Buxtehude. Auch wer ein mittleres Einkommen hat, kann nun Bezugsscheine für „preisgedämpften“ Wohnraum in Neubaugebieten beantragen.
Ein jährliches Bruttoeinkommen von 81.000 Euro für eine vierköpfige Familie hört sich zunächst nicht nach Bedürftigkeit an. Und doch soll in der Hansestadt Buxtehude bis zu dieser Einkommens-Grenze für eine solche Familie künftig der Bezug eines eigenen Buxtehuder Wohnberechtigungsscheins noch möglich sein, um in eine der neuen „preisgedämpften“ Wohnungen ziehen zu können.
Mit breiter Mehrheit hat jetzt der Sozialausschuss des Stadtrates dazu einer entsprechen Verwaltungsvorlage zugestimmt und damit die politische Marschrichtung für die Entscheidung des Rats vorgezeichnet.
Für viele sind Wohnungen zu teuer geworden sind
Der kommunale Wohnberechtigungsschein richtet sich demnach an Haushalte mit geringen und explizit auch an die mit „mittlerem“ Einkommen. „Wir wollen auch die unterstützen, die keine Transferleistungen bekommen, für die viele Wohnungen aber doch zu teuer geworden sind“, sagte Holger Ullenboom, der in der Verwaltung für die Wohnungsbauförderung zuständig ist Der Buxtehuder Wohnberechtigungsschein ist vor allem für die großen Neubaugebiete gedacht, wo die Stadt durch städtebauliche Verträge mit den Investoren einen Anteil 25 bis 30 Prozent „preisgedämpfter“ Wohnungen für mindestens 20 Jahre vereinbart hat.
Der Berechtigungsnachweis ist dabei für frei finanzierte dieser günstigen Wohnungen vorgesehen, für deren Bau ein Investor keine staatlichen Fördermittel mit ihren eigenen Regelungen in Anspruch nimmt. Als preisgedämpft oder auch bezahlbar gilt dann eine solche Wohnung der Verwaltung zufolge, wenn sie nicht teurer ist als diejenige Mietobergrenze, die vom Job-Center beispielsweise für Hartz-IV-Empfänger übernommen und noch akzeptiert wird. In Buxtehude liegt diese Grenze für einen Vier-Personen-Haushalt derzeit beispielsweise bei 892 Euro im Monat (mit Betriebskosten, aber ohne Heizungskosten).
Familie mit Jahresgehalt von bis zu 81.000 Euro ist berechtigt
Den neuen Buxtehuder Wohnberechtigungsschein können auch Haushalte bekommen, deren Jahreseinkommen bis zu 60 Prozent über dem vom Land definierten „geringen Einkommen“ liegt. Bei der vierköpfigen Arbeitnehmer-Familie ist also der Verwaltungsvorlage zufolge bei 81.000 Euro Schluss, bei einem Zwei-Personenhaushalt bei 53.571 Euro und bei einem Single bei 39.857 Euro, wobei es für Beamte, Rentner oder Arbeitslose noch etwas geringere Grenzen gibt, weil in diesen Gruppen auch weniger Sozialabgaben bezahlt werden.
Lesen Sie auch:
Einigen der Buxtehuder Ausschussmitglieder erschienen diese Grenzen etwas hoch, wie es hieß. Linken-Politiker Benjamin Koch-Böhnke bezeichnet die Regelung indes als Schritt in die richtige Richtung, weil sich auch schon Normalverdiener kaum eine neue Wohnung in der Stadt leisten könnten. Die Überprüfung der Einkommensgrenzen soll indes nur einmal erfolgen, wie Verwaltungsmitarbeiter Ullenboom erläuterte.
Wer später mehr verdient, könne die einmal bezogene Wohnung behalten und müsse auch nicht mehr bezahlen, weil es in Niedersachsen keine solche Fehlbelegungsabgabe mehr gebe. Zur Zuteilung der Berechtigungsscheine habe die Verwaltung allerdings überlegt, sie nach einem Punktesystem zu vergeben. Also, indem man etwa bessere Chancen hat, wenn man schon in Buxtehude wohnt oder hier arbeitet. Ullenboom: „Doch solche Regelungen sind woanders alle durch Verwaltungsgerichte gekippt worden, deshalb machen wir es nicht.“
Politik macht Weg frei für Fortschreibung des Mietenspiegels
Zusätzlich zu dem neuen Wohnberechtigungsschein machte der Ausschuss auch den Weg frei für eine Fortschreibung des Buxtehuder Mietenspiegels, den es seit 2018 in der Hansestadt gibt. Obwohl er auf einer lediglich freiwilligen Auskunft von Vermietern und Mietern basiert und längst nicht alle mitmachen, ist er aus Sicht der Verwaltung ein gutes Mittel, um Wuchermieten zu verhindern. „Je mehr Mieter mit günstigen Mieten sich beteiligen, desto günstiger wird der durchschnittliche Mietenspiegel“, appellierte Wohnungsexperte Ullenboom.
Keine Mehrheit bekamen indes die wohnungspolitischen Ideen der Linken in Buxtehude: Zur Schaffung von bezahlbaren Wohnungen müsse die Stadt einen eigenen Masterplan verabschieden, heißt es in einem Linken-Antrag, der dazu ein Maßnahmenpaket auflistet: So müsse es einen sofortigen Verkaufsstopp von städtischen Grundstücken geben, allenfalls dürften sie über eine Erbpacht vergeben werden. Die Stadt müsse Vorkaufsrechte aufstellen und selbst Grundstücke erwerben, argumentiert die Linke zudem und wiederholte in ihrem Antrag eine alte Forderung, in dem sie für die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft plädiert.
Dieser Punkt wurde von der überwiegenden Mehrheit der Buxtehuder Ratspolitiker als „unbezahlbar“ abgelehnt. Lediglich die Grünen zeigten etwas Sympathie mit dem Linken-Vorstoß in Sachen Wohnungspolitik und enthielten sich. Einige Gedanken seien gut, andere noch zu unpräzise, sagte etwa der Ausschussvorsitzende und Bürgermeisterkandidat Michael Lemke (Grüne). Bedenken, ob bauinteressierte Unternehmen durch einige Maßnahmen wie Erbbaurecht verscheucht werden könnten, teilte er nicht. Lemke: „Diese Stadt ist hochinteressant für Investoren.“
Das Miet-Programm:
- „Strategiepapier Wohnen“: So heißt das Programm der Hansestadt Buxtehude zur Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnungen. Das Ziel: Jährlich müssten in der Stadt bis zum Jahr 2025 mindestens 30 solcher Wohnungen auf den Markt kommen. Bei künftigen Projekten für Geschosswohnungsbauten sollen dem Papier zufolge Investoren in Buxtehude dazu verpflichtet werden, bei ihren Projekten 25 bis 30 Prozent der gebauten Einheiten in diesem günstigen Segment zu planen.
- Dieses Ziel dürfte mit den großen Neubaugebieten erfüllt werden. An der Giselbertstraße ist für ein Quartier mit rund 400 Wohnungen bereits der Baustart erfolgt. An der nahen Bahnstraße sollen noch 140 Wohnungen hinzukommen. Auch in einem geplanten neuen, „grünen“ Wohnquartier am Westmoor sollen 30 Prozent der dort geplanten 250 Wohnungen „preisgedämpft“ ausfallen.
- Der Mietpreisanstieg fällt unterdessen in den vergangenen Jahren eher moderat aus, wie der aktuelle Wohnungsindex der Beratungsgesellschaft F&B zeigt. Die durchschnittliche Angebotsmiete liegt demnach in Buxtehude aktuell bei 8,12 Euro kalt pro Quadratmeter, 2016 waren es 7,86 Euro. Zum Vergleich: In Buchholz stieg diese Miete in diesem Zeitraum von 8,66 Euro auf jetzt 8,82 Euro.