Buchholz. Gemeinsam mit den Bürgern will Buchholz den Klimaschutz voranbringen. Das Projekt läuft seit einem Jahr. Doch passiert ist wenig.
Es solle der große Wurf für den Klimaschutz in Buchholz werden, ein Projekt, an dem die gesamte Stadtgesellschaft mitgestalten soll. Unter dem Arbeitstitel „Klimaforum Buchholz“ will Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse Verwaltung und Politik, Vereine und Verbände, Unternehmen und Privatpersonen zusammenbringen, um gemeinsam und verbindlich Projekte für den Klimaschutz anzuschieben. Das Ziel: Klimaneutralität der Stadt Buchholz bis zum Jahr 2050.
Am 9. März 2020 fiel mit einer großen Auftaktveranstaltung im Veranstaltungszentrum Empore der Startschuss für den Prozess. Es gab einen Fachvortrag und viele Engagierte, die loslegen wollten. Doch dann stiegen die Zahlen von Corona-Infizierten im Landkreis Harburg. Vier Tage nach der Startveranstaltung in der Empore sagte die Stadt vor dem Hintergrund der Ausbreitung des Virus sämtliche Veranstaltungen ab.
Jetzt ist das erste Jahr des Klimaforums um. Zeit für eine Bilanz. Und diese fällt ziemlich durchwachsen aus. Denn wirklich geschehen ist – aus Sicht der Beteiligten – so gut wie gar nichts. Zwar haben die Teilnehmer unter Corona-Bedingungen im Oktober Arbeitsgruppen, sogenannte „Klimateams“ für die Bereiche Stadt & Bauen, Energie, Mobilität, Wirtschaft & Finanzen sowie Konsum & Ernährung gründen können. Doch etwas bewegen oder gar politisch durchsetzen konnten diese in den vergangenen Monaten nicht. „Es ist niederschmetternd, wie wenig seit der Auftaktveranstaltung des Klimaforums passiert ist“, sagt Gunda Risch, Mitglied im Klimateam Konsum & Ernährung.
Der Prozess des Klimaforums sei zu langsam, findet Uwe Imgart vom Klimateam Wirtschaft & Finanzen. „Und er hat bisher zu keinen konkreten Maßnahmen geführt, die klimawirksam sind.“ Alexa Vetter vom Klimateam Konsum & Ernährung bedauert, dass die Stadt seit der mitreißenden und sehr gut besuchten Auftaktveranstaltung im März 2020 auf der Bremse stehe. „Der vielversprechende Ansatz, die Öffentlichkeit mit einzubeziehen und damit den Kreis der Interessierten zu vergrößern, ist auf der Strecke geblieben.“
Vollbremsung durch Corona-Lockdown
Kritik kommt außerdem von der Buchholzer Liste. „Auch mit Corona hätten längst Fachvorträge stattfinden können“, sagt der Fraktionsvorsitzende Christoph Selke. „Die Motivation der Ehrenamtlichen bröckelt, einige Teilnehmende haben sich bereits aus dem Klimaforum verabschiedet, ein Klimateam hat die Arbeit offenbar schon eingestellt.“ Während sich die Erderwärmung durch immer neue Rekorde zeige, trete das Klimaforum seit einem Jahr mehr oder weniger auf der Stelle.
Vorwürfe, die Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse und sein Mitstreiter, Klimakoordinator David Quinque, so nicht stehen lassen wollen. „Das Klimaforum ist in wesentlichen Teilen auf die Beteiligung der Öffentlichkeit abgestellt. Mit der Auftaktveranstaltung im vergangenen Jahr in der Empore haben wir das umgesetzt und sind unter großer öffentlicher Beteiligung mit Schwung ins Klimaforum gestartet“, so Röhse. „Bereits zwei Wochen später sollte die erste Klimawerkstatt stattfinden. Doch dann kam der erste Corona-Lockdown. Die Corona Verordnungen machen seitdem Beteiligungsverfahren schwierig bis unmöglich. Bildlich gesprochen sind wir mit vollen Segeln in See gestochen – und haben dann Mastbruch erlitten.“
Gleichwohl habe sich einiges getan, sagt David Quinque, der die Abläufe des Klimaforums im Rathaus koordiniert. „Im Frühjahr und Sommer haben wir gemeinsam mit dem Berliner Büro Polidia, das die Stadt bei der Durchführung des Klimaschutzprozesses begleitet, die Online-Plattform des Klimaforums konzipiert und ins Web gebracht, Klimagespräche mit Akteuren aus den Bereichen Bauen, Energie Mobilität, Wirtschaft, Finanzen, Verbänden und Vereinen geführt sowie die erste Klimawerkstatt für den Oktober vorbereitet.“ Es habe im Herbst ein Online-Portal gegeben, in dem die Bürger ihre Ideen einbringen konnten und im September eine Exkursion in den Klecker Wald.
Erfolg: Neues Mehrwegsystem für die Gastronomie entwickelt
„Für den Dezember und Februar waren Fachvorträge zu den Themen ‚Cradle to Cradle‘ sowie ‚Städte im Klimawandel - zwischen Klimaschutz und Anpassung‘ in der Empore terminiert“, so Quinque. „Der zweite Lockdown hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht – wir mussten diese Termine verschieben.“
Stattdessen hat die Stadt auf digitale Lösungen zurückgegriffen. „Es gab einen Online-Dialog, bei dem die Teilnehmer rund um den Klimaschutz diskutieren konnten, es gab Einzelgespräche mit jedem Klimateam und zwei Vernetzungstreffen mit den Sprechern der Klimateams – ebenfalls Online – auf dem unter anderem eine Plattform für die digitale Zusammenarbeit der Teams vorgestellt wurde, dessen Kosten die Stadt trägt“, sagt David Quinque. „Außerdem hatten die Bürger im Herbst die Möglichkeit, eigene Ideen für den Klimaschutz auf einer Online-Plattform zu sammeln. 323 Vorschläge kamen auf diese Weise zusammen.“
Auch finanziell unterstütze die Stadt das Klimaforum, wie der Bürgermeister betont. Der Rat habe für das Klimaforum 200.000 Euro zur Verfügung gestellt, von denen 120.000 Euro als Investitionen für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen seien, der Rest für das Klimaforum, seine Teams und den Prozess. „Davon stehen jedem Klimateam jeweils 2000 Euro zur Verfügung, die sie nach Rücksprache mit der Verwaltung für ihre Projektarbeit in 2021 nutzen können und sollen“, sagt Jan-Hendrik Röhse.
Einen ersten greifbaren Erfolg konnte das Klimaforum kürzlich, am 8. März, genau 364 Tage nach dem Gründungstreffen in der Empore, präsentieren. „Rebowl, Recup, Refill und Too Good To Go“ heißt das Projekt, mit dem das Klimateam Konsum & Ernährung ein neues Mehrwegsystem in Buchholz etablieren möchte. Den Plänen nach sollen wiederverwendbare Schalen und Becher für Take-away-Essen in die Buchholzer Gastronomie Einzug finden. Darüber hinaus sollen Geschäfte, Praxen und öffentliche Einrichtungen künftig während ihrer Öffnungszeiten den Kunden anbieten, ihre Trinkgefäße kostenlos mit Leitungswasser aufzufüllen. Wer mitmacht, erhält einen Refill-Aufkleber für die Eingangstür. Mit der App „Too Good To Go“ schließlich soll auch die Lebensmittelverschwendung eingedämmt werden, indem Gastronomie, Supermärkte, Bäckereien und Hotels überschüssige Speisen zu deutlich reduzierten Preisen über die App anbieten können.