Nenndorf. Die Polizei ermittelt im Fall der AWO-Kita in Nenndorf. Derzeit werden Eltern, Kinder und Mitarbeiter befragt.

In der AWO-Kita in Nenndorf ist es möglicherweise zu mehreren sexuellen Übergriffen gekommen. Nachdem bereits am Donnerstag ein Vater Anzeige gegen eine dort angestellte Person gestellt hatte, haben sich inzwischen weitere neun Eltern bei der Polizei gemeldet. Sie erstatteten ebenfalls Anzeige.

Wie berichtet, wird einem Erzieher der Einrichtung vorgeworfen, sich zu dort betreuten Kindern übergriffig verhalten zu haben. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Aktuell werden Kinder, Eltern und Mitarbeiter zu den möglichen Vorfällen befragt. Der Kita-Betrieb läuft weiter. Der Mitarbeiter wurde von der Arbeit freigestellt.

Kinderschutzbund schaltet sich im Missbrauchs-Fall ein

Unterdessen hat sich auch der Kinderschutzbund zu Wort gemeldet. Der Kreisverband Landkreis Harburg e.V. setzt sich dafür ein, dass alle Einrichtungen, die Kinder im Kita- und Grundschulalter betreuen, ein individuelles Kinderschutzkonzept entwickeln. Darüber hinaus sollen pädagogische Mitarbeiter auch in Kinderschutzfragen künftig besser qualifiziert werden.

Der Kinderschutzbund war bereits am Donnerstagabend von dem Träger der Einrichtung, der AWO Soziale Dienste Bezirk Hannover gGmbH, informiert worden, nachdem die Eltern des betroffenen Mädchens die Kita-Leitung über den Vorfall informiert und die Polizei eingeschaltet hatten.

Noch am selben Abend nahm die zuständige Mitarbeiterin für die Betreuung von Fachpersonal, Simone Wriede, den Kontakt zur Kitaleitung auf. Gemeinsam mit dem Personal wurden umgehend die weiteren Schritte beschlossen. Am Freitagvormittag wurden die Eltern bei einer Krisensitzung in den Räumen der Kita über den Vorfall informiert.

Professionelle Hilfe bei der Aufarbeitung

Dem Kinderschutzbund kommt bei der Aufarbeitung solcher Fälle eine besondere Bedeutung zu. Eine der Hauptaufgaben des Vereins ist die Beratung bei allen Formen sexualisierter Gewalt. „Im konkreten Fall steht unsere Mitarbeiterin Simone Wriede der Kitaleitung und den Mitarbeitern in Nenndorf zur Seite“, sagt Vorstandsmitglied Anne Buhr.

„Dabei geht es nicht nur darum, wie Eltern und Mitarbeiter im konkreten Fall betreut werden müssen, sondern auch um Prävention, das heißt, wie ein solcher Vorfall künftig vermieden werden kann. Wir versuchen Kitas, Grundschulen und Vereine dafür zu sensibilisieren, wie sie mit eventuellen Straftaten umgehen und Kinder stark machen können und regen dazu an, ein individuelles Schutzkonzept für die jeweilige Einrichtung zu erstellen.“

Es sei wichtig, dass Erzieher wissen, wie sie Kindern Sicherheit vermitteln, damit sich diese ihnen bei Verdachtsfällen oder sogar vollzogenen Straftaten anvertrauen. Ein solches Schutzkonzept soll nun auch die AWO-Kita Nenndorf nach Erstberatung durch den Kinderschutzbund erstellen.

Schutzkonzept hilft bei der Prävention

„Das Konzept soll den Mitarbeitern auch dabei helfen, präventiv hinzuschauen“, sagt Anne Buhr. „Sie müssen wissen, worauf sie in der Zusammenarbeit mit Kollegen achten müssen ohne gleich ins Misstrauen zu verfallen. Außerdem brauchen sie Hilfestellung, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit zu informieren ohne die Gerüchteküche anzuheizen.“

Denn auch, wenn das Kindeswohl an erster Stelle stehe, dürfe das Leben des vermeintlichen Täters nicht zerstört werden. Für den Umgang mit solchen Fällen arbeitet der Deutsche Kinderschutzbund jetzt an einem Leitfaden zum Umgang mit solchen Vorfällen.

Bei dem beschuldigten Mitarbeiter handelt es sich um einen neuen Kollegen, der nach Angaben des Trägers erst zu Beginn des Kitajahres im August eingestellt worden war. Eltern berichten jedoch, dass der Erzieher bereits seit April in der Einrichtung gearbeitet hat. Der Mann war als sogenannter „Springer“ in der AWO-Kita tätig, hatte in den vergangenen Wochen daher sowohl in den beiden Krippen- als auch in der Elementargruppe Kontakt zu den Kindern.

In der Einrichtung war man froh über den neuen Kollegen. Denn gerade männlichen Erzieher kommt in Kitas und Grundschulen eine wichtige Vorbildfunktion zu. Auch Anne Buhr plädiert dafür, dass mehr männliches Personal an Kitas und Grundschulen eingesetzt wird.

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Männer im Erzieherberuf sind selten

„Es ist ein großes Problem, dass unser Beruf so verweiblich ist“, sagt die Oberstudienrätin, die viele Jahre die Stadtteilschule am Hafen geleitet hat. „Doch leider finden sich viel zu wenig gut qualifizierte männliche Mitarbeiter.“ Der Grund dafür liege in der schlechten Bezahlung und dem negativen Image, das gerade Männer mit dem Erzieherberuf verbinden.

„Solange die Bezahlung der pädagogischen Berufe und damit die Anerkennung der Arbeit nicht verbessert wird, werden wir kaum qualifiziertes männliches Personal für die Bildungseinrichtungen gewinnen können“, davon ist Anne Buhr überzeugt. „Alles, was früher die Elternhäuser an Bildung übernommen haben – sei es sprachlich, motorisch, körperlich – wird heute oftmals an Kita und Schule abgegeben“, so Buhr. „Genau hier brauchen wir also die besten Mitarbeiter.“