Sammatz. In unserer Sommerserie stellen die Regionalausgaben dem Hamburger Abendblatts Tagesausflüge rund um Hamburg vor. Heute geht es ins Wendland.
Freundlich ist die Begrüßung, ob mit einem Lächeln oder einem Wiehern, einem „hallo“ oder einem „määäh“. Auf dem Michaelshof im wendländischen Sammatz wird wirklich jeder Gast begrüßt: ob von Frau oder Pferd, Mann oder Schaf. Selbst die Blumen scheinen hier zu sprechen, „schön, dass du da bist“, sagen sie zu den Gästen, die an ihnen vorbeischlendern. „Wir möchten, dass Menschen gestärkt und mit schönen Eindrücken gefüllt sind, wenn sie unseren Hof verlassen“, sagt Olaf Hobe. „Und wir möchten, dass sie wiederkommen.“ Mehr Gastfreundschaft geht nicht.
Olaf Hobe ist Projektleiter auf dem Michaelshof in Sammatz, einem Dorf mit drei Straßen zwischen Hitzacker und Bleckede, die Elbe ist nur ein paar Kilometer entfernt. Vor mehr als 35 Jahren als Lebens- und Arbeitsgemeinschaft einer Handvoll Freunde gegründet, ist der Michaelshof heute viel mehr als das: Er ist Arche-Hof und Landwirtschaft, Seminarhaus und Kinderheim, Laden und Café, Kinderspielplatz und Großküche, Park und Paradies.
Die Tiere auf dem Hof gehören alle zu gefährdeten Haustierrassen
Wer das große Gelände in dem kleinen Dorf betritt, kommt zuerst an den tierischen Bewohnern der Community vorbei. Dazu gehören Tiere wie der Katalanische Riesenesel und Schwarzwälder Kaltblut-Pferde, Thüringer Wald Ziegen, Angler Sattelschweine und Angler Rinder, fast alle stehen auf der Liste der bedrohten Tierarten und leben hier wie auf anderen Betrieben der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen unter dem Motto „Erhalten durch aufessen“. Das klingt nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Im hofeigenen Laden und auf dem Lüneburger Wochenmarkt verkauft der Michaelshof neben dem Gemüse aus eigener Landwirtschaft, Käse und Molkereiprodukten aus eigener Meierei und Brot aus eigener Bäckerei auch selbst gemachte Leberwurst und Schinken.
Im Moment beeindruckt vor allem die Rosenblüte im Garten
Von hier aus geht es an leuchtenden Blüten – zurzeit sind es vor allem die Rosen – vorbei zum ersten kleinen Teich, so idyllisch gestaltet mit einer Bank unter einem Obstbaum mitten auf einer Insel, dass man schon hier die erste Rast einlegen möchte. Die erste Rosenblüte geht gerade ihrem Ende zu, die zweite folgt Anfang August. Noch ein Stück weiter, zwischendurch ein Abstecher ins Vogelhaus, und wer zum ersten Mal das Gelände erkundet, wird das „woooooh“ vielleicht nicht nur denken, sondern auch aussprechen.
Der Waldsee, vor fünf Jahren in einer ehemaligen Kuhle für Kiesabbau angelegt, umgeben von treppenförmig angelegten Beeten, ist wahrlich ein Ort zum Niederlassen. Genau wie die Arena, schräg gegenüber vom Café, mit ihren Holzfiguren, die die Sieben Freien Künste symbolisierenden. Ein Ort zum Verweilen.
Die Gastgeber möchten den Menschen einen Ort geben, an dem die Seele baumeln kann
Genau das wünschen sich zumindest die Gastgeber. „Wir möchten den Menschen einen Ort geben, ihre Seele baumeln zu lassen, zum Verschnaufen und Innehalten“, sagt Janet Haacke, 55. Sie ist bereits seit 1987 im Team und kümmert sich unter anderem vordringlich um die Finanzen. „Und vielleicht kommt der eine oder die andere bei uns auf andere Gedanken, zum Beispiel, wie Leben und Wirtschaften auch anders möglich ist. Wir möchten die Augen öffnen für Tiere und die Kräfte der Natur.“
Auf Eintrittsgeld verzichtet der nach den Grundsätzen Rudolf Steiners arbeitende Michaelshof ganz bewusst, sagt Janet Haacke. „Wir möchten nicht in einem Museum leben, außerdem würde es das Verhältnis unserer Gäste zu uns und zu den Gärten ändern.“ Denn nicht zuletzt entstehen Erwartungen, wenn etwas Geld kostet: Und die Erwartung zum Beispiel, dass die Beete in den sieben Themengärten frei von Unkraut zu sein haben, kann hier niemand erfüllen – schon gar nicht in diesem Sommer, in dem die Hofgemeinschaft Corona-bedingt teilweise auf die ansonsten übliche tatkräftige Unterstützung von internationalen Volunteers sowie Schülerinnen und Schülern auf Klassenfahrt verzichten muss.
Die Finanzierung des kleinen, aber realen Paradieses erfolgt über mehrere Säulen: Die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Peronnik e.V., das Heim für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche zählt 34 Plätze, Hofladen und Café bringen Geld ein, Seminare und Veranstaltungen rund um Mensch und Natur ebenfalls. Seit dem Frühjahr gibt es einen Online-Shop für die selbst hergestellten Produkte, ab Oktober gibt es Gästezimmer für Übernachtungen.
Viele Helfer kommen über das Work and Travel-Programm
Viel Hilfe gibt es auch von den Volunteers, also Freiwilligen aus aller Welt, die über das Programm „Work and Travel“ nach Sammatz kommen. Pandemiebedingt waren es zuletzt weniger junge Leute als üblich. Aber die Hofgemeinschaft freut sich, dass jetzt langsam wieder Gäste aus anderen Ländern kommen und ihr Flair in den Hofalltag einbringen.
„Der Rest erfolgt über Spenden“, sagt Olaf Hobe. „Außerdem arbeiten alle rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit viel Engagement, wir bauen vieles selbst und sehen unser gesamtes Leben auf dem Hof als Wohnen und Arbeiten an, das nahtlos ineinander übergeht.“ Und das Paradies hat noch einen weiteren Sinn, der über die Freude für das Team, seine Familien und die Gäste hinausgeht: Es ist Teil des heilpädagogischen Konzepts für das Kinderheim.