Harburg/Stade/Lüneburg. Feuerwehren zählen Hunderte Einsätze: Schuldach abgedeckt, Schweine durchs Dorf geweht, Baum kracht auf Metronom, Strecke gesperrt.
Entwurzelte Bäume, die auf Häuser krachten oder Straßen versperrten, herabfallende Äste, die für Unfälle sorgten, eine komplett gesperrte Bahnstrecke, entlaufende Tiere, abgedeckte Dächer und ein Hochwasserstand, der die Deichexperten auf den Plan rief: All das ist nur ein kleiner Auszug aus dem, was die Einsatzkräfte dank des Sturmtiefs „Nadia“ in der Region Harburg am Wochenende zu stemmen hatten.
Allein die Feuerwehren im Landkreis Harburg zählten seit dem späten Sonnabend bis Sonntagabend mehr als 150 Einsätze. Ähnliches meldete die Polizei für den Landkreis Stade. Dort waren es innerhalb von 24 Stunden sogar 160 Einsätze.
In Buxtehude erfasste eine Sturmböe ein Trampolin
So musste die Feuerwehr mehrere auf dem Parkplatz am Fähranleger Wischhafen abgestellte Autos aus dem Überflutungsbereich bergen. In Buxtehude erfasste eine Sturmböe ein Trampolin, schleuderte es aus einem Garten auf einen Parkplatz zwischen mehrere dort abgestellte Autos, die dabei beschädigt wurden. Verletzt wurden bei den Sturmeinsätzen im Bereich Stade laut Polizei am Sonntag bislang niemand; die Sachschäden seien schwer zu schätzen, dürften sich nur dort auf mindestens Zehntausende Euro belaufen.
Für Behinderungen sorgten die umgestürzten Bäume und herabfallenden Äste vor allem auf den Straßen und im Bahnverkehr. Ein Regionalzug des Metronom kollidierte am Sonnabend auf der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Bremen kurz hinter dem Bahnhof Scheeßel mit einem Baum. Nach Augenzeugenangaben stürzte dieser gegen 19 Uhr bei voller Fahrt auf die Lok. Dabei zerschlug er die Windschutzscheibe. Der Lokführer löste eine Notbremsung aus. Alarmierte Feuerwehrleute evakuierten 42 Fahrgäste aus dem Zug. Sie wurden mit einem Bus zum nächsten Bahnhof nach Rotenburg gefahren. Der Lokführer und alle Fahrgäste blieben unverletzt.
Für zwei Stunden fuhr kein Zug zwischen Buchholz und Harburg
Aufgrund des Unfalls und einer durch den Baum beschädigten Oberleitung wurde der Nah- und Fernverkehr zwischen Scheeßel und Rotenburg eingestellt. Der beschädigte Metronom wurde nachts abgeschleppt. Während im Nahverkehr ein Busnotverkehr eingerichtet wurde, mussten die Fernzüge eine etwa einstündige Umleitung fahren. Gerade als im Laufe des Sonntags alle Schäden an der Oberleitung repariert waren, stürzte der nächste Baum auf die Strecke. Für zwei Stunden fuhr kein Zug zwischen Buchholz und Harburg. Sie fuhren eine Umleitung über die Güterzugstrecke in Jesteburg.
- Hochwasser lockt zahlreiche Schaulustige an die Elbe
- Orkantief „Nadia“: Feuerwehr rückt zu 250 Einsätzen aus
In Woxdorf trieb „Nadia“ sogar zwei Schweine durch den Ort. „Mein Sohn und seine Freundin trauten ihren Augen kaum“, erzählte Marco Jönsson. Vom Balkon aus beobachteten sie zunächst wie die zwei Schweine die Woxdorfer Straße entlang taperten bis sie in Jönssons Garten landeten. Die Familie rief die Polizei und überbrückte die Zeit damit, die Tiere mit Futter vom Weglaufen abzubringen. Als die Tiere zunehmend das Interesse verloren und wieder auf die Straße zu laufen drohten, lockte die Familie sie mit Haferflocken, Wurzeln und Äpfel in die Garage.
Polizei suchte nach Spuren der Flucht von Annie und Edgar
Gemeinsam mit der Polizei überlegte Jönsson, wem die Schweine wohl gehören könnten. Ein Beamter fuhr die Nachbarschaft ab und suchte nach Spuren der ungewöhnlichen Flucht, allerdings erfolglos. Dann kam Marco Jönsson auf die rettende Idee: Er stellte einen Aufruf bei Facebook ein. Die Eigentümerin der Schweine wurde aufmerksam. Sie hatte den Ausbruch, aus dem mit einem Elektrozaun gesicherten Gehege, noch gar nicht bemerkt. Sturmtief „Nadia“ hatte den Zaun wohl umgeweht. Annie und Edgar, wie die beiden Schweine heißen, kamen nach rund einer Stunde Garagenarrest zurück zu ihrer Besitzerin.
Ansonsten bot sich den Einsatzkräften am Wochenende aber fast immer das gleiche Bild. Fast immer waren Bäume auf Straßen und Gehwege gestürzt und mussten zersägt werden. In Maschen stürzte eine Tanne auf ein Wohnhaus. Die Feuerwehr zersägte den Baum von einer Drehleiter aus. In Wistedt blockierte ein Baum die Bundesstraße 75. Hier entfernten die Rettungskräfte den Baum innerhalb weniger Minuten. Für etwa eine halbe Stunde war auch die A261 voll gesperrt, weil ein Baum auf die Fahrbahn gefallen war. In kurzer Folge stießen fünf Autos laut Polizei mit diesem zusammen. Glücklicherweise wurde hierbei niemand verletzt. In Ehestorf und Winsen beschädigten Bäume mehrere geparkte Autos. Auch eine Solaranlage drohte vom Wind weggeweht zu werden und musste von den ehrenamtlichen Rettern geschützt werden.
Deichwachen werden eingerichtet, laufen in der Nacht Patrouille
Bereits am Sonnabend gegen Mittag schloss die Feuerwehr Hoopte in Zusammenarbeit mit dem Deichverband Vogtei Neuland das Fluttor am Fähranleger. Auch die Tore am Ilmenau Sperrwerk wurden geschlossen. Auf Grund der Vorhersage ließ der Deichverbandsvorsitzende Christoph Sander in der Nacht zu Sonntag sogar Deichwachen einrichten. Unterstützt wurde der Verband durch die Feuerwehren Hoopte und Fliegenberg, die mit 18 Einsatzkräften diese Aufgabe übernahmen. In kleinen Gruppen wurde der Deich vom Seevesiel in Wuhlenburg bis zum Ilmenau Sperrwerk laut Feuerwehr abgegangen und auf Schäden überprüft. In Wuhlenburg mussten große Äste geborgen werden, die den Deich drohten zu beschädigen.
Einen langwierigen Einsatz bewältigten auch die Retter in Lüneburg. Etwa 150 Quadratmeter Dachpappe hatten sich während des Sturmtiefs vom Dach einer berufsbildenden Schule gelöst und musste von Einsatzkräften gesichert werden. Teile des Dachs hingen am Sonntagmorgen von dem fünfgeschossigen Gebäude in der Straße Zum Schierbrunnen hinunter und drohten auf das Schulgelände zu stürzten. Einsatzkräfte vom Technischen Hilfswerk und der Feuerwehr schleppten Sandsäcke auf das Dach, um ein weiteres Loslösen zu verhindern. Sie schnitten auch Teile der Dachpappe ab. Der Einsatz dauerte von 10 Uhr morgens bis in die späten Nachmittagsstunden.
Im Laufe des Sonntagnachmittag kehrte dann für die meisten Retter ein wenig Ruhe ein.