg ist die Opferschutzorganisation Weisser Ring seit 25 Jahren für Opfer von Straftaten aktiv. Doch noch immer wissen viele nicht, dass es diese Einrichtung überhaupt gibt.
Das soll sich jetzt ändern. Der Weisse Ring im Landkreis Harburg hat ein neues Führungsduo: Vera Theelen und Micheal Kroop übernehmen die Leitung der Außenstelle in Buchholz – und sie haben sich eines fest vorgenommen: Tue Gutes. Und: Rede darüber!
„Oft wissen die Opfer nicht, dass es uns gibt!“
„Damit der Weisse Ring Kriminalitätsopfern helfen kann, müssen möglichst viele Menschen wissen, dass es ihn gibt und was er macht“, sagt die neue Außenstellenleiterin Vera Theelen. „Laut einer Umfrage kennen 40 Prozent der Menschen den Weissen Ring. Wir müssen es schaffen, dass das 60 Prozent werden.“ Gemeinsam mit ihrem Stellvertreter, Michael Kroop, hat sie die Zeit während der Pandemie genutzt, die Homepage weiter auszubauen. Auch in den Sozialen Medien sind sie aktiv, um näher an die Menschen heranzukommen. „Oft wissen die Opfer nicht, dass es uns gibt, welche Rechte und Möglichkeiten sie haben und wie sie vorgehen sollen, wenn sie von Gewalt betroffen sind“, sagt Michael Kroop. „Wir helfen Opfern von Straftaten, sind für sie da, stehen beratend zur Seite – oft schon bevor eine Strafanzeige bei der Polizei gestellt wird.“
Insgesamt 19 Mitarbeitende, davon elf Frauen, zählt das ehrenamtliche Team der Außenstelle Landkreis Harburg. Für die Opferhilfe sind diese stets zu zweit im Team als professionelle Ehrenamtler unterwegs. „Das heißt: Sie müssen einerseits eine professionelle Distanz zum Opfer halten, andererseits Empathie zeigen“, sagt Karl-Heinz Langner. Der ehemalige Kriminalbeamte übernahm 2014 nach seiner Pensionierung die Leitung beim Weissen Ring im Landkreis Harburg. Kürzlich wurde er zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt, will aus dieser Position heraus die Kommunikationswege zur Bundesgeschäftsstelle verbessern.
400 Außenstellen hat der Weissn Ring in Deutschland
Übernommen hat das Ruder seine langjährige Mitarbeiterin Vera Theelen. Genauso wie ihr Stellvertreter Kroop hat sie vor viereinhalb Jahren beim Weissen Ring angefangen. „Ich war mit einem Polizisten verheiratet, habe mich mein ganzes Leben lang für Kriminalität und Menschen interessiert und kannte daher die Opferschutzorganisation und ihre wichtige Arbeit“, sagt sie. Stellvertreter Kroop war selbst früher Polizist. Auch er wollte ein Ehrenamt, bei dem er mit Menschen zu tun hat, eine Aufgabe, die ihn an die Seite der Opfer stellt.
Denn darum geht es den vielen Ehrenamtlichen der insgesamt 400 Außenstellen des Weissen Rings in Deutschland: den vielen Menschen, die Opfer einer Straftat werden oder Kriminalität und Gewalt im persönlichen Umfeld erfahren, schnell und unbürokratisch zu helfen - mit kompetentem Rat, praktische Hilfe und menschliche Zuwendung zu geben.
Gewalt in Partnerschaften und Familie hat 2021 weiter zugenommen
Wie groß der Bedarf ist, zeigen die steigenden Zahlen. Denn vor allem die Gewalt in Partnerschaften und Familie hat 2021 weiter zugenommen. So wandten sich im vergangenen Jahr insgesamt 116 Opfer von Straftaten an die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Opferhilfe und damit 77 mehr als 2020. Eine deutliche Zunahme verzeichnete die Opferschutzorganisation im Bereich Sexualdelikte. So meldeten sich im vergangenen Jahr 33 Betroffene und baten um Hilfe. 2020 waren es 18. Auch die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt stieg deutlich an. Sie lag bei 38 Fällen (2020: 15). 45 Männer und Frauen wandten sich an den Weissen Ring im Kreis, weil sie Opfer von Körperverletzungen geworden waren. 2020 waren es 26.
