Buchholz. Mit Klimaaktionsplan und Leuchtturmprojekten Kohlendioxid einsparen? Unterstützung gibt's von einer Beratungsfirma aus Altona

Mit Leuchtturmprojekten wie der Orca-Anlage des Schweizer Unternehmens Climeworks soll die Stadt Buchholz auf dem Weg zur Klimaneutralität bundesweit Schlagzeilen machen. Das fordert der Hamburger Innovationsforscher und Professor für Innovationsmanagement Cornelius Herstatt. „Wir brauchen etwas, das die Leute in der Stadt mitnimmt, sie begeistert und motiviert, mehr für den Klimaschutz zu tun“, so der Wissenschaftler.

Die Anlage filtert CO aus der Atmosphäre und bietet damit eine Technologie, die für die Bekämpfung der Klimaerwärmung unerlässlich ist. Die größte dieser Filteranlagen weltweit wurde kürzlich in Island in Betrieb genommen. Vier Millionen Tonnen Kohlendioxid soll sie binden. Jedes Jahr. „Buchholz sollte sich auf dem Weg in die Klimaneutralität auf ein, zwei Maßnahmen konzentrieren, über die in Deutschland gesprochen wird“, so Herstatt weiter, der sich die Installation einer solchen Anlage zum Beispiel im TIP Innovationspark Nordheide vorstellen könnte. Herstatt: „CO2 nicht nur einzusparen, sondern aus der Luft zu holen – das wäre ein Leuchtturmprojekt für Buchholz.“

Direktor der Technischen Universität Hamburg-Harburg als Gastredner

Der Direktor des Instituts für Technologie- und Innovationsmanagement an der Technischen Universität Hamburg-Harburg hatte am Montag als Gastredner an der Sitzung des im Mai gegründeten Buchholzer Klimabeirates teilgenommen und Maßnahmen vorgestellt, die die Stadt auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2035 in den Fokus nehmen sollte. Dazu gehört auch die Idee von Cradle to Cradle, einer regionalen Kreislaufwirtschaft ohne Abfall, bei der das Material ohne Qualitätsverlust immer wieder für dasselbe Produkt wiederverwendet werden kann. „Das Konzept wird aktuell unter anderem in den Landkreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg umgesetzt“, sagt Cornelius Herstatt, der sich außerdem eine wichtige Maßnahme für den Klimaschutz darin sieht, die Bürgerinnen und Bürger zu mobilisieren.

„Wir müssen Begeisterung für das Thema CO2 schaffen, so wie zum Beispiel in der kleinen japanischen Stadt Kamikatsu, auch genannt ‚Zero-Waste-City‘.“ Dort hat die Stadt vor allem auf das ökologische Bewusstsein der einzelnen Bewohner abgezielt und beschlossen, dass niemand mehr Abfall für die Mülldeponie produzieren soll. Inzwischen haben die Menschen von Kamikatsu eine Recycling-Rate von über 80 Prozent erreicht. „Diese kleine Stadt hat weltweit Aufsehen erregt“, so der Innovationsforscher. „So etwas könnte auch in Buchholz gelingen.“

Wie der Klimaaktionsplan (KAP) der Nordheidestadt konkret aussehen soll, welche Maßnahmen möglich sind und wie sie umgesetzt werden können, erarbeitet derzeit das von der Stadt Buchholz beauftragte Hamburg Institut. Das Unternehmen mit Sitz in Altona berät Firmen, Ministerien, Kommunen und Verbände im Energie- und Umweltsektor, führt energiepolitische Analysen durch und entwickelt Strategien für die Energiewende. Zu den Auftraggebern gehören unter anderem die Stadtwerke München oder die Stadt Bremen, für die das Unternehmen erst kürzlich ein Gutachten zur CO2-neutralen Wärmeversorgung erstellt hat.

Hamburger Beratungsfirma hat volle Auftragsbücher

Die Aufträge stapeln sich. „Sowohl die Kommunen als auch die Industrie gehen im Klimaschutz nach vorn“, sagt deren Geschäftsführer Robert Werner. „Wir mussten noch nie so viele Überstunden schieben wie aktuell.“ Für die Stadt Buchholz will das Beratungs- und Forschungsunternehmen bis zum Frühjahr einen Handlungsleitfaden zum Erreichen von Klimaneutralität erarbeiten. „Die Stadt Buchholz will das Ziel von 2050 auf 2035 vorziehen“, sagt Robert Werner. „Dies ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die einen intensiven Beteiligungsprozess und die Einbindung aller Gremien voraussetzt.“ Die Mitwirkung lokaler Akteure sei ein zentraler Erfolgsfaktor bei der Umsetzung.

Heißt: Alle müssen ran, Wirtschaft und Landwirtschaft, die Energieversorger, die Politik und die Bürgerinnen und Bürger, mit denen das Institut in den kommenden zwei Monaten Gespräche zu Einsparpotenzialen führen will. Im Anschluss daran sollen Maßnahmen ausgearbeitet und auf ihre Machbarkeit hin überprüft werden. „Es geht darum, herauszufinden, was machbar ist, wie sich Maßnahmen finanzieren lassen und wie sie konkret umgesetzt werden können“, sagt Robert Werner.

Enormes Potenzial: Buchholz hat Ölheizungsbestand von 40 Prozent

So sei beispielsweise im Stromsektor der Ausbau von Windkraft und Biogas denkbar, im Bereich Wärme die Sanierung von Gebäuden, der Einsatz von Wärmepumpen, Solar- und Geothermie. Beim Thema Mobilität müsse man über Sharingmodelle, E-Mobilität, ÖPNV-Nutzung und natürlich den Radverkehr sprechen, mit den Wirtschaftsunternehmen über Energieeffizienzmaßnahmen, den Einsatz erneuerbarer Wärme und klimafreundliche Beschaffung. Und in der Landwirtschaft müsse es unter anderem um die Schaffung von Treibhausgas-Senken gehen, um klimafreundliche Ernährung und den Umstieg auf Bioproduktion.

Großes Potenzial zur Einsparung von CO2 in Buchholz sieht das Beratungsunternehmen auch bei den Bürgerinnen und Bürgern, die mit einem Pro-Kopf-CO2-Ausstoß von 6,7 Tonnen pro Jahr bereits heute unter dem Bundesdurchschnitt von zehn Tonnen liegen. „Buchholz hat einen Ölheizungsbestand von knapp 40 Prozent. Hier liegt ein enormes Potenzial“, sagt Robert Werner. „Was wir dafür brauchen sind nun Ideen, wie man die Menschen dabei finanziell unterstützen kann, auf CO2-neutrale Wärmequellen umzusteigen. Dabei werden wir beratend zur Seite stehen. Die Hauptarbeit aber müssen die Akteure vor Ort selber stemmen.“