Rosengarten. Die Staatsanwaltschaft Stade hat die Ermittlung gegen Mitarbeiter der AWO-Kita Nenndorf eingestellt. Der Kinderschutzbund protestiert.

Die Staatsanwaltschaft Stade hat das Missbrauchsverfahren gegen einen Erzieher der AWO-Kindertagesstätte in Nenndorf eingestellt. „Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen Missbrauch gefunden“, sagt Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas auf Abendblatt-Nachfrage. „Die Anschuldigungen sind absolut unzutreffend.“

Wie berichtet, hatte es im September vergangenen Jahres bei der Polizei zehn Strafanzeigen von Eltern gegeben. Diese richteten sich gegen einen jungen Erzieher, der erst wenige Monate in der Einrichtung beschäftigt gewesen war. Er habe, so der Verdacht der Eltern, möglicherweise mehrere Kinder sexuell missbraucht. Der Mann war als sogenannter „Springer“ in der Einrichtung tätig, hatte daher sowohl in den beiden Krippen-, als auch in der Elementargruppe Kontakt zu Kindern zwischen einem und vier Jahren.

Vater, der sich bei Polizei gemeldet hatte, brachte Fall ins Rollen

Die Kita-Leitung reagierte sofort, nachdem sich zunächst ein alarmierter Vater bei der Polizei gemeldet hatte. Noch am selben Abend des 10. Septembers wurde der Mitarbeiter freigestellt, in der gleichen Nacht der Träger, die AWO Soziale Dienste Bezirk Hannover gGmbH informiert. Dieser schaltete umgehend den Kinderschutzbund Kreisverband Landkreis Harburg e.V. ein. Zeitgleich nahm die Polizei die Ermittlungen auf, reichte den Fall viele Wochen später an die Staatsanwaltschaft Stade weiter, die über Monate hinweg ermittelt hat.

„Wir haben drei Kinder befragt“, sagt Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas. „Das jüngste war zu diesem Zeitpunkt ein Jahr und zwei Monate alt, das älteste vier Jahre und neun Monate. Selbst auf Suggestivfragen der Richterin haben sich keine Anhaltspunkte für einen Verdacht ergeben.“

Auch die privaten Räume des Erziehers seien durchsucht worden. „Es hat sich nichts gefunden, was auf eine pädophile Neigung hindeutet“, so Breas, der davon ausgeht, dass es darüber hinaus keine unbeobachteten Momente in der Kita gegeben habe, in denen ein Übergriff hätte stattfinden können.

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Doch wie konnte es dann zu dieser Fülle von Anzeigen kommen? Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es eine Whats-App-Gruppe von Eltern gegeben habe, die sich an diesem Thema regelrecht hochgezogen habe. „Sie haben jede Unstimmigkeit auf ein mögliches missbräuchliches Verhalten des Erziehers hin ausgelegt“, so Breas. So habe man zum Beispiel die Hautrötung eines Kindes mit einem möglichen Übergriff in Zusammenhang gebracht, dabei habe es sich um einen Hautpilz gehandelt. In einem anderen Fall sei das auffällige Verhalten eines Kindes auf einen Auslandsaufenthalt des Vaters zurückzuführen gewesen.

Für betroffene Eltern ist Ergebnis ein Schlag ins Gesicht

Für die betroffenen Eltern und Kinder ist das Ergebnis der Ermittlungen ein Schlag ins Gesicht. „Die Eltern hatten eine begründete Sorge“, sagt Simona Wriede vom Kinderschutzbund. Die Familientherapeutin hatte unmittelbar nach Bekanntwerden der Verdachtsfälle Kontakt zu Kita und Eltern aufgenommen, es fand zeitnah ein Elternabend für die Eltern in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, der Polizei, der Gemeinde und der Erziehungsberatung statt.

„Ich persönlich bin aufgrund meiner fachlichen Einschätzung der Meinung, dass dort etwas vorgefallen sein muss“, sagt sie. „Die Eltern waren nicht hysterisch.“ Es habe die Eltern Überwindung gekostet, Strafanzeige zu stellen. „So etwas tut man nicht ohne Grund.“ Zumal auch die weiteren Untersuchungen für die Betroffenen große Belastung bedeutet hätten.

Sozialpädagogin rät, in Verdachtsfall ins UKE zu fahren

So hätten einige Eltern mit ihren Kindern in das UKE fahren müssen, um die Verletzungen im Genitalbereich untersuchen zu lassen. „Oft sind sexuelle Übergriffe bei Kindern aber bereits 48 Stunden später körperlich nicht mehr nachzuweisen, da die Schleimhäute schnell verheilen“, so Wriede. Zudem müsse man hinterfragen, wie Aussagen von Kleinkindern vor Gericht gewertet werden könnten, wenn diese viele Monate nach einer Tat stattgefunden hätten. „Kinder vergessen schnell“, sagt die Sozialpädagogin.

„Wenn ein vierjähriges Kind vor Gericht nicht mehr weiß, was passiert ist, heißt das noch lange nicht, dass diese sich die Vorfälle ausgedacht haben. Ich wäre sehr vorsichtig mit Behauptungen, dass die Übergriffe nicht stattgefunden haben – selbst, wenn der Rechtsbereich ausgeschöpft worden ist.“ Es bleibe leider einmal mehr die Erkenntnis für die Opfer, dass ihnen keiner glaubt. Das sei beschämend und erschütternd.

Beim Kita-Träger Awo ist man zunächst einmal erleichtert

Beim Träger der AWO-Kita in Hannover ist man zunächst einmal erleichtert über den Ausgang der Ermittlungen. „Es ist gut, dass kein Kind zu schaden gekommen ist“, sagt Knud Hendricks, Leiter des Geschäftsbereiches Kita. Die transparente Arbeit der Staatsanwaltschaft lasse keine Zweifel übrig. Auch der Umgang mit den Verdachtsfällen innerhalb der Kita sei vorbildlich gewesen. „Die Leitung hat sofort gehandelt. Unsere Fallberaterin war ständig in der Einrichtung präsent, so dass Eltern und Mitarbeiter die Möglichkeit hatten, mit einer neutralen Person zu sprechen.“

Simona Wriede vom Kinderschutzbund geht davon aus, dass die Eltern keinen Einspruch erheben werden. „Das würde nur eine weitere Belastung bedeuten.“ Damit wird die Staatsanwaltschaft Stade den Fall zu den Akten legen. „Wir haben nichts gefunden, was die Vorwürfe bestätigt“, sagt Kai Thomas Breas.

„Das einzige, was ungewöhnlich war, ist der berufliche Weg des Erziehers.“ Er habe erst ein Hochschulstudium abgeschlossen und sei anschließend nach einer einjährigen Ausbildung in die Kita gegangen. „Die Mitarbeiter haben ihn fachlich nicht für besonders kompetent gehalten“, so Breas. „Aber die Kinder fanden ihn cool.“