„Es gibt Fälle, in denen wir Opfern raten, nicht gleich zur Polizei zu gehen, sondern sich erstmal psychologisch beraten zu lassen“, sagt Karl-Heinz Langner. „Unsere Mitarbeiter sind als Lotsen im Hilfesystem unterwegs. Im Gespräch finden wir gemeinsam heraus, welcher der richtige Weg für die Betroffene ist und ob eine Strafanzeige Sinn macht.“ Denn wenn diese gestellt sei, müsse die Polizei ermitteln, ein Verfahren werde eingeleitet. Nicht jede Betroffene stehe einen langen, anstrengenden Rechtsstreit durch. Um so wichtiger sei es, dass die Opfer um ihre Rechte wüssten. „Auch hier stehen wir mit Informationen zur Seite, vermitteln zum Erstgespräch an Anwälte und übernehmen dafür die Kosten“, betont Langner. Damit stehe der Weisse Ring den Opfern nicht nur beratend, sondern auch finanziell zur Seite.
Dabei finanziert sich die Arbeit ausschließlich aus Spendengeldern, von denen im vergangenen Jahr 37 Erstberatungen bei Rechtsanwälten und 29 bei Psychologen und Traumaambulanzen für 12.540 Euro finanziert wurden. In tatbedingten finanziellen Notlagen wurde in 34 Fällen mit 9334 Euro geholfen. Zweimal zahlte der Weisse Ringe aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls weitere finanzielle Opferhilfen in Höhe von insgesamt 1681 Euro.
Opfer brauchen einen geschützten Raum zum Reden
Allein für den eigenen Bedarf wollen die Mitstreiter des Weissen Rings kein Geld ausgeben. Aus diesem Grund haben sie bislang auf eigene Räumlichkeiten verzichtet. Gespräche mit Opfern fanden entweder zuhause oder an wechselnden Orten statt – in der Kirche, bei der Polizei, im Café oder auf der Parkbank. Eine Situation, die für beide Seiten nicht optimal sei, findet Vera Theelen. „Opfer brauchen einen geschützten Raum zum Reden und wir einen Ort, an dem das Team sich treffen kann.“ Aus diesem Grund sucht die Außenstelle im Landkreis nun einen Raum, der mietfrei zur Verfügung gestellt werden kann. „Vielleicht gibt es ja ein Unternehmen, das sich verkleinern möchte und einen Raum für uns frei hat. Oder eine Privatperson, die eine leerstehende Einliegerwohnung zur Verfügung stellen möchte“, sagt Vera Theelen. Allerdings: Eine Miete könne der Verein nicht zahlen, allerdings eine Spendenquittung ausstellen. Die Räumlichkeit sollte in Buchholz oder näherer Umgebung liegen und mit Bus und Bahn erreichbar sein.
Über den Weissen Ring:
- Der „Weisse Ring“ wurde 1976 in Deutschland unter anderem von dem Fernsehjournalisten Eduard Zimmermann und dem Oberstaatsanwalt Hans Sachs in Mainz gegründet, wo er seinen Sitz hat und in das Vereinsregister eingetragen ist.
- Die überparteiliche und unabhängige private Bürgerinitiative hat in Deutschland etwa 2900 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer und rund 44.000 Mitglieder in 400 Außenstellen.
- Der Verein finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Stiftungen, Nachlässe sowie Zuweisungen von Geldbußen und nimmt keine öffentlichen Zuschüsse in Anspruch.
- Opfer können sich an das zentrale Opfertelefon 116 006 wenden. Die Außenstelle im Landkreis Harburg ist erreichbar unter Telefon 0151/551 64 733. -Infos: www.weisser-ring.de