Buchholz. Der neue Mobilfunkstandard soll bundesweites Aushängeschild des TIP Innovationspark Nordheide in Buchholz werden.
Um ein neues modernes Gewerbegebiet aufzubauen, muss zunächst die Infrastruktur stehen. Das ist beim TIP Innovationspark, dem geplanten Technologiequartier am Buchholzer Stadtrand, nicht anders. Ungewöhnlich ist jedoch, dass die Straßenlaternen einen Glasfaseranschluss erhalten sollen. Denn sie werden nicht nur Licht spenden, sondern auch Antennen tragen.
Diese sind Teil eines Testfelds für den Hochleistungs-Mobilfunkstandard 5G. „Der Landkreis Harburg macht sich auf den Weg in die Zukunft. Hier entsteht ein Pionierprojekt für Nordniedersachsen“, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) bei der Präsentation des Projekts.
5G im Gewerbegebiet ist bislang einzigartig
„Ein 5G-Campusnetz für ein Gewerbegebiet ist einzigartig“, betonte Paul Drews. Der Professor für Wirtschaftsinformatik an der Leuphana Universität arbeitet im Themenschwerpunkt digitale Transformation, also zur Digitalisierung von Unternehmens- und Produktionsprozessen.
Die Lüneburger Leuphana ist eine von drei Hochschulen, die seitens der Wissenschaft das 5G-Testfeld mitentwickeln, um es später für eigene Projekte zu nutzen. Die anderen beiden sind die hochschule 21 (hs21) in Buxtehude und das OFFIS (Institut für Informatik), das an die Universität Oldenburg angegliedert ist.
Das Trio hat bereits Projekte laufen, deren Protagonisten sich möglichst bald im Testfeld erproben sollen. Zum Beispiel der autonome Obstplantagenhelfer „AurOrA“, den die hs 21 zusammen mit einem Landmaschinenunternehmen und einem Obstbaubetrieb in Jork entwickelt.
Anders als der gleichnamige Falter flattert AurOrA nicht während der Obstblüte durch die Baumreihen, sondern sammelt in der Erntezeit volle Obstkisten ein. Der Minitransporter erkennt gefüllte Kisten, greift sie sich und bringt sie 5G-gesteuert zu einem Lagerplatz, so das Projektziel. Im Moment sucht er Möglichkeiten zum Outdoor-Training.
Drei Hochschulen sind dabei
Die Leuphana geht zunächst mit zwei Projekten ins Rennen. OptimUm dient der Qualitätssicherung im Fertigungsprozess der „Kaltumformung von Blechen“ – ähnliche Ansätze verfolgen auch die Oldenburger OFFIS-Kollegen. Das zweite Lüneburger Projekt namens Schöpfwerk 4.0 dient dem Hochwasserschutz: Ein Netz aus Sensoren erkennt den Anstieg von Wasserpegeln in einer Region und kann dank 5G sofort reagieren, in dem es das Schöpfwerk aktiviert.
Die Datenübertragung von Sensoren zu Steuereinheiten, von Steuereinheiten zu mobilen Gerätschaften und Fahrzeugen aller Art, im Bereich der Telemedizin, der automatisierten Haustechnik inklusive verschiedener Haushaltsgeräte, beim Katastrophenschutz, der Personenbeförderung auf dem Land und vielen weiteren Anwendungsbereichen lässt sich nur in einem Reallabor auf Alltagstauglichkeit prüfen. Ein Testfeld für 5G-Anwendungsszenarien wird also dringend gebraucht und soll im Herbst, gefördert durch Bund und Land, in Buchholz in Betrieb gehen.
Kurz vor Weihnachten hatte Landrat Rainer Rempe in Berlin knapp 100.000 Euro vom für die Digitalisierung zuständigen Verkehrsministerium in Empfang genommen. Nun gilt es, den tatsächlichen Aufbau des Testfelds zu finanzieren. Althusmann ist zuversichtlich, dass wieder (ausreichend) Geld fließen wird: „Der Antrag kann im Juni gestellt werden. Wir haben ihn schon vorsichtig vorgeprüft und denken, dass er genehmigungsfähig ist.“ Die Unterstützung könne für die beiden Bereiche Wirtschaft und Wissenschaft zusammengenommen im zweistelligen Millionenbereich liegen, so Althusmann.
Transfergesellschaften tragen das Wissen in die Wirtschaft
Die Verknüpfung der angewandten Forschung mit technologieorientierten Unternehmen ist das Hauptanliegen des TIP Innovationsparks. Rund 50 Unternehmen könnten sich in den kommenden Jahren hier ansiedeln und um die 900 Arbeitsplätze schaffen. Die ersten sind bereits gefunden, darunter der Apparatebauer Mayr & Wilhelm, der bis zu 24 Meter lange Wärmetauscher produziert.
In den Bau der dafür notwendigen Werkhallen sowie in Bürogebäude investiert das Unternehmen rund sieben Millionen Euro. Weitere Unternehmen werden dazu kommen und auch Partner, die nur das Testfeld nutzen wollen, sagte Jens Wrede, Geschäftsführer der WLH GmbH, der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft des Landkreises Harburg.
Sie entwickelt den Innovationspark zwischen Buchholz und Dibbersen. „Wir entwickeln jetzt das 5G-Netz. Wenn es startbereit ist, dann reicht eine SIM-Karte, um den Mobilfunk im Hochleistungsstandard nutzen zu können.“
Wie wichtig die Beteiligung der Wirtschaft ist, machte Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) den Zuhörern deutlich, die teils live vor Ort, teils über das Internet zugeschaltet waren: „Deutschland ist in der technischen Entwicklung gut, manchmal Spitze. Aber es mangelt am Output, also an der Kommerzialisierung der Innovationen. Nehmen Sie den MP3 Player: Er wurde in Deutschland entwickelt, aber es fand sich niemand, der ihn produzierte. Das übernahmen dann Unternehmen in den USA und machten damit Milliardengewinne.“
In einer Arbeitsplatzbeschreibung eines Professors seien Ausgründungen von Unternehmen zur Verwertung der Forschungsergebnisse nicht enthalten, so Thümler. Dazu brauche es Transfergesellschaften, die das Wissen in die Wirtschaft hineintragen. Und Standorte wie den TIP Innovationspark, wo sich Forscher und Unternehmen treffen.
An Jens Wrede gewendet sagte er: „Zeigen Sie, was Sie hier können. Und zeigen Sie Hamburg, dass das Umland mehr kann, als häufig gedacht.“ Landrat Rainer Rempe freut sich auf das in Fahrt kommende Prestigeprojekt. „Unser Ziel ist es, ein führendes Reallabor der 5G-Anwendung zu werden.“