Handeloh. Massagen, Behandlung mit Blutegeln, Pferdesitting: Für ihre Vierbeiner investieren Reiter in Angebote, wie es sie in Handeloh gibt

Susan Tenhaeff streicht langsam mit der flachen Hand über den Rücken des Pferdes. Ihre Finger kreisen sanft. Wenn sie eine Verspannung erspürt, hält sie inne, drückt ein wenig fester zu. Während sich Tenhaeff auf dem Hocker stehend müht, beginnt das Pferd plötzlich zu gähnen. So langweilig?

„Nein, das ist ein Zeichen für Entspannung“, erklärt Tenhaeff. Seit 2017 arbeitet sie als Pferdeosteopath. Ihr Hauptsitz: der kleine und ruhige Heideort Handeloh. Der Weg der 58 Jährigen dorthin war allerdings eher turbulent.

Ausbildung zur Buchhändlerin im Hamburger Traditionshaus

Erst studierte sie an der Uni in Hamburg auf Lehramt Französisch und Philosophie, dann Germanistik, Journalistik, Anglistik. 1984 entschloss sich Tenhaeff zu einer Ausbildung zum Buchhändler in Hamburg, im Traditionshaus Marissal am Rathaus. Teil ihrer Ausbildung: Für ein halbes Jahr konnte sie in Paris leben und arbeiten. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie aber als Journalistin, erst in der Region Harburg, dann zog es sie nach England. „Ich wollte in England als Journalistin arbeiten, aber mein Englisch war nicht gut genug“, sagt sie. Stattdessen arbeitete sie für eine Sprachschule.

Lesen Sie auch:

„Ich wollte etwas erleben, nicht 20 Jahre im selben Betrieb arbeiten“, sagt die 58-Jährige. Von 2001 bis 2009 lebte sie auf der Insel. Auf Grund der Altersvorsorge und der hohen Lebensunterhaltskosten zog es in ihre Heimat zurück. Nach Stationen beim NDR als Assistentin und bei der ARD bei der Fernsehlotterie und Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit entschied sie sich 2015 für den Schritt in die Selbstständigkeit und die Arbeit mit den Tieren.

„Seit neun Jahren habe ich selbst ein Pferd hier auf dem Hof in Handeloh“, erzählt Susan Tenhaeff. Schon in ihrer Kindheit sei sie gerne geritten, mit einem eigenen Pferd entdeckte sie das Hobby wieder neu für sich. Aus dem Hobby machte sie ihren Beruf. So vielfältig wie ihr Lebenslauf ist auch ihr Angebot. „Am Anfang habe ich nur Pferdebetreuung angeboten, mittlerweile mache ich auch Osteopathie, Massagen oder biete Zirkustraining an“, berichtet Tenhaeff. Beim Bodentraining lernen die Pferde, Ängste zu überwinden, arbeiten mit dem Reiter auf andere Weise zusammen. Eher ungewöhnlich ist auch ihr Behandlungsangebot mit Blutegeln. Doch Tenhaeff schwört darauf.

Egel im Einsatz bei Sehnenproblemen beim Pferd

Im Speichel der Egel befinden sich Substanzen, die schmerzlindernd und entzündungshemmend sind. „Unter Osteopathen ist diese Methode noch nicht so weit verbreitet, aber unter den Tierheilpraktikern schon“, erklärt Tenhaeff. Die Egel helfen ihrer Erfahrung nach gut bei Sehnenproblemen. „Als Osteopath hilft man dem Pferd, sich zu entspannen“, erklärt Tenhaeff.

Während sie nun vorsichtig den Oberschenkel des Pferdes abtastet, erzählt sie, woher die Verspannungen bei den Pferden kommen. Bei Sport- oder Freizeitpferden liegt das häufig an den schlecht sitzenden Sätteln oder der falschen Reitmethode. Aber auch in Folge von Verletzungen können Verspannungen entstehen. Wenn sich Pferde dauerhaft unwohl fühlen, kann das zu Krankheiten und Blockaden führen, so Tenhaeff. „Kann ein Pferd durch den Körper schwingen, ohne Blockaden, bleibt es länger gesund und es muss weniger der Tierarzt gerufen werden“, ist sie überzeugt. Auch im Notfall ist sie zur Stelle. Ein Beispiel: Sie wird sie zu einem Pferd gerufen, das Heu ausspuckt und nicht kauen kann. „Ich habe eine Kiefergelenkblockade gelöst und als ich ging, hat es wieder gefressen“, berichtet sie. Die Steigerung des Wohlbefindens der Tiere ist ihr ein Anliegen und aus ihrer Sicht der Schlüssel zu gesunden Pferden.

Kritik an Fünfkampf-Szenen bei Olympia

Umso mehr ärgert sie sich über Szenen wie bei Olympia. Im Modernen Fünfkampf musste Goldfavoritin Annika Schleu den Wettkampf abbrechen, weil das ihr zugeloste Pferd nicht springen wollte. Nun wird debattiert, ob das Zulosen von Tieren im Pferdesport bei Olympia noch zeitgemäß sei. Auch Tenhaeff kritisiert die Art des Wettbewerbs. „Man hat gesehen, wie angespannt das Pferd war. Es gab keine Verbindung zwischen Pferd und Reiter, das Pferd war einfach nur ein Sportgerät.“ Da sollte man lieber ein Mountainbike nehmen.

Dass zwischen Pferd und Reiter Vertrauen entsteht, ist Tenhaeff auch bei ihren Behandlungen wichtig. So vermeidet sie hektische Bewegungen und ist während der gesamten Behandlung konzentriert und vorsichtig. Wenn sie denn die Chance dazu hat. Corona und die Maßnahmen bedeutete für Tenhaeff im Grunde ein Arbeitsverbot. „Hauptsächlich fahre ich zu den Kunden auf die Höfe. Während des Lockdowns haben die keine Besucher zu sich gelassen.“ Tenhaeff konnte fast ein Jahr lang nicht ihrer Beschäftigung nachgehen. Sie hatte Glück, konnte bei bei einer Unternehmensberatung zeitweise arbeiteten.

Jetzt möchte sie sich wieder ausschließlich den Pferden widmen. „Handeloh ist herrlich, ich kann mir definitiv vorstellen, hierzubleiben“, sagt Tenhaeff, die wirkt, als wäre sie angekommen.

Pferdeosteopathen in der Region:

  • Die Nachfrage an Pferdeosteopathen im Landkreis Harburg scheint hoch. Insgesamt 15 kleine und mobile Praxen wirft die Suchmaschine aus. Eine offizielle Liste mit anerkannten Pferdeosteopathen der Region gibt es nicht. Noch nicht. Laut dem deutschen Institut für Pferdeosteopathie (DIPO), das für die Ausbildung zuständig ist, wird diese erstellt.
  • Wo es viele Pferde gibt, arbeiten auch die Therapeuten. In Seevetal gibt es beispielsweise zwei Pferdetherapeuten mit Kirsten Haase und Sibylle Lemke. In Städten sind Pferdeosteopathen die Ausnahme. Neben der Osteophatie bieten einige Praxen auch Physiotherapie für verletzte oder beeinträchtigte Tiere an.