Neu Wulmstorf. Kombibad Süderelbe: Gemeinsames 30 Millionen-Euro-Projekt mit Neu Wulmstorf stößt dort auf Skepsis.
Die jetzt von der Hamburger Umweltbehörde veröffentlichte Machbarkeitsstudie für ein großes und länderübergreifendes Kombibad im Süderelberaum stößt auf unterschiedliche Reaktionen: Während der Neugrabener SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Matthias Czech sich „erfreut über das Ergebnis“ zeigt und von einem möglichen „Modellprojekt für die Metropolregion“ schwärmt, sind aus dem potenziell beteiligten Nachbarort Neu Wulmstorf ganz andere Töne zu hören: Die Studie komme eigentlich zu spät, sagt etwa der Vorsitzende des zuständigen Sportausschusses Jan Lüdemann (UWG). Schon vor vier Jahren habe man über die Idee eines gemeinsamen Komplexes aus Hallen- und Freibad gesprochen. „Wir haben gewartet und gewartet, es tat sich nichts so richtig in Hamburg“, so Lüdemann.
Doch nun habe sich Neu Wulmstorf gerade entschieden, mit Fördermitteln von Bund und Land Niedersachsen das eigene, marode Hallenbad doch noch einmal umfangreich zu sanieren. Damit könne sich die Gemeinde jetzt nicht noch an einem zweiten Hallenbad beteiligen. Ganz so harsch wie Ratskollege Lüdemann sieht indes SPD-Fraktionschef Tobias Handtke die Studie nicht. Mit der Entscheidung für die eigene Hallenbad-Sanierung habe man im Rat „seine Pflicht gegenüber Vereinen und Schulen erfüllt“ und könne ein Lehr- und Sportschwimmen im Ort weiter anbieten.
Doch die Zukunft des ebenfalls stark sanierungsbedürftigen Neu Wulmstorfer Freibads sei weiter ungewiss. Und da könnten Überlegungen für ein gemeinsames Projekt Sinn machen. „Man muss jetzt die Chancen dazu ausloten“, so Handtke. Ähnlich sieht es CDU-Fraktionschef Malte Kanebley. Ein gemeinsames Bad mache jetzt nur noch Sinn als Ersatz für das Neu Wulmstorfer Freibad – aber nicht mehr auch als Ersatz für das Hallenbad, wie ursprünglich überlegt.
Die jetzt veröffentlichte Studie orientiert sich allerdings an einem größeren, kombinierten Bad aus Hallen- und Außenanlagen. Als Standort schlagen die Gutachter Fischbek vor – etwa im Bereich des geplanten Neubaugebiets Fischbeker Reethen an der Landesgrenze. Dort sei das Bad von den Schulen im Süderelberaum am besten zu erreichen.
„Erlebnis-“ und Lehrschwimmbecken sind geplant
Die Anlage hätte laut Studienvorschlag ein großes, teilbares Hallen-Sportbecken mit 13 Bahnen auf einer Fläche von 800 Quadratmetern. Hinzu kämen noch ein „Erlebnisbecken“ und ein Lehrschwimmbecken mit 150 beziehungsweise 108 Quadratmetern sowie eine kleinere „Wasserspielfläche“. Für den ganzjährig geöffneten Außenbereich stellen sich die Gutachter ein 25 mal 15 Meter und damit 375 Quadratmeter großes Becken vor.
Knapp 30 Millionen Euro würde der Studie zufolge ein solches Bad kosten. Der Vorteil aus Sicht der Gutachter: Betrachtet man alle vier Bäder im Süderelberaum, würde sich das sogenannte operative Defizit, also der reine Verlust beim Betrieb, insgesamt um 300.000 Euro pro Jahr verringern. Zu den vier Bädern zählt das Gutachten Hallen- und Freibad in Neu Wulmstorf, das sehr kleine Freibad Neugraben und das Hallenbad Neugraben. Für ein neues Kombibad, das alle vier ersetzt, ergibt sich nach Berechnung der Gutachter dann ein jährlicher Zuschussbedarf von 2,2 Millionen Euro, was aber eben für beide Gebietskörperschaften eine „enorme finanzielle Belastung“ darstelle. Und deshalb müssten noch zahlreiche Fragen geklärt werden, was Finanzierung und Verantwortlichkeiten betreffe.
Hansestadt Hamburg müsste eigentlich selbst für ein Angebot sorgen
Beispielsweise müsse Neu Wulmstorf bereit sein, das Eintrittsgeld im Hallenbad von derzeit 3,5 Euro auf ein realistisches Niveau von 6,30 Euro anzuheben. Als Möglichkeit wird dabei in der Studie die Aufteilung der Investitions- und Zuschusskosten so vorgeschlagen, dass Hamburg zwei Drittel und Neu Wulmstorf ein Drittel tragen könnte. Diese Variante sei allerdings für Hamburg nachteilig, weil sich die Stadt damit unterm Strich gegenüber der heutigen Situation finanziell verschlechtern würde.
Doch das ist genau der Punkt, der Neu Wulmstorfer Politiker wie Jan Lüdemann nervt. Angesichts wachsender Bevölkerungszahlen im Bezirk Harburg müsse Hamburg dort auch selbst für ein besseres Bad-Angebot sorgen. „Wir dürfen Hamburg da nicht aus der Verantwortung entlassen und können nicht als Gemeinde die Aufgabe übernehmen“, so Lüdemann.
Und seit diesem Corona-Sommer hat er für seine Forderung auch ein gutes Argument: Weil Tickets für das Neu Wulmstorfer Freibad diesmal nur online und nicht am Kassenhäuschen bezogen wurden, konnte die Gemeinde erstmals genau feststellen, woher die Besucher eigentlich kommen. Ergebnis: nur etwa 35 Prozent kamen aus dem Ort selbst, 65 Prozent von außerhalb und dabei mit überwiegender Mehrheit aus Hamburg.
Neues Bad würde viele zusätzliche Besucher anziehen
Mit Neubaugebieten wie Vogelkamp, Heidbrook und Fischbeker Reethen dürfte der Stadtteil an der Landesgrenze in den nächsten Jahren um rund 14.000 auf dann 45.000 Einwohner anwachsen. Auch das etwa 22.000-Einwohner große Neu Wulmstorf wird sich angesichts zahlreicher Neubaugebiete weiter vergrößern. Für das Vereins- und Schulschwimmen geht die Studie davon aus, dass sich die Zahl der Schüler in diesem Gebiet daher von jetzt rund 10.000 auf 11.500 erhöhen wird.
Derzeit haben alle vier Bäder im Süderelberaum ein jährliches Besuchsvolumen von durchschnittlich 186.900 Gästen im Hallenbereich und 42.000 in den Freibädern, wobei aber Neugraben nur mit 7000 beiträgt. Ein neues Bad würde insgesamt noch einmal rund 13.000 zusätzliche Besucher anziehen. Von den dann insgesamt rund 240.000 Besuchern kämen alleine 100.000 aus Schulen und Vereinen.