Goltoft an der Schlei. Der leidenschaftliche Segler Wilfried Erdmann hat auf allen Meeren Geschichte geschrieben. Jetzt ist er gezwungen, aufzuhören.
Er ist der erste Deutsche, der einhand um die Welt segelte. Damals, zwischen 1965 und 1968. Und der erste Mensch weltweit, der 1984/85 und 2000/2001 auf demselben Schiff die Welt allein und nonstop in beide Richtungen umsegelt hat. Wilfried Erdmann hat Geschichte auf allen Weltmeeren geschrieben. Nun muss der 82-Jährige an Land bleiben und das Segeln aufgeben. Die Gesundheit macht nicht mehr mit.
Wilfried Erdmann muss das Segeln aufgeben
„Es ist Krebs, und ich bin in Schleswig in Behandlung“, erzählt Erdmann dem Abendblatt am Telefon und unterbricht dafür das Laubharken auf der Wiese hinter seinem Haus in Goltoft an der Schlei. „Gartenarbeit und Holzhacken klappen noch. Gott sei dank.“ Aber er müsse sich eben mit den bösen Zellen in seinem Körper auseinandersetzen. „Das fällt mir schwer und ist ungewohnt. Ich war nie krank. Die schlimmsten Stürme allein auf dem Meer habe ich besser abgewettert als jetzt diese Situation.“
Glücklicherweise habe er weder Schmerzen noch Nebenwirkungen. „Kurz vor Weihnachten endet der aktuelle Behandlungszyklus“, erzählt Erdmann. Dann gibt es weitere Untersuchungen und Entscheidungen, wie es weiter geht.“ Natürlich hoffen Wilfried Erdmann und seine Frau Astrid auf gute Nachrichten. „Ich habe ein sonniges Gemüt“, sagt die 78-Jährige, seit 1969 seine Gefährtin an Land und auf See. Sie hat die Einhand-Törns ihres Mannes immer unterstützt und ließ vor gut 20 Jahren während seiner Abwesenheit ein neues Haus bauen.
Was passiert mit Erdmanns Boot „Kathena Nui“?
Mehr als 200.000 Seemeilen hat der Norddeutsche in seinem Kielwasser – mal aus Abenteuerlust, mal aus Protest, aber immer aus Berufung. Wilfried Erdmann hat das Alleinsein auf dem Wasser genossen und erduldet, sich am Familiensegeln mit Astrid und Sohn Kym erfreut sowie Gastsegler zu sich an Bord eingeladen. In seinem Buch „Ich bin auf See“, 2021 im Delius Klasing Verlag erschienen, bezeichnet der Segler das Meer als seine „älteste Liebe“, widmet Nord- und Ostsee liebevolle Zeilen, hat die perfekte Einheit zwischen Boot und Mensch erlebt und zieht Bilanz: „Segeln ist alles.“
Erdmann fällt der Abschied schwer. „Aber ich muss das pragmatisch sehen. Ich habe schließlich so schöne Jahre und Fahrten auf dem Boot erlebt.“ Sein Zuhause auf dem Wasser war die „Kathena Nui“ (nui ist polynesisch für groß, stark, unerschrocken). Die 10,6 Meter lange und 3,25 Meter breite Alu-Yacht wurde 1984 bei Dübbel Jesse auf Norderney für die erste Nonstop-Weltumseglung gebaut.
Wilfried Erdmann: „Wir können nur Langfahrt"
Lange stand sie gut verpackt auf einem Trailer hinter dem Haus der Erdmanns. Einige Jahre hatte sie ihren Liegeplatz dann vor dem Missunder Fährhaus an der Schlei, das Ehepaar unternahm Segelreisen in Skandinavien und zu den Faröern. „2015 haben wir einen 15-PS-Motor einbauen lassen, in diesem Frühjahr noch eine Bordtoilette. Aber die haben wir noch gar nicht benutzt, das Schiff kam ja nicht ins Wasser“, sagt Astrid Erdmann.
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Die „Kathena nui“ hat derzeit ihr Zuhause in einer Werfthalle an der Schlei. Und die Erdmanns denken über einen Verkauf nach, denn der Unterhalt auch eines Bootes an Land kostet Zeit und Geld. „Im Cockpit sitzen und Kaffeetrinken oder am Wochenende in die Dänische Südsee segeln, das sind wir nicht“, sagt der Skipper. „Wir können nur Langfahrt. Und das geht eben nicht mehr.“ Angebote gebe es schon, das Schiff sei gesund und in Ordnung. Aber Sohn Kym habe den Plänen heftig widersprochen. „Wir haben die Diskussion erst mal vertagt.“
Sein neues Buch widmet sich seiner Schwiegermutter
Dafür kam gerade etwas Erfreuliches mit der Post ins Haus – die lektorierte Fassung des neues Buches von Wilfried Erdmann. „Ingeborg und das Meer“ (erscheint im April 2023 bei Delius Klasing) widmet sich dem Leben seiner Schwiegermutter Ingeborg von Heister. Sie war die erste deutsche Frau, die 1969/70 mit ihrem Trimaran „Ultima Ratio“ einhand den Atlantik in Ost- und Westrichtung überquerte. „Von ihren Fahrten habe ich alle Unterlagen“, sagt der Autor. „Die durchzugehen und zu sichten war eine schöne Arbeit während der Corona-Zeit.“