Winsen. Am Beispiel des Salzstocks von Bahlburg sollen Methoden zum Vergleich potenzieller Standorte erarbeitet werden. Es hagelt Kritik.

Atommüllendlager im Landkreis Harburg?“ titelt die SPD Winsen auf einem Infoblatt, mit dem sie zu einem Rundgang durch Bahlburg am 21. August einlädt. „Kein radioaktives Endlager in den Landkreis Harburg“ plakatieren die Freien Wähler Seevetal. Deren Kandidatin Angelika Gaertner, die Ortsbürgermeisterin von Meckelfeld werden möchte, hat festgestellt, dass sich der Salzstock unter dem Winsener Ortsteil Bahlburg bis nach Meckelfeld erstreckt. Sie warnt öffentlich davor, „die Möglichkeit eines Atommülllagers in Meckelfeld als unrealistisch abzutun“.

Bahlburg ist im Sommer in den Fokus geraten, als eher beiläufig herauskam, dass die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) den dortigen Salzstock auf ihrer Suche nach einem Endlagerstandort für hoch radioaktiven Müll als eines von vier Pilotprojekten ausgewählt hat. Dabei wird aber nicht untersucht, ob der Salzstock als Endlager geeignet ist. Zunächst entwickelt die BGE Methoden, mit denen sich die zur Auswahl stehenden bundesweit 90 Standorte miteinander vergleichen lassen.

Der Bahlburger liegt im Mittel der 60 zu vergleichenden Salzstöcke

„Es hätte auch ein anderer Salzstock werden können“, sagt Dagmar Dehmer, Kommunikationschefin der BGE. „Wir haben ihn gewählt, weil er so schön durchschnittlich ist.“ Er erstreckt sich in Tiefen von 640 Metern bis 1500 Metern und liegt in Bezug auf Fläche (etwa 19 Quadratkilometer) und Umfang im mittleren Bereich der 60 Salzstöcke, die aktuell als Endlagerstandort potenziell in Frage kommen. Auch die Verfügbarkeit von Geologiedaten liege im Mittelfeld, schreibt die BGE in einem Steckbrief für das „Gebiet zur Methodenentwicklung“. Mit der Auswahl der Pilotprojekte treffe sie „keine Aussage bezüglich einer möglichen Eignung als Standortregion“, betont die Gesellschaft.

Dennoch hagelt es Kritik in der Region. Der Landkreis Harburg, die Stadt Winsen und die Samtgemeinde Salzhausen kritisieren das Vorhaben und vor allem die mangelhafte Kommunikation durch die BGE. „Wir hätten erwartet, vor der Endlagerkonferenz (im Juni, die Red.) unaufgefordert und detailliert über diese Pläne und die Auswirkungen informiert zu werden“, betont Landrat Rainer Rempe. Dass dies nicht geschah, „sorgt bei den Menschen vor Ort für Verunsicherung und Misstrauen“.

Landrat Rainer Rempe fordert Informationsveranstaltung

Vergangene Woche forderte Rempe auf der Kreistagssitzung eine öffentliche Informationsveranstaltung seitens der BGE. Immerhin wird deren für die Endlagersuche verantwortlicher Geschäftsführer Steffen Kanitz am 1. September zu einem Gespräch mit Rempe und dem Winsener Bürgermeister André Wiese anreisen. Möglicherweise wird dann eine umfassende Information der Öffentlichkeit beschlossen.

Blick in den Empfangsbereich im Zwischenlager für hochradioaktiven Abfall in Gorleben. Als Endlager für hoch radioaktiven Abfall ist es aus dem Rennen.
Blick in den Empfangsbereich im Zwischenlager für hochradioaktiven Abfall in Gorleben. Als Endlager für hoch radioaktiven Abfall ist es aus dem Rennen. © dpa | jörn Vogt

Eine „desaströse Kommunikation“ zur Auswahl der vier Pilotprojekte beklagt auch Juliane Dickel, Leiterin des Bereichs Atom- und Energiepolitik des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), betont aber gleichzeitig: „Es ist nicht davon auszugehen, dass die vier ausgewählten Regionen besonders für die Endlagerung in Frage kommen.“ Es sei ein Problem, dass nach dem ersten Auswahlschritt noch so viele Teilgebiete im Rennen seien, so Dickel. Sie umfassen 54 Prozent der Landesfläche – mit einer entsprechend hohen Anzahl an potenziell betroffenen Anwohnern.

Derzeit arbeiten mehr als 70 BGE-Mitarbeiter daran, Untersuchungsmethoden für die vier generell geeigneten Arten von Gesteinsformationen zu erstellen. Mit ihrer Hilfe sollen diejenigen Regionen ausgewählt werden, in denen weitere geologische Untersuchungen durchgeführt werden. „Dass hier nicht sofort ein Endlagerstandort hinkommen soll, ist wohl allen klar“, sagt Benjamin Qualmann, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Winsen. „Aber wir wollen möglichst früh möglichst viele Menschen in das Verfahren einbeziehen.“