Hannover. Aktivisten hatten erschütternde Aufnahmen von Tierversuchen in Mienenbüttel veröffentlicht. Demo am Sonnabend.
Nach Hinweisen auf Quälerei von Affen und Hunden prüft das Land Niedersachsen den Widerruf aller Genehmigungen für Tierversuche in einem privaten Labor in Mienenbüttel (Landkreis Harburg). Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) habe nach Sichtung von heimlich aufgenommenem Videomaterial bereits vor einer Woche Strafanzeige gegen das Labor erstattet, sagte die Tierschutzreferentin im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, Dorit Stehr. Bei der jüngsten behördlichen Prüfung der Versuchsanstalt einen Tag zuvor seien Ungereimtheiten aufgefallen, ein schriftlicher Bericht dieses Besuchs liege aber noch nicht vor.
Die zuständige Staatsanwaltschaft Stade hat die Ermittlungen aufgenommen. Das bestätigte ein Sprecher am Freitag. Die Dauer der Ermittlungen sei schwer abzuschätzen. „Das ist ja ein Fall, der nicht alltäglich ist“, sagte Sprecher Johannes Kiers.
„Wir fordern keine Scheinlösungen, sondern einen sofortigen Schutz der Tiere, und das geht nur durch die Schließung des Tierlabors“, sagte Friedrich Mülln von der Organisation Soko Tierschutz. „Das System Tierversuch ist unmoralisch und gefährlich.“
Großdemo und Mahnwache vor Tierversuchs-Labor
Er rief für diesen Sonnabend zu einer Demonstration in Neugraben bei Hamburg auf. Auf Facebook haben inzwischen mehr als 3400 Menschen zugesagt, an der Protestaktion teilzunehmen. Die "Großdemo gegen das Todeslabor LPT" – wie die Veranstaltung auf Facebook heißt – beginnt um 14 Uhr am Neugrabener Markt und endet gegen 17 Uhr vor den Türen des Versuchslabors in der Oldendorfer Straße 41 in Neu Wulmstorf. Dort soll ab 19 Uhr eine Mahnwache abgehalten werden.
Das Labor hat seinen Hauptsitz in Hamburg und auch einen Standort im Kreis Plön (Schleswig-Holstein). Der Agrarausschuss des niedersächsischen Landtages hatte das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt.
Tierschützer schleusen Aktivisten in die Einrichtung
Tierschützer hatten einen Aktivisten als Mitarbeiter in das Labor in Mienenbüttel eingeschleust, der Belege für Tierschutzverstöße sammelte. Nach seinen Recherchen soll unter anderem auch ein Affe während einer Versuchsreihe für eine Pharmafirma gestorben und heimlich durch ein anderes Tier ausgetauscht worden sein. Daher sei auch eine Anzeige wegen Verdachts auf versuchten Betrug gestellt worden, teilte die Soko Tierschutz mit. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe stellten Kontrolleure des Landkreises Harburg fest, dass 44 Affen in deutlich zu kleinen Käfigen ohne die vorgeschriebenen Beschäftigungsmöglichkeiten saßen.
Bei der letzten Überprüfung seien die Affen in Gruppen gehalten worden, sagte Tierschutzreferentin Stehr. Laut Ministerium waren am Dienstag etwa 250 Affen, 200 Hunde und 50 Katzen in der Einrichtung. Sie hätten sich in einem „nicht zu beanstandenden Allgemeinzustand“ befunden. Bis zum Abschluss der Prüfungen seien alle neuen Anträge für Tierversuche dieses Labors auf Eis gelegt worden. Das Unternehmen selbst reagierte bisher nicht auf eine Anfrage.
Abgeordnete aller Fraktionen „erschüttert“ und „betroffen"
Im Agrarausschuss zeigten sich Abgeordnete aller Fraktionen „erschüttert“ und „betroffen“ von den heimlich aufgenommenen Bildern offensichtlich leidender Hunde und Affen. Miriam Staudte (Grüne) sprach von einem „Kontrollversagen staatlicher Behörden beim Tierschutz“. In Niedersachsen gibt es 35 Einrichtungen, die Tierversuche machen dürfen. Hinweise auf mögliche Tierschutzverstöße nimmt auch eine anonyme Meldestelle des Laves entgegen.
Stephan Jersch, tierschutzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft, erklärte am Freitag: „Es ist erschütternd und keinesfalls hinnehmbar, mit welcher Brutalität Tiere im LPT-Labor offensichtlich gequält werden. In einem ersten Schritt müssen die zuständigen Behörden schnellstens länderübergreifend Aufklärungsarbeit leisten und die Kontrollen des LPT intensivieren. Ich erwarte, dass die Justiz im Rahmen ihrer Ermittlungen auch die Befähigung von LPT zur Durchführung von Tierversuchen auf den Prüfstand stellt.“
Weiter müsse der Ausstieg aus sämtlichen Tierversuchen endlich konsequent angegangen und tierversuchsfreie Forschung ernsthaft gefördert werden – die Ansätze des Senats dazu seinen bei weitem nicht ausreichend. „Hier ist der politische Wille entscheidend, und der fehlt bei SPD und Grünen offensichtlich nach wie vor“, so Jersch. "Ich rufe dazu auf, die Demonstration am Sonnabend zu unterstützen und ein deutliches Zeichen gegen die Tierquälereien zu setzen.“
LPT will mit den Behörden kooperieren
Erstmals reagierte auch das angegriffene Unternehmen Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT): „Bei der aktuellen Untersuchung kooperieren wir vollumfänglich mit den Behörden“, teilte die Firma in Hamburg-Neugraben mit. Weiter wolle man sich zu den Untersuchungen nicht äußern.
Zu den Versuchen hieß es, man führe im Zuge der Arzneimittelzulassung Auftragsstudien für Kunden durch. „Dabei handelt es sich um präklinische Prüfungen einer Substanz auf Toxizität, bevor diese in die klinische Prüfung geht, das heißt am Menschen getestet wird.“