Handeloh. „Tagen der Offenen Gartenpforte“: Gartenbesitzer im Landkreis Harburg laden zum Spaziergang durch ihre blühenden Refugien ein
Der Trollpfad führt durch dichtes Grün aus Funkien und üppigen Farnen, vorbei an Waldmeister und Maiglöckchen, Akelei und Veilchen. Im Schatten der mächtigen Eichen wächst meterhoch der Farn, gedeihen Funkien und Elfenblumen, aber auch Bärlauch und Geranien. Im Sonnenlicht glitzern die Blätter der Goldhaselnuss. Wie ein grüner Fluss fließt der perfekt getrimmte Rasen entlang der üppig blühenden Beete. Im Zentrum der 3200 Quadratmeter großen Fläche, die im Stil eines englischen Landschaftsgartens gestaltet ist, steht eine mächtige Eiche, deren Äste bis auf den Boden hinab belaubt sind.
„So ein Naturwunder“, da sind sich Sigrid und Wolfgang Röder sicher, „gibt es hierzulande kaum noch zu sehen.“ Und genau deshalb – damit möglichst viele Menschen dieses Naturwunder und den zauberhaften Garten, in dem es steht, bestaunen können – öffnet das Ehepaar Jahr für Jahr ihre Gartenpforte für interessierte Besucher.
Initiative „Tage der Offenen Gartenpforte“ startet wieder
An diesem Wochenende ist es wieder soweit. Dann laden Gartenbesitzer in der Samtgemeinde Tostedt, Hollenstedt und Umgebung zum Spaziergang durch ihre Refugien ein. Nach zwei Jahren Corona-Pause finden endlich wieder die „Tage der Offenen Gartenpforte“ statt. Seit 2006 nehmen auch Gartenbesitzer aus dem Landkreis Harburg an der Initiative teil. Die Idee dahinter: Interessierten die Möglichkeit zu bieten, eigene gärtnerische Ideen zu ergänzen, Neues zu finden sowie zwischenmenschliche Kontakte zu knüpfen.
Bis zu 20 Gärten sind Jahr für Jahr dabei, die sich durch ihre Farbgestaltung, Pflanzengruppen, Wasserspiele, seltene Pflanzensammlungen oder besondere Elemente auszeichnen. „Ob ländlicher Bauerngarten, weitläufiger Landschaftspark, kleiner Stadt- oder Reihenhausgarten, natürlicher Wassergarten, farblich sortierte Staudenbeete, üppig blühender Wildgarten – überall lohnen sich Blicke hinter den Gartenzaun“, sagt Sigrid Röder, die gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Burkhard Allwardt die „Offene Gartenpforte“ organisiert. „Jeder Garten ist anders und spiegelt Vorlieben und Interessen seiner Besitzer wider.“
- 48 Stunden Wilhelmsburg sind 365 Tage Arbeit im Jahr
- Keine Lust auf Sylt? Das sind neun tolle Ausflüge ab Hamburg
- Sie ist Buxtehudes Blütenzauberin
Da gibt es den naturnahen Garten von Familie Paulsen in Buchholz, mit Teichen, Wildrosen, Gemüseanbau in Fässern und selbstgefertigten Tonskulpturen, oder den Garten Kubina in Groß Todtshorn mit Schwimmteich und zahmen Kois. In Drestedt ist der Erlebnisgarten Schill mit Backhaus, Wasserstellen und Steinmauern zu bestaunen, in Tostedt steht die Pforte der Familie Heitmann offen für einen Plausch auf der Philosophenbank, in Otter warten in Rose-Maries Garten alte Rosen, eine Birkenallee sowie diverse Künstler mit ihren Werken auf die Besucher und in Ehestorf gibt es am Rehwechsel 8 neben lauschigen Plätzen am Teich sogar Kaffee, Kuchen und Livemusik.
Insgesamt 22 Garten-Freunde in der Region nehmen teil
Insgesamt 22 teilnehmende Garten-Freunde haben die Initiatoren in diesem Jahr für ihre Aktion gewinnen können. Auch sie selbst sind dabei. „Wir wollen den Besuchern die Möglichkeit geben, den ganzen Reichtum und die bunte Vielfalt der Gartenkultur zu erleben“, sagt Sigrid Röder. Dabei gehe es nicht in erster Linie um gartenkünstlerische Angebote der Spitzenklasse, sondern im Prinzip könne sich jeder Gartenbesitzer beteiligen, der Freude am eigenen Garten habe und gern darüber mit anderen kommuniziere.
Die 77-Jährige und ihr ein Jahr älterer Mann Wolfgang leben seit 1991 in Handeloh, haben drei Kinder und zehn Enkelkinder. Jeder von ihnen hat im Garten seine Lieblingsecke. „Als wir hierherzogen, gab es nur eine große Wiese und viele alte Eichen“, erinnert sich Sigrid Röder. Gemeinsam schufen die Außenhandelskauffrau und der Computeringenieur über die Jahre hinweg ihr Gartenparadies. In den Beeten wechseln sich Gehölzrabatten aus Felsenbirne, Perückenstrauch und Sommerspiere mit Staudenbeeten aus Glockenblumen, Pfingstrosen, Zierlauch, Katzenminze, Akelei und Schleierkraut ab. Und jedes Jahr kommt etwas Neues hinzu.
Ehepaar bereiste die Welt, bis sie in Handeloh Wurzeln schlugen
„Wenn wir eine Idee haben, packen wir das zusammen an, fahren los, besorgen die Pflanzen und machen uns gemeinsam an die Arbeit“, sagt Sigrid Röder. Das gemeinsame Engagement hat die Röders zusammengeschweißt. Seit 56 Jahren sind sie verheiratet. Zusammen haben sie vieles angepackt. Ende der 1960er Jahre zog das junge Ehepaar nach Australien, blieb zwei Jahre, reiste anschließend per Schiff und Anhalter von Sydney nach Indonesien und Malaysia nach Indien. 1971 ging es weiter mit dem VW-Bus nach Südafrika. Ein halbes Jahr dauerte die Reise. In Kapstadt blieben sie 17 Jahre lang, gründeten dort eine Familie und legten einen Garten an. Ende der 1980er Jahre kehrten die Röders, inzwischen zu fünft, zurück nach Europa, lebten eineinhalb Jahre in Frankreich. 1990 fanden sie das Grundstück in Handeloh. Es waren die fast 200 Jahre alten Eichen, die den Ausschlag gaben, zu bleiben.
„Das erste, was wir angelegt haben, war ein Teich“, erinnert sich Sigrid Röder. „Dann kamen die ersten Rhododendren dazu, ein Brunnen zur Bewässerung, weitere Bäume, Büsche, Hecken und Beete. Der Garten wurde von Jahr zu Jahr schöner. Aber erwähnt hat das kaum noch einer.“ 2004 hörte das Ehepaar Röder das erste Mal von der Initiative „Offene Gartenpforte“. Als 2006 die erste Veranstaltung im Landkreis Harburg startete, waren sie mit ihrem „Romantischen Parkgarten“ mit von der Partie. Seitdem sind sie Jahr für Jahr im Juni für die staunenden Besucher da.
Besonders stolz ist Sigrid Röder darauf, dass ihr Garten trotz seiner Gepflegtheit viel Platz für die einheimische Natur bietet. Versteckt hinter Hecken und Stauden finden Blindschleichen, Igel und Kröten in Holz-, Laub- und Steinhaufen Unterschlupf. Es gibt lange Totholzhecken zum Verstecken, eine große Kompostanlage und zahlreiche Insektenhotels und Nistkästen. Highlight für die zehn Enkelkinder ist der Küchengarten, in dessen Hochbeet Radieschen, Erdbeeren, Kartoffeln und Salat wachsen, umrahmt von üppigen Johannisbeersträuchern.
Fünf, sechs Stunden in der Woche verbringen die Röders in ihrem Garten. Wobei die Herrin des Hauses betont, dass dieser überhaupt keine Arbeit mache – im Gegenteil: „Die Zeit, die wir darin verbringen, genießen wir“, sagt sie. Und: „Unser Garten ist sehr pflegeleicht. Die Beete sind dicht bepflanzt und der Boden mit Rindenmulch abgedeckt, so dass kein Unkraut durchkommt.“ In diesem Jahr hat das Ehepaar zum ersten Mal sogar einen Hauch von Afrika in ihren Garten geholt, stellt über 30 Shona Skulpturen aus Simbabwe aus. Die Handarbeit aus verschiedenen Steinsorten passt perfekt in die gepflegte Anlage. Und sie erinnert das Paar an die Jahre in Afrika – der wohl schönsten Zeit ihres Lebens.
Diese Gärten sind dabei:
- Am 11. und 12. Juni öffnen folgende Gärten in Tostedt von 11 bis 17 Uhr ihre Pforten: Brookweg 36, Lohberger Straße 30, Heidkamp 12 sowie Am Helferichheim 17 (nur Sonntag).
- In den umliegenden Orten sind Gärten an folgenden Standorten geöffnet: Zum Bauernholz 4 (Drestedt), Hollenstedter Straße 53 (Dohren Gehege, nur Sonntag), Am Aarbach 1 (Appel, nur Sonntag), Ameisenweg 30 (Handeloh, jedes Wochenende im Juni von 14 bis 18 Uhr), Ameisenweg 9 (Handeloh, nur Sonntag), Rehkamp 47a (Buchholz, nur Sonntag), Feuerweg 12 (Holm-Seppensen, nur Sonnabend 15 bis 18 Uhr), Hauptstraße 21 (Otter), Moorweg 12 (Groß Todtshorn), Freudenthalweg 6 a (Groß Todtshorn, nur Sonntag), Klein Todtshorn 2 (Todtshorn), Am Kamp 5a (Welle), Stichstraße 8 (Wintermoor, nur Sonntag), Fuhrenkamp 70 (Wintermoor).
- Außerdem dabei sind: Garten Schaper, Rehwechsel 8 (Rosengarten/Ehestorf); Garten Mertens (Wilsede 6, Bispingen (nur Sonntag).
- Am 3. Juli öffnet der Garten Röhrs in der Soltauer Straße 1
in Schneverdingen seine Pforten. Am 17. und 23. Juli (10 bis 16 Uhr) sowie am 22. Oktober (11 bis 15 Uhr) kann der Garten Soetebeer, Lange Straße 83a in Kakenstorf besichtigt werden. - Weitere Infos gibt es bei Sigrid Röder unter der Telefonnummer 04188/88 00 88.