Lüneburg. Kooperation mit IT-Firma Werum soll Jugendliche für Naturwissenschaften begeistern. Ergebnis zeigen sie auf Ideen-Expo.
Diese Waschmaschine hat es in sich: Das von außen unscheinbar normal anmutende Gerät ist allerdings nicht mit schmutziger Wäsche gefüllt. In seinem Inneren verbirgt sich vielmehr ein moderner Rechner, der den Inhalt für einen Bildschirm an der Frontseite der Waschmaschine liefert. Drei Videos können bisher per Touchscreen angetippt werden, sie informieren über das Wäschewaschen in früheren Zeiten und heute. Der Ton kommt aus Hörmuscheln, die über typische Waschmaschinenschläuche an den Seiten mit dem Gerät verbunden sind.
Die interaktive Waschmaschine war eine Idee von Schülern der nahe gelegenen Oberschule. Mit Unterstützung des IT-Unternehmens Werum Software & Systems entwickelten die Mitglieder der Schülerfirma „Wasserwerk“ das neue Exponat für die Ausstellung im Lüneburger Wasserturm. Dort ist es bereits zu sehen – wird jedoch demnächst noch eine Reise antreten.
Oberschüler fahren mit Waschmaschine zur Ideen-Expo nach Hannover
Im Juli präsentieren die Beteiligten ihr Projekt auf der Ideen-Expo in Hannover, Europas größter Jugendmesse für Naturwissenschaften und Technik. Den Stand mit einer Fläche von rund 200 Quadratmetern teilen sie sich mit 16 weiteren nachhaltigen Schülerfirmen. An dem Gemeinschaftsprojekt, das durch das Lüneburger Umweltbildungszentrum SCHUBZ koordiniert wird, beteiligen sich elf Schulen aus Niedersachsen und zwei mittelständische Unternehmen. Finanziell gefördert wird es durch die Bingo-Umweltstiftung, die 77.000 Euro beigesteuert hat.
Bis zur Messe soll die Waschmaschine aus dem Wasserturm mit insgesamt vier Bildschirmen zur interaktiven Nutzung ausgestattet sein. Die Schüler, die in diesem Jahr ihren Abschluss machen, haben dafür in vier Teams mehrere Videos gedreht und ein Quiz erstellt. Nutzer erfahren Wissenswertes über den Wasserverbrauch in Lüneburg und Deutschland, können Informationen zu weiteren Länder auf einer Weltkarte auswählen und ein Wasserrechner ermittelt ihren eigenen Verbrauch.
Projekt soll Berufsorientierung im naturwissenschaftlichen Bereich erleichtern
Das Projekt soll sowohl die Kompetenzen der Schüler in den Naturwissenschaften – den sogenannten MINT-Fächern – fördern und die Berufsorientierung erleichtern, als auch Unternehmen bei der Nachwuchsgewinnung unterstützen. „Es ermöglicht eine ganz andere Ernsthaftigkeit beim Lernen“, sagte Frank Corleis, Leiter des SCHUBZ, bei der Vorstellung im Wasserturm am Donnerstag. Im Mittelpunkt steht das Thema Nachhaltigkeit, die Schüler sollen nachhaltiges Denken und Handeln üben und Berufe aus diesem Feld kennenlernen.
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Durch das Projekt hätten sie viel Neues gelernt, sagte Eduard Kalinic. „Es war etwas komplett anderes als der normale Unterricht.“ Sein Mitschüler Tim Weynands betonte, dass sie nicht nur inhaltlich viel erfahren, sondern auch neue Arbeitsweisen kennengelernt hätten. „In der Zusammenarbeit mit Werum ging es um eine ganz andere Form des Lernens und des Arbeitens.“
Schüler informieren mit Videos zu Wasserverbrauch in Lüneburg und weltweit
Damit die von den Schülern erstellten Inhalte aus dem Inneren der Waschmaschine auf die Touchscreens gelangen, haben Auszubildende des Unternehmens das entsprechende IT-System programmiert. So eine Aufgabe sei ganz neu für sie gewesen, sagte Simon Steckelberg aus dem ersten Lehrjahr. „Es war eine Herausforderung, die Oberfläche anschaulich und intuitiv zu gestalten.“ Den Kontakt zu der Lüneburger Firma hatte Uwe Wegener, Leiter der Oberschule am Wasserturm, angestoßen. Er sieht in der Kooperation zahlreiche Vorteile für die Jugendlichen. „Die Schüler lernen Dinge, die sie im normalen Unterrichtsalltag nie erfahren hätten.“
Das Technologie-Unternehmen aus Lüneburg wiederum setzt schon seit Längerem auf Kooperationen mit Schulen, um junge Menschen für das technisch-wissenschaftliche Umfeld und den Bereich der IT zu begeistern. „Für uns als Mittelständler gibt es nichts wichtigeres, als an die Schulen heran zu treten. Das ist unser Überlebensmittel und essenziell, um Nachwuchs zu generieren“, sagte der Vorstandsvorsitzende Christian Sommer. Werum bildet Fachinformatiker aus und bietet zusammen mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg ein Duales Studium der Informatik an. Aus dem „Wasserwerk“-Projekt hat sich bisher jedoch kein Ausbildungsvertrag ergeben.
Nachhaltige Schülerfirmen beschäftigen sich mit Thema Green-IT
Das Thema Nachhaltigkeit werde auch im IT-Bereich immer wichtiger, betonte Hendrik Bohlen, Leiter Technik bei Werum, und zuständig für das Projekt mit dem „Wasserwerk“. So unterstütze das Unternehmen die Raumfahrtbehörden ESA und NASA, indem es Software zur Verarbeitung von Daten aus Umweltsatelliten liefere. Auch auf dem Forschungsschiff „Polarstern“ sei Software aus Lüneburg beteiligt gewesen. „Das alles dreht sich um das Oberthema Green-IT. Es geht um die Frage: Was kann ich mit IT-Systemen machen, um nachhaltiger mit dem Planeten umzugehen?“
Eine Antwort auf diese Frage liefern die „Wasserwerker“ von der Oberschule. Ihre gemeinsam mit den Azubis gebaute interaktive Waschmaschine wird in den kommenden Tagen fertig gestellt. Dann macht sich die Delegation mit dem Gerät auf nach Hannover zum Praxistest.
Schülerfirma Jesproduction der Oberschule Jesteburg bauen an Verkehrsampel
Die Oberschule Jesteburg und die Geestlandschule in Fredenbeck beteiligen sich ebenfalls an dem Gemeinschaftsprojekts zu nachhaltigen Schülerfirmen. An der Oberschule Jesteburg waren vor einiger Zeit die Auszubildenden des mittelständischen Unternehmens Sieb und Meyer aus Lüneburg zu Gast. im Gepäck hatten die angehenden Elektroniker neben zahlreichen Lötkolben auch eine ausrangierte Verkehrsampel.
In einem Workshop lernten die Schülerinnen und Schüler der Schülerfirma Jesproduction, Verbindungen auf kleinen Leiterplatten herzustellen, sodass am Ende ein Blinklicht aufleuchtet – eine Vorübung für den Umbau von alten Verkehrsampeln für den Einsatz in Kindergärten und Schulen zur Verkehrserziehung. Die Schülerfirma soll helfen, in Kooperation mit der Polizeiinspektion Harburg das Projekt aus dem Nachbarlandkreis auf den Landkreis Harburg auszuweiten.
Schüler aus Fredenbeck verwertet in ihrem Projekt Gärungsrückstände, die bei der Weinherstellung anfallen. Die Chemie-Abteilung der Schülerfirma Geestlandia gewinnt daraus Alkohol, um damit in einer speziellen Brennstoffzelle Strom zu erzeugen. Jesproduction und Geestlandia stellen ihre Projekte ebenfalls im Juli auf der Ideen-Expo am Stand des SCHUBZ vor.
Idee-Expo in Hannover ist die größte ihrer Art in Europa
Die Ideen-Expo 2022, ein Messe zur Berufsorientierung im MINT-Bereich, findet vom 2. bis 10. Juli in Hannover statt. Unter dem Motto „Mach doch einfach“ sind die Besucher aufgerufen, die mehr als 720 Exponate der rund 280 Aussteller auszuprobieren. So gibt es autonom fahrendes E-Kart, einen Flugsimulator und eine Maschine, die Gefühle mimen kann zum Ausprobieren.
Neben den Schülerfirmen stellen sich zahlreiche große Unternehmen vor, darunter Volkswagen, NiedersachsenMetall, AOK und NDR. Außer Nachhaltigkeit spielt Digitalisierung eine große Rolle auf der Ideen-Expo, die seit 2007 alle zwei Jahre stattfindet und als Europas größte Jugend-Veranstaltung dieser Art gilt.
Die Wirtschaftsförderung für Stadt und Landkreis Lüneburg stellt auf der Messe das Projekt „IT macht Schule“ vor. Es soll Jugendliche auf Berufe in diesem Feld aufmerksam machen und die Möglichkeiten im Mittelstand aufzeigen. „IT-Kompetenz wird in vielen Firmen gebraucht, zum Beispiel für den Betrieb von Online-Shops“, sagt Geschäftsführer Jürgen Enkelmann. Weitere Infos: www.ideenexpo.de.