Elmshorn/Wedel. In Elmshorn und Wedel nehmen erstmals im Kreis Schüler an den Fridays-for-Future-Demonstrationen teil – in Wedel erst nach Schulschluss.

Punkrockmusik der Band Ärzte kracht lautstark aus einer mobilen Musikanlage. Freitagmorgen, 9 Uhr, Kinder und Jugendliche versammeln sich am Alten Markt in Elmshorn. Sie wollen demonstrieren. Die siebenjährige Kim Lorenzen aus Quickborn steht etwas abseits der Menge. Sie hält ein Pappschild hoch: „Autos sind doof“, steht da, ein Auto ist zu sehen, die Qualmwolke aus dem Auspuff ist durchgestrichen. „Hat sie selbst gebastelt,“ sagt ihre Mutter. Beide sind nach Elmshorn gekommen, um sich der weltweiten Bewegung „Fridays for Future“ anzuschließen. Diese Demonstration ist die erste in dieser Größenordnung in Elmshorn. Nach Polizeiangeben sind etwa 300 Personen gekommen.

Nun ergreifen die Waldorfschüler und Mitorganisatoren Malte Knöppler und Jan Ole Lindner das Mikrofon. „Für alle, die vielleicht nicht wissen, warum wir hier sind: Es fing an mit Greta Thunberg, die mit ihren 16 Jahren seit Monaten jeden Freitag vor dem Parlament in Stockholm demonstriert “, sagt Jan Ole, ebenfalls 16. Die Menschenmenge jubelt, als sie den Namen des schwedischen Vorbilds hören.

Liyshisha Reus (v. l.) Samantha Schuppenhauer, Sana Darkonshi und Heuilian Kaddor gehen gemeinsam demonstrieren.
Liyshisha Reus (v. l.) Samantha Schuppenhauer, Sana Darkonshi und Heuilian Kaddor gehen gemeinsam demonstrieren. © Paulina Bonkowski | Paulina Bonkowski

Die Jugendlichen laufen los. Von der Königstraße geht es am Rathaus vorbei Richtung Bismarckschule. „Guck mal. Da sind sie alle“, sagt eine Schülerin und blickt dabei auf die vielen Gesichter, die sich an den Fensterscheiben des Rathauses abzeichnen. Aber nicht nur Verwaltungsmitarbeiter scheinen ihre Aufmerksamkeit den jungen Klimaaktivisten zu schenken. In der Peterstraße, am Standesamt, stehen Radfahrer, die wegen des Demonstrationszuges nicht weiterfahren können. Sie beschweren sich nicht, sie klatschen Beifall.

Das erste Zwischenziel der Jugendlichen ist die Bismarckschule. Auf dem Schulhof spricht Leonie Beers von der Bewegung Seebrücke zu den Demonstranten. Sie möchte auf ein Thema hinweisen, das bei der Diskussion um Klimagerechtigkeit oft zu kurz komme: „Und zwar den Klimawandel als Fluchtursache.“ Die Menge tobt und skandiert: „Kohlekonzerne baggern in der Ferne, zerstören unsere Umwelt nur für’n Batzen Geld, worin wir unsere Zukunft seh’n? Erneuerbare Energien!“ Während die Jugendlichen lautstark mitsingen, ihre bunten Plakate in die Luft halten oder auch mal ein Video für ihre Facebook-Kontakte posten, spielen andere Schüler der Bismarckschule unbeirrt ein Ballspiel. Denn es ist große Pause. Während die einen demonstrieren, gehen die anderen regulär in den Unterricht.

An dieser Stelle benötigen Lehrkräfte ein „pädagogisches Fingerspitzengefühl“, sagt Uwe Lorenzen, der Schulleiter der Elsa-Brändström-Schule (EBS) in Elmshorn. Hinter einem Absperrband stehen die Teilnehmer vor der Schule am Krückaupark, ihr zweites Zwischenziel. Uwe Lorenzen betrachtet den Demonstrationszug aus der Distanz. Er weiß um die Kontroverse Bescheid. Denn seit Wochen lassen junge Menschen deutschlandweit jeden Freitag den Unterricht ausfallen, um für eine bessere Klimapolitik auf die Straße zu gehen. Die Schulleitung der EBS bietet am Demonstrationstag ein Programm, das ebenfalls unter dem Motto Klimaprotest steht. So schauen sich alle Schülerinnen und Schüler die Rede von Greta Thunberg auf dem UN-Klimagipfel in Katowice im Unterricht an. Liyshisha Reus, Samantha Schuppenhauer, Sana Darkonshi und Heuilian Kaddor gehen trotzdem auf die Straße. Sie haben die Proteste in den Nachrichten verfolgt und wollen mithelfen.

Kim Lorenzen (7) aus Quickborn hat ihr Plakat selbst gemalt.
Kim Lorenzen (7) aus Quickborn hat ihr Plakat selbst gemalt. © Paulina Bonkowski | Paulina Bonkowski

In Wedel zeigen die Schüler besonderes Engagement. Denn sie demonstrieren nach dem Unterricht. 500 Schüler nehmen laut Polizei teil. Um 13.30 Uhr startet der Protestzug vom Johann-Rist-Gymnasium (JRG) aus. Die Mühlenstraße wird eigens abgesperrt, damit Schüler bis zum Wedeler Rathaus ziehen können. An der Demo unter dem Motto „Klimastreik“, organisiert vom JRG, beteiligen sich aber auch Schüler anderer Wedeler Schulen. Demonstrieren, aber nach der Schulzeit: „Die Idee hat sich entwickelt. Wir wollten allen die Möglichkeit geben, sich zu engagieren, ohne dass dafür Unterricht ausfallen muss“, erklärt JRG-Schulleiter Bertram Rohde, der von den Jugendlichen schwärmt: „In unserer Schülerschaft gibt es ein beeindruckendes Engagement für Nachhaltigkeit.“

So habe die Schülervertretung in monatelanger Vorbereitung eine ganze Nachhaltigkeitswoche geplant und organisiert, sie startete am vergangenen Montag und endete mit der Demonstration. Unter anderem war ein Vertreter von Greenpeace in der Mittelstufe, in der Oberstufe wurde ein Vortrag zu den Folgen des Klimawandels für die Ozeane gehalten, und der Verein Multivision stellte allen Schülern das Projekt „Energievision 2050“ vor, in dem es darum geht, wie eine möglichst vollständige Reduktion der Treibhausgase bis 2050 gelingen könnte. In den Pausen organisierte die Schülervertretung Spiele zum Thema Mülltrennung und Herstellen von Skulpturen aus Verpackungsmaterial.

Und die Schule möchte mit gutem Beispiel voran gehen. „Jede Klasse hat einen Bastkorb finanziert bekommen, in dem zukünftig Papier getrennt gesammelt wird“, so Rohde. Zudem soll zusätzlich zum Klassensprecher in den 5. und 6. Klassen das Amt des Energiebeauftragten eingeführt werden und nur noch auf recyceltem Paper kopiert werden. Dafür werden erste Gespräche mit der Stadt geführt.