Buxtehude/Jork. Saisonarbeiter der besonderen Art.: Hochschule 21 und PWH-Landmaschinentechnik entwickeln autonom fahrenden Obstkistentransporter.

Saisonarbeiter in der Landwirtschaft kommen oft aus dem Ausland. Im Obstbau könnte ein einheimischer Kollege in Zukunft hinzukommen: ein besonderer Helfer aus Jork, mit vier Rädern und einem digitalen „Gehirn“, das ihn in der Erntezeit autonom Obstkisten an- und abtransportieren lässt. Ein Projektteam der Hochschule 21 in Buxtehude und des Jorker Unternehmens PWH-Landmaschinentechnik entwickelt den Roboter namens AurOrA (Autonomer Obstplantagenhelfer Altes Land). Seine Geländegängigkeit hat er jetzt in ersten Feldtests gezeigt.

Das Konzept des Fahrzeugs sei im Februar fertig geworden, sagt Alexander Kammann, der AurOrA an der Buxtehuder Hochschule 21 (hs21) entwickelt. Ihm zur Seite stehen Thorsten Hermes, Professor für Technische Informatik, sowie der Kooperationspartner PWH-Landmaschinentechnik. Mit der Juniorchefin Elisabeth Wahlen hatte Kammann vor einigen Jahren Mechatronik in Buxtehude studiert. So entstand der Kontakt in die Praxis. „PWH baut Maschinen für den Obstbau und vertreibt sie auch“, sagt Kammann. „Das kleine Unternehmen kann Maschinen bauen, aber keine Entwicklungsingenieure anstellen. Diese Aufgabe haben wir übernommen.“

Der Roboter bekommt  jetzt noch einen Bügel mit zusätzlichen Sensoren und hat dann fast die Größe eines Smarts.
Der Roboter bekommt jetzt noch einen Bügel mit zusätzlichen Sensoren und hat dann fast die Größe eines Smarts. © Hochschule 21 | hs21

In wenigen Jahren soll AurOrA im Obstbau einsetzbar sein. Zunächst wird der Roboter darauf „abgerichtet“, dass er eine gefüllte Großkiste zwischen zwei Obstbaumreihen erkennen, aufnehmen und zu einem bestimmten Lagerort transportieren kann. Eine solche Kiste ist 1,2 Meter lang, einen Meter breit, 80 Zentimeter hoch und wiegt im gefüllten Zustand 350 bis 400 Kilogramm. Natürlich soll der digitale Erntehelfer den Apfelpflückern auch leere Kisten bringen.

Roboter kann auch beim Bäumepflanzen helfen

Zudem sei es wünschenswert, dass der Transporter nicht nur in der Erntezeit einsetzbar ist, damit sich die Investition für die Obstbauern lohnt, so Kammann. AurOrA könnte beispielsweise im Winter beim Bäumepflanzen Pfähle heranschaffen oder im Sommer die Grünstreifen zwischen den Baumreihen mähen. Und natürlich lässt sich die Erntezeit verlängern, wenn AurOrA neben Äpfeln zum Beispiel auch Kisten mit Kirschen abtransportiert, die bereits im Frühsommer reif sind.

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Doch soweit ist es noch längst nicht. Bislang ist der maschinelle Lastenesel nur ferngesteuert unterwegs. Aktuell wird er mit einem Sensorsystem ausgestattet, damit er autonom in den Plantagen navigieren kann. „Dabei ist das Thema Sicherheit sehr wichtig“, sagt Kammann, „der Roboter muss Hindernisse wie Hunde, Rehe oder spielende Kinder zuverlässig erkennen können.“ Dass ihn jemand übersieht, ist unwahrscheinlich: Zum einen macht der Elektromotor Geräusche, zum anderen wird das Vehikel samt Sensorbügel etwa zwei Meter hoch werden. Im nächsten Schritt werden Algorithmen programmiert, mit deren Hilfe der Roboter autonom bestimmte Orte ansteuern und sicher durch die Baumreihen navigieren kann. Für diesen Entwicklungsschritt hat Kammann etwa ein Jahr kalkuliert.

Alexander Kammann von der Hochschule 21 hat den den Obstbauroboter AurOrA entwickelt.
Alexander Kammann von der Hochschule 21 hat den den Obstbauroboter AurOrA entwickelt. © Hochschule 21 | hs21

In 2022 wird der Transporter lernen, die Obstkisten selbstständig zu finden, sie aufzunehmen, zu transportieren und am Bestimmungsort wieder abzusetzen. Zudem wird AurOrA eine benutzerfreundliche Bedienoberfläche erhalten. Voraussichtlich im Januar 2023 soll der Prototyp funktionsfähig sein. Zu diesem Zeitpunkt endet das dreijährige, rund 300.000 Euro teure Projekt. Es wird über ein Programm für den Mittelstand (ZIM) vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

Entwickler will mehrere Roboter miteinander vernetzen

Zu welchem Preis der digitale Erntehelfer eines Tages erhältlich sein wird, ist noch unklar. Kammann: „Wir wissen noch nicht, was technologisch realisierbar ist und mit welchen Mitteln wir ans Ziel kommen. Davon hängt ab, was der Roboter können wird. Und das bestimmt seinen Wert für die Obstbauer. Daran wird sich der Preis orientieren.“ Klar ist: AurOrA wird für kleine und mittlere Betriebe mit Flächen von maximal zehn Hektar konzipiert.

Noch kurvt AurOrA nicht autonom, sondern ferngesteuert durch die Apfelbaumreihen.
Noch kurvt AurOrA nicht autonom, sondern ferngesteuert durch die Apfelbaumreihen. © Hochschule 21 | hs21

Denkbar sei auch der Einsatz von mehreren Transportrobotern, sagt der Entwickler. Dann stelle sich die Frage, wie die autonomen Fahrzeuge miteinander vernetzt werden können, damit sie kollegial zusammenarbeiten. Deshalb ist das Projekt ein Forschungspartner vom 5G-Testfeld, das im gerade entstehenden TIP Innovationspark Nordheide in Buchholz geplant ist. Im Herbst könnte die schnelle Internet-Infrastruktur zur Verfügung stehen. Sie wird es erlauben, dass die Fahrzeuge in Echtzeit Daten erhalten, die sie sicher über die Versuchsfläche fahren lassen.

Die Vernetzung zu einem Roboter-Ernteteam sei nur ein Seitenaspekt, sagt Kammann. Mit PWH-Landmaschinentechnik habe die Hochschule 21 einen idealen Partner, der dem Obstbauroboter den Weg in die Praxis bahnen könne: „PWH will das Fahrzeug bauen und dem Markt zur Verfügung stellen.“ Ein Bedarf ist offenbar vorhanden; schließlich begann das Projekt mit der Frage eines Obstbauern an die hs21, ob sie etwas entwickeln könne, was ihm die monotonen Arbeiten abnehmen kann. Und wer weiß: Vielleicht wird AurOrA eines Tages „Hand in Hand“ mit einem Pflückroboter arbeiten. An ihm arbeiten international mehrere Unternehmen. Allerdings ist seine Arbeit noch anspruchsvoller.