Nenndorf. Gericht erklärt den Bebauungsplan „Grotesche Heide“ für ungültig. Jetzt droht das Vorzeigeprojekt zu scheitern.

Es soll eines der Vorzeigeprojekte der Gemeinde Rosengarten werden und den dringend benötigten Wohnraum für junge Familien schaffen: das Neubaugebiet „Grotesche Heide“. Jetzt droht das Projekt am südlichen Ortsrand von Nenndorf zu scheitern.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat den Bebauungsplan für die fünf Hektar große Fläche allgemeinverbindlich für unwirksam erklärt. Heißt: Auf dem fünf Hektar großen Areal zwischen Dorfrand und Buchholzer Dreieck darf vorerst nicht gebaut werden.

Immobilien Rosengarten: Auf dem Areal sollen bis zu 75 Wohneinheiten entstehen

Wie berichtet, will die Gemeinde Rosengarten auf der Fläche 42 Grundstücke zur Bebauung schaffen. Hier sollen 65 bis 75 Wohneinheiten realisiert werden. Das Projekt liegt der Gemeinde und ihrem Bürgermeister Dirk Seidler besonders am Herzen – ist es doch „für die Bürger in Rosengarten die einzige Chance, zu bezahlbaren Preisen an Eigentum zu gelangen“.

Den Anwohnern sind die Baupläne der Gemeinde vor ihrer Haustür jedoch ein Dorn im Auge. Sie halten die Fläche als Baugebiet für ungeeignet, haben im Jahr 2020 einen Normenkontrollantrag und in diesem Jahr zwei Eilanträge bei Gericht eingereicht. Darin geht es unter anderem um Planungsfehler, Abwägungsdefizite, den Schutz gefährdeter Tierarten, die Versiegelung des als Trockental eingestuften Areals und der damit verbundenen Gefahr von Überschwemmungen, es geht um Lärmbelastung und Waldabstände. Letztere Punkte sind es, die auch das Gericht kritisch sieht.

Der Bebauungsplan, so das OVG, berücksichtige nicht hinreichend die raumordnungsrechtlichen Vorgaben zu wünschenswerten Abständen von bestehenden Waldflächen. Es sei zudem zweifelhaft, ob die durch die Nähe zu zwei Autobahnen erheblich lärmvorbelastete Fläche einer Wohnnutzung zuzuführen sei.

Rosengarten: Gericht erklärt Bebauungsplan „Grotesche Heide“ für ungültig

Die detaillierte Urteilsbegründung erwarten die Kläger in den kommenden Tagen. „Die Aussagen des Gerichts sind eindeutig“, sagt Kläger Eberhard Wetjen. „Die Fläche darf nicht wie geplant gebaut werden. Der Bebauungsplan ist in dieser Form unwirksam.“ Es sei bedauerlich, dass es so weit habe kommen müssen, aber man habe bereits in der Planungsphase darauf hingewiesen, dass das Areal für die geplante Bebauung ungeeignet sei.

„Wir haben eine Vielzahl von Punkten zusammengetragen, die gegen eine Bebauung der Fläche sprechen“, so Wetjen. Auch der BUND und die Landwirtschaftskammer hätten sich äußerst skeptisch geäußert. „Die Fakten lagen auf dem Tisch. Aber die Gemeinde hat die Risiken verdrängt.“ Für die Anwohnerinitiative sei mit dem Gerichtsurteil die „Sache ausgestanden“.

Im Rathaus sieht man das Verwaltungsurteil gelassen

Nun sei man gespannt, wie die Gemeinde, die als Grundstückseigentümer, Satzungsgeber, Projektentwickler und Vermarkter in Personalunion ein großes Eigeninteresse an der Realisierung habe, reagieren werde.

Im Rathaus hingegen nimmt man das Ergebnis aus dem OVG gelassen. „Das Gerichtsurteil ist den kritischen Argumenten der Antragsteller der Normenkontrolle in keinem Fall gefolgt“, so Bürgermeister Dirk Seidler. „Die Klägerparteien verkennen, dass keine der von ihnen vorgebrachten Argumente eine Rolle für die Unwirksamkeit gespielt haben.“ So wurden unter anderem die Sorgen der Überflutung von Gärten sowie andere nach Ansicht der Kläger schutzwürdige Belange vom Gericht dem Bagatellbereich zugeordnet, deren Normenkontrollanträge als unzulässig abgelehnt.

Gemeinde Rosengarten möchte nachbessern in der Begründung

Das Gerichtsurteil habe, so Seidler weiter, allerdings für einen Bebauungsplan interessanterweise die Anforderungen für eine Flächennutzungsplan unterstellt. Für den Bürgermeister und die Verwaltung heißt das: Sie müssen nachbessern. „Die Bedarfsberechnung und Baulückenbestandsaufnahme, die vorhanden gewesen sind, haben dem Gericht nicht gereicht“, so Seidler. „Wir müssen jetzt noch einmal darlegen, warum wir den Standort für eine Wohnbebauung im Verhältnis zu anderen Flächen der Gemeinde ausgewählt haben.“

Zudem müsse man dann nicht nur den geltenden regionalen Raumordnungsplan berücksichtigen, sondern dessen Umgang mit Landes- und Bundesrechtlichen Anforderungen nochmals beleuchten. Sobald die schriftliche Begründung des Urteils vorliege, solle gehandelt werden. Seidler: „Wir werden danach entscheiden, ob das Planverfahren unter den inzwischen geltenden rechtlichen Voraussetzungen neu gestartet wird – oder ob es genügt, die raumordnerischen Inhalte und deren Abwägungen nochmals zu dokumentieren und den Satzungsbeschluss neu zu fassen.“

Trotz laufender Klage hat Gemeinde in das Baugebiet investiert

Ein Neustart also, den die Anwohnerinitiative kritisch sieht. Für Unverständnis bei den Klägern sorgt zudem die Tatsache, dass die Gemeinde trotz laufender Klage begonnen hat, in das Baugebiet zu investieren. „Es wurden Erd- und Kanalarbeiten vorgenommen, Stromleitungen gelegt, eine Baustraße asphaltiert“, sagt Anwohner Joachim Frädrich. „Ständig passiert hier etwas und keiner weiß Bescheid.“ Die Gerüchteküche brodle, es heiße, die Gemeinde werde am Ende über eine Million Euro versenken.

Tatsächlich sind die Erschließungsarbeiten längst gestartet. „Straßenentwässerung, Leitungen der Ver- und Entsorger, Baustraße werden derzeit fertiggestellt“, sagt Bürgermeister Dirk Seidler. 730.000 Euro Bau- und Planungskosten seien ausgezahlt, davon gut 250.000 Euro für die Verbesserung der Oberflächenentwässerung im Gebiet. Die Gemeinde hatte die Maßnahmen bereits im Frühjahr angeschoben, nachdem das Gericht einen Eilantrag der Kläger zurückgewiesen hatte, in dem es darum ging, ob die Gemeinde mit den Straßenbauarbeiten starten kann. Das OVG urteilte damals, dass die Rechte der Anlieger nicht verletzt werden.

Bürgermeister Seidler wertete die Entscheidung des Gerichts bereits damals als klare Bestätigung, dass sich die Gemeinde auf sicherem Terrain bewege. Auch nach dem jüngsten Gerichtsurteil ist Seidler überzeugt, dass es richtig gewesen ist, mit den Erschließungsarbeiten im Frühsommer zu starten. „Hätte die Maßnahme nicht bereits nach der Eilentscheidung des OVG begonnen, würde sich der Investitionsumfang durch Baukostensteigerungen von über 30 Prozent in bestimmten Tiefbausektoren erheblich erhöhen“, so Seidler, der fest davon ausgeht, dass das Projekt fortgeführt werden kann. „Das Baugebiet als solches“, so Seidler, „ist vom Gericht nicht in Frage gestellt worden.“

„Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die Gemeinde!“

Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit, der die Interessengemeinschaft vertritt, hält dagegen: „Der Bürgermeister redet sich das Ergebnis schön und verdreht die Tatsachen. Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die Gemeinde.“ Der B-Plan sei von Anfang an rechtswidrig gewesen und habe Rechte der erfolgreichen Kläger verletzt. „Das stattgebende Urteil beruht, nach allem was wir schon heute wissen, auf Argumenten, die die Interessengemeinschaft in das Verfahren eingebracht hatten“, so Wollenteit. „Mit kosmetischen Korrekturen wird die Gemeinde ein weitere Niederlage nicht vermeiden können.“