Buchholz . Müll sammeln, Bäume pflanzen – die Initiative Fridays for Future Buchholz will mit Aktionen den Kohlendioxid-Ausstoß in Buchholz senken.
Wenn er die Möglichkeit hätte, Entscheidungen für die Gesellschaft zu treffen, er würde das Fliegen verbieten und Autos von den Straßen holen, Einwegverpackungen versteuern und die Dächer der Stadt begrünen. Jannes Mittelbach würde „Klimaschutz“ an allen Schulen unterrichten und die Menschen auffordern, in ihren Gärten Blumen für die Bienen zu säen. Und er würde Bäume pflanzen. Viele heimische Bäume.
Genau damit hat der 21-Jährige jetzt gemeinsam mit seinen Mitstreitern der Initiative Fridays for Future Buchholz schon mal angefangen. Die Jugendlichen nutzen einen offiziellen Termin der Ratspolitiker, um ihrer Forderung nach mehr Grün in der Stadt Ausdruck zu verleihen. Als diese zum Tag des Baumes in der vergangenen Woche drei Flatterulmen auf einer Wiese im Gewerbegebiet Vaenser Heide II pflanzten, steuerten die jungen Klimaschützer zum Erstaunen der Politiker spontan 17 weitere heimische Bäume dazu.
Die Jugendlichen engagieren sich auf kommunaler Ebene
„Wir wollen zeigen, dass in Sachen Klimaschutz noch viel mehr getan werden muss als dies bislang der Fall ist“, sagt Jannes Mittelbach. Der junge Mann aus Buchholz, der im vergangenen Jahr sein Abitur gemacht hat, ist einer der Initiatoren der Klimaschutzaktionen in Buchholz. Im Februar und März organisierte er mit seinen ehemaligen Mitschülern Fritz Volkert und Marie Börner zwei Demonstrationen in Buchholz und brachen gemeinsam mit vielen Hundert engagierten Schülern seinen Protest gegen Umweltzerstörung und den Klimawandel auf die Straße.
Doch die Jugendlichen wollen mehr. Sie wissen, dass reden allein nicht reicht. Also haben sie aus der Initiative eine Protestgruppe geformt, die mehr kann als nur auf die Straße zu gehen. Innerhalb weniger Wochen ist aus einem losen Haufen engagierter Schüler und angehenden Studenten eine feste Gruppe geworden, die sich regional gegen die Klimakrise engagiert. „Wir wollen auf kommunaler Ebene etwas tun“, sagt Jannes Mittelbach. „Die Baumpflanzaktion ist dabei nur eine von vielen Aktionen.“
Sie haben elf Punkte für den Klimaschutz entwickelt
Bereits am Wochenende zuvor hatte die Initiative zum gemeinsamen Müllsammeln in der Stadt aufgerufen. Darüber hinaus haben die Mitglieder ihr politisches Engagement verstärkt und ihre Vorschläge für den Klimaschutz in einem Elf-Punkte-Programm zusammengefasst, das den Parteien vorgelegt haben. Darin fordern sie unter anderem eine Reduktion des Autoverkehrs sowie die komplette Versorgung der Stadt mit erneuerbaren Energien. Es geht aber auch um ganz konkrete Projekte, wie die Begrünung von Flachdächern in Gewerbegebieten und die Bepflanzung der Rütgersfläche mit Blumen, Heidekraut oder Brennnesseln, um die 16 Hektar große Brache für unterschiedlichste Insekten- und Vogelarten attraktiv zu machen (s. Info).
Gemeinsam mit den Fraktionen sollen Anträge entwickelt werden
Die Resonanz der Politiker auf den Vorstoß der Jugendlichen ist durchweg positiv. „Die CDU-Fraktion hat bereits erste Anträge formuliert“, sagt Janne Mittelbach. „Aktuell sitzen wir mit einigen Mitgliedern der SPD-Fraktion zusammen und formulieren weitere Anträge, die möglichst alle Fraktionen unterschreiben sollen. Unser Ziel ist, möglichst viele Menschen für unsere Ideen und Projekte zu begeistern und zu erreichen, dass wenigstens einige davon zeitnah umgesetzt werden.“
Doch der ehemalige Schüler des Gymnasium am Kattenberg weiß, dass die Mühlen in Politik und Verwaltung langsam mahlen. Viel zu langsam, wie er findet. „Klimaschutz duldet keinen Aufschub“, sagt der 21-Jährige. Also entwickelt er mit seinen Mitstreitern auch Projekte, die kurzfristig und spontan umzusetzen sind, so wie die Baumpflanzaktion im Gewerbegebiet, die bei den Politikern vor Ort für Begeisterung sorgte. „Bisher war die Pflanzaktion zum Tag des Baumes eine ratsinterne Veranstaltung. Dass die jungen Leute jetzt anfangen, mitzuarbeiten, finde ich sehr gut“, sagt Joachim Zinnecker von den Grünen. Marc Wölpern, CDU-Ratsmitglied und Ortsbürgermeister von Holm-Seppensen wünscht sich noch mehr solcher Aktionen, um das Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu stärken. „Wir können den Klimawandel nicht bremsen, aber ihm entgegenwirken. Dabei zählt jede Pflanze.“
Der Initiator baut sein Gemüse selbst an
Wilhelm Pape von der FDP bezeichnet die Idee als „hervorragend“ und verspricht: „Wir werden uns der Buchholzer Friday-for-Future-Initiative mehr öffnen, als es bis jetzt der Fall war.“
Initiator Janne Mittelbach hat schon mal damit begonnen sein Leben klimafreundlich umzustellen. Er ernährt sich vegetarisch und baut einen Großteil seiner Lebensmittel im selbst an. „Irgendwann möchte ich mich komplett selbst versorgen können“, sagt er. Die Liebe zur Natur hat ihm sein Großvater vermittelt. „Er hat mich jeden Tag mit in den Garten genommen und mir gezeigt, wie man sät und erntet“, sagt der angehende Biologiestudent. „Statt an Spielkonsole und PC habe ich meine Kindheit im Freien verbracht.“ Als sein Großvater vor zwei Jahren starb, übernahm der damals 19-Jährige den Garten und legte ein 50 Quadratmeter große Gemüsebeet an. Seitdem gibt es darin nicht nur heimische Gewächse wie Rote Bete, Mangold, Spinat und Radieschen, sondern auch Ingwer, Kiwis und Melonen. „Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wo die größte Faktoren für die CO 2 -Emissionen liegen“, sagt er. „Und dass sie zum Beispiel Ingwer ganz einfach im eigenen Garten pflanzen können, anstatt ihn von weither importieren zu lassen.“ Also klärt er auf, in dem er mit den Leuten spricht, Informationen über soziale Medien streut und versucht, Jugendliche für das Thema Klimaschutz zu begeistern. „Die Nachfrage ist groß, wir bekommen immer mehr Zulauf“, sagt er. Paul Rogge zum Beispiel ist einer der Neuen. 8. Klasse, 15 Jahre alt, und der mit seinem Engagement in der Freizeit zeigen will, dass es den Jugendlichen nicht ums Schulschwänzen geht, sondern darum, wirklich etwas für den Klimaschutz zu tun. Oder Dunja Hädrich, 17, Elftklässlerin, die nicht in einer Welt voller CO2-Abgase leben will. 17 Jugendliche waren es am Ende bei der Baumpflanzaktion. Und jeder von ihnen hat einen Baum gesetzt.
Das nächste Projekt: Jutebeutel für alle Passanten
Das nächste Projekt ist bereits in Arbeit. Die Jugendlichen wollen Jutebeutel an Passanten in der Stadt verteilen, um ein Zeichen gegen Plastikmüll zu setzen. Darüber hinaus wollen sie weiter in den Fraktionen für ihre Vorschläge trommeln. Und sie wollen Vorbild sein. Die Hälfte der aktuell zehn aktiven Klimaschützer lebt vegetarisch, ein Drittel von ihnen verzichtet bewusst auf Flugreisen und viele fahren ausschließlich Rad. „Ich will in der Zukunft gern eine Umwelt haben, in der es sich leben lässt“, sagt die 17-jährige Amelie Timme. „Und ich wünsche mir, dass meine Enkel noch genauso im Wald spielen können wir ich.“
Und weil es dazu noch viel mehr zu sagen gibt, hat Jannes Mittelbach ein Poetry-Slam geschrieben. Darin heißt es unter anderem: „Wenn ich alt bin und die Tage längst gezählt sind, wird es so kommen, dass ich in meinem Schaukelstuhl throne und meinem Enkelkind erzähle muss, warum wir nicht auf einer immergrünen Wiese wohnen: „Kind, komm mal her! Ich will dir was erzählen. Dein Opa hat schon einiges gesehen auf dieser Welt, so scheint es, jagen wir dem Gelde hinterher, einem eigentlich wertlos bedrucktem Stück Papier. Zwar gibt es heute Geld in allen Farben aber, tja was soll ich sagen? Als ich jung war, kannte ich Lila nur von Wolken, gelb war der Löwenzahn und Grün der Grund, die Mutter Erde unter einer blauen Kerbe, die sich Himmel nannte, bis dann alles Stück für Stück entflammte. Es tut mir leid, mien Jung, dass ich weggesehen habe.“
Vorschläge
Autoverkehr in Buchholz reduzieren, Situation für Radfahrer massiv verbessern und den ÖPNV billiger und flexibler machen.
Raus aus der Kohle: Die Stadtwerke müssen sich deutlich vor 2030 von der Kohle verabschieden.
Gewerbegebiete in Biotope umwandeln! Mit wenig Aufwand könnte aus einem Flachdach ein besonders geschütztes Biotop werden. Die großen Hallen könnten von außen begrünt werden.
Regenrückhaltebecken zu Biotopen ausbauen!
Bäume mit Potenzial pflanzen! Gerade große Bäume und gerade einheimische Bäume fördern die Biodiversität.
Erhalt der innerstädtischen Wildnis, Stopp den Rodungen! Auch wenn nicht jedes Grundstück eine geschützte Art aufweist, so dienen sie als wichtige Inseln und Bindeglieder im größeren Ökosystem der Stadt.
Naturschutzstiftung
Buchholz gründen! Sie könnte z.B. wilde Grundstücke aufkaufen oder andere Biotope fördern.
Finanziellen Spielraum für Klimaschutz schaffen durch besteuern von Einwegverpackungen.
Nisthilfe
n in Neubauten und Fassadenrenovierungen anordnen.
Schluss mit den Insektenfallen! Durch andere Wellenspektren kann die anziehende Wirkung des Lichts auf die Insekten erheblich gesenkt werden.
Freitage für die Zukunft
Fridays for Future (Freitage für die Zukunft, kurz FFF) ist eine globale Schüler- und Studierendenbewegung, die sich für Klimaschutz einsetzt.
Nach dem Vorbild der Initiatorin Greta Thunberg, auf das sich die meisten Klimastreiker berufen, gehen Schüler freitags während der Unterrichtszeit auf die Straßen und protestieren.
Der Protest findet weltweit statt und wird von den Schülern und Studierenden selbst organisiert. Weltweit sollen 1.789.235 Menschen am 15. März 2019 an den Demonstrationen teilgenommen haben.
Ziel der Klimastreiks ist es, auf klimapolitische Missstände aufmerksam zu machen und Maßnahmen für den Klimaschutz einzuleiten. Insbesondere soll die Einhaltung des Übereinkommens von Paris sichergestellt werden.
Zu den wichtigsten Teilzielen der Proteste gehören: Abbau fossiler Brennstoffe im Rahmen einer Energiewende zu beenden; Subventionen für fossile Energieerzeugung abzuschaffen; Investitionen in erneuerbare Energien zu steigern; Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs im Rahmen einer Verkehrswende.
Die Initiative fordert für Deutschland den totalen Kohleausstieg bis 2030 und 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035. Bis Ende 2019 wird das Ende der Subventionen für fossile Energieträger sowie eine Steuer auf alle Treibhausgasemissionen gefordert.