Regesbostel. Der Beregnungsverband Harburg kämpft um 12,5 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Doch welche Folgen hat das für die Natur?

Mit einem Spaten hebt Landwirt Karsten Klindworth den Boden an einer Kartoffelpflanze aus. Zehn Zentimeter unter dem gehäufelten Boden steckt die Wurzel in der feuchten Erde. Die ersten Triebe für bis zu 20 neue Knollen aus der Pflanzkartoffel sind schon zu sehen.

So soll es sein auf dem sechs Hektar großen Feld mit tausenden Pflanzen in Regesbostel nahe Hollenstedt. Dort baut Klindworth auf 150 Hektar mittelgroße Kartoffeln für einen großen deutschen Salathersteller an. „Solange die Wurzeln die Feuchtigkeit im Boden erreichen, müssen wir nicht zusätzlich beregnen“, erklärt der Hofchef. Er ist zufrieden und packt den Spaten wieder auf die Ladefläche des Pickups, mit dem er gekommen ist.

Doch die Lage kann sich rasch ändern. Deshalb kämpfen die Landwirte im Landkreis Harburg um das für ihre Felder nötige Wasser. Immerhin 15.000 Hektar, knapp ein Drittel der Flächen im Landkreis, werden derzeit mit mobilen Anlagen beregnet. Gerade die vergangenen Jahre von 2017 bis 2019 wurden dabei zur Herausforderung.

Während Dürre 2018/2019 ging es nicht ohne künstliche Beregnung

Beispiel Klindworth: Nach dem extrem nassen Jahr 2017 hatten sich die Wurzeln der Kartoffeln im feuchten Boden nicht so tief in den Boden gestreckt, wie es im Normalfall für das Grundwasser nötig gewesen wäre. Es folgte die Dürre von 2018, die 2019 weitgehend anhielt. Im Winter 2018/2019 fiel nur 70 Prozent der durchschnittlichen Regenmenge und auch im folgenden Winter konnten die Niederschläge den Grundwasserpegel nicht ausgleichen. „Erst im Laufe des vergangenen Jahres hat sich das Wetter wieder dem langjährigen Durchschnitt angenähert“, sagt Ulrich Peper, der Leiter der Landwirtschaftskammer in Buchholz, der an diesem Tag mit aufs Feld gekommen ist.

Um in Jahren der Dürre nicht mit ansehen zu müssen, wie ihre Pflanzen vertrocknen, hat der Beregnungsverband Harburg bereits 2012 ein Gutachten in Auftrag gegeben. Ein Ingenieurbüro aus Stade hat inzwischen für eine mittlere sechsstellige Summe ein Computermodell erarbeitet, mit dem sich die Folgen trockener Jahre, der Entnahme von Grundwasser oder die Auswirkungen der Beregnung von Flächen auf die Natur berechnen lassen. Daraus wurde ein durchschnittlicher Bedarf abgeleitet von 12,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr.

12,5 Millionen Kubikmeter Wasser notwendig

Die hält der Verband für seine 200 Betriebe mit ihren 2000 Mitarbeitern und die von ihnen angebauten Früchte für nötig. Mitte des Jahres soll die Landwirtschaftskammer Hannover die Menge bestätigen. Bis Ende 2022 folgt eine Umweltverträglichkeitsprüfung von zwei weiteren Ingenieurbüros direkt auf den Feldern. Auch die Untere Wasserbehörde beim Landkreis muss abschließend ihre Erlaubnis für die Neuordnung geben.

Die neue Regelung soll derzeit auslaufende Wasserrechte von Einzelbetrieben ablösen und für 30 Jahre gelten. Die 12,5 Millionen Kubikmeter sind ein Mittelwert, der bei großer Trockenheit übertroffen werden kann, wenn die Entnahme aus den Brunnen später abgesenkt wird. Ohnehin wird es für die Hofbesitzer immer schwieriger, die von den Behörden geforderten Nachweise aus der Wasserwirtschaft zu erbringen. „Diese Arbeit soll der Verband zentral übernehmen“, sagt Peper, der neben seiner Arbeit für die Kammer die Geschäfte des Verbandes führt. Klar ist: Die Beregnung ist ein Hilfsmittel. Sie kann natürlichen Regen nicht ersetzen, sondern das Wachstum allenfalls begleiten. „Wir könne nicht gegen, nur mit der Natur arbeiten“, sagt Klindworth, der seit vier Jahren dem Beregnungsverband vorsitzt.

Regenmaschinen können riesige Felder versorgen

An einer Scheune am Rand von Regesbostel stehen seine vier Regenmaschinen, protzige Anlagen mit aufgewickelten, 500 Meter langen Schläuchen. Sie können Felder auf einer Breite von 54 Metern mit Wasser versorgen. Wir viel Wasser pro Quadratmeter auf den Feldern ausgebracht werden soll, lässt sich regeln. Jeweils 30.000 Euro hat Klindworth in jeden Regenmacher investiert. Mit Brunnen und den Zulassungen kommen 100.000 Euro zusammen.

Pro Quadratmeter dürfen jedes Jahr bis zu 80 Liter Wasser zusätzlich auf die Felder fließen. Wird das auf vier Einsätze verteilt, entsprechen die jeweils 20 Liter einem ausgiebigen Landregen. Das scheint auf den ersten Blick viel, kann aber bei ausbleibenden Niederschlägen eben nur ergänzen und für einen gewissen Zeitraum das Schlimmste verhindern. Zudem ist der Einsatz der Regenmaschinen teuer. Pro Hektar fallen bei einer solchen Vergabe rund 100 Euro an. Da kommt einiges zusammen, wenn man wie Klindworth 150 Hektar Kartoffeln und dazu 20 Hektar Zwiebeln zu versorgen hat. „Die Beregnung macht durchschnittlich etwa zehn bis 15 Prozent der Kosten beim Kartoffelanbau aus“, rechnet der Agrarbetriebswirt vor.

An diesem Vormittag strahlt die Sonne über dem Kartoffelfeld. Das frische Kraut reckt sich ihr entgegen. Aber Klindworth weiß um die Risiken: „Schon in einer Woche ohne Regen kann der Boden an den Wurzeln austrocknen.“ Dann müsste die Regenmaschine her. Noch aber stehen die Chancen für neuen Kartoffelsalat gut.