Fehmarn. Anja Neumann bedient ihre Gäste aus einem ausrangierten Zirkuswagen heraus. Ab 1. April hat sie einen festen Stellplatz.

Was für ein Lichtblick im trüben Dezember: dieser ausrangierte Zirkuswagen von Anja Neumann, der im tiefen Grau des norddeutschen Spätherbstes steht und von innen leuchtet. Auf wenigen Quadratmetern hat sie das wohl kleinste Café auf Fehmarn geschaffen. Jetzt in der Adventszeit ist es dort besonders gemütlich.

Warme Waffeln, Eierpunsch und Kekse. Anja Neumann weiß, was durchgefrorenen Fehmarnbesuchern in diesen Tagen guttut. Weiße Bänke und Stühle vor dem Bauwagen, der coronabedingt derzeit nicht für Gäste geöffnet ist, Lichterketten, Kerzenschein und Weihnachtsschmuck, dazu chillige Musik. Willkommen im Tortenparadies am Wakepark in Wulfen.

Draußen hat Anja Neumann es richtig nett gemacht. Im Inneren ihres Mini-Cafés (6,90 mal 2,50 Meter) hat sie eine wahre Kuschelwelt geschaffen. Wenn keine Pandemie ist, finden dort sechs Besucher Platz. Anja Neumann kommt aus der Gastronomie, hat unter anderem ein eigenes Café gehabt mit 130 Sitzplätzen. „Das wollte ich nicht mehr, sondern ausschließlich dieses hier machen.“ Dieses hier ist ihre Kuchen-, Kekse- und Tortenmanufaktur.

Ostsee: Anja Neumanns Zirkuswagen war eine Schule

Bis der Zirkuswagen so herausgeputzt war, skandinavisch weiß mit viel Holz, einer Küche und einer bequemen Sitzbank, in diesen Tagen im Kerzenschein, hat es zehn Jahre gedauert. 2008 hat sie den Wagen vom Circus Siemoneit