Seevetal/Meckelfeld. Tischlerei Iwasieczko arbeitet mit einem digitalen System effizienter. Kunden werden über den Stand der Aufträge unterrichtet

Lässt sich tischlern digitalisieren? Die Fertigung von Möbeln oder der Einbau von Fenstern braucht ausgewähltes Holz, Säge, Wasserwaage, Spezialwerkzeug und nicht zuletzt eine sichere Hand und ein geschultes Auge, um auf Maß bauen zu können. Aber die Digitalisierung, um Abläufe optimal zu steuern und direkten Kontakt zum Kunden zu halten hält jetzt im Handwerk Einzug.

So steuern Tischlermeister Dieter Iwasieczko und sein Sohn Chris seit März ihren Betrieb in Meckelfeld mit einem System, das das Hamburger Startup Make Work Flow entwickelt hat. „Die Kunden sind begeistert, meine Mitarbeiter orientieren sich an den Vorgaben und im Büro läuft alles ruhiger ab“, sagt Seniorchef Iwasieczko.

Firma ist bislang als einzige im Landkreis ausgestattet

Die Bau- und Möbeltischlerei arbeitet zwar bereits mit einem computergestützten Bearbeitungszentrum. Die zehnköpfige Crew des Mittelständlers baut Schränke, Tische und Empfangstresen nach individuellen Wünschen oder auch mal eine Vitrine, die maßstabsgerechte Schiffsmodelle vor Hausstaub schützt. Der Umsatz des Unternehmens beträgt knapp eine Million Euro.

Der Einsatz der neuen Software steht nun für einen weiteren digitalen Schritt. Er wurde durch den Kontakt zur den Hamburger Spezialisten mit ihrem System Flow Trace möglich. „Die Firma in Meckelfeld war der erste Tischler, der das System bestellt hat und ist noch der einzige im Landkreis Harburg“, sagt Markus Bosse, der geschäftsführende Gesellschafter von Make Work Flow.

100 Kunden aus verschiedenen Branchen gewonnen

Bosse hat, nachdem er seinen Prototyp vorgestellt hatte, inzwischen an die 100 Kunden aus verschiedenen Branchen gewonnen. Darunter sind vor allem Manufakturen, Werkstätten, Optiker und nicht zuletzt das Handwerk. Dorthin brachte einer seiner Mitarbeiter einen engen Kontakt mit. Denn Mirko Iwasieczko, Dieters jüngerer Sohn, hat nach dem Abschuss seines Master-Studiums zum Wirtschaftsingenieur im Februar bei Bosse angefangen. „Wir haben schon während seines Studiums die Theorie mit der Realität im Betrieb verglichen“, sagt Bruder Chris Iwasieczko, der den Betrieb künftig übernehmen soll. So baute Marke Work Flow das System auf. Die Iwasieczkos zahlen dafür 150 Euro Miete im Monat.

Flow Trace läuft auf den Computern der Chefs

Ausgangspunkt für Flow Trace ist die neu entwickelte Software, die auf den Computern der beiden Firmenschchefs läuft. Dort werden neue Aufträge eingegeben, nach bekannten oder neuen Kunden unterschieden, alles gespeichert und mit einem Chip verknüpft. Die Chips landen in einer kleinen Tasche auf einem Klemmbrett. Mit dem Brett wandert die Karte über zehn Stationen von der Arbeitsvorbereitung über die Fertigung bis hin zur Abrechnung und dem Abschluss. Die beiden Chefs und die Mitarbeiter, die in der Werkstatt die nebeneinander aufgehängten Klemmbretter übernehmen, müssen sie nur über einen der zehn Scanner halten. Dann ertönt ein Piep und der Auftrag rückt auf den Bildschirmen einen Schritt zur nächsten Arbeitsstation vor.

Markus Bosse ist der Chef der Make Work Flow GmbH
Markus Bosse ist der Chef der Make Work Flow GmbH © Unbekannt | Make Work Flow GmbH

Was in der Tischlerei Iwasieczko passiert, werde durch Flow Trace in die digitale Welt gespiegelt, erklärt Bosse. „Wir erstellen einen digitalen Zwilling. Er zeigt am Schirm in Echtzeit, auf einen Blick und stets aktualisiert, was in Büro und Werkstatt passiert.“

Digitale Steuerung schafft Transparenz bei den Aufträgen

Bei 40 bis 50 Aufträgen, die in der Tischlerei im Durchschnitt gleichzeitig bearbeitet werden, trägt das zu einer hohen Transparenz bei. So kann etwa rasch erkannt werden, wenn die Zeit für eine Fertigung knapp wird. Dann färbt sich ein Auftrag auf dem Computerschirm rot. Zudem informiert das System die Kunden, je nach Absprache über E-Mail, SMS oder WhatsApp, wenn die Fertigung ihres Auftrages beginnt, die Lieferung ansteht oder alles fertig ist. Zum Schluss werden sie aufgefordert, mit einem Klick eine Google-Bewertung abzugeben. Viele gute Bewertungen sorgen dafür, dass der Betrieb im Online-Ranking weiter nach oben rückt.

Make-Work-Flow-Chef Bosse, ein Diplom-Ökonom, hatte ein ähnliches Produktionssystem von Toyota vor Jahren in Asien kennengelernt. Dort hat er von 2005 an zehn Jahre verbracht und zunächst in Vietnam und Jakarta Fabriken von Zulieferern für Kunststoffkomponenten an Fußballschuhen von Adidas geleitet. Danach baute er eine eigene Schmuckfabrik auf Bali auf und kam schließlich 2015 nach Deutschland zurück. In seiner Zeit als selbstständiger Unternehmensberater entwickelte der heute 49-Jährige seine neue Software und gründete am 16. März 2020, in den ersten Tagen der Pandemie, sein neues Unternehmen in Hamburg. Zielgruppe sind Firmen mit fünf bis allenfalls 20 Mitarbeitern. Inzwischen sind bei Make Work Flow 15 Beschäftigte an Bord. Ziel: Mit weiteren Mitarbeitern im kommenden Jahr auf 800 Kunden zu wachsen.

Schreiben der Rechnungen bleibt in der Hand der Chefin

Vorerst bleibt das System noch auf die Produktionsabläufe beschränkt. Die Buchführung und das Schreiben der Rechnungen an die Kunden übernimmt weiter Dieter Iwasieczkos Frau Susanne. Wenn es ums Geld geht, bleibt so eine sichere Hand im Spiel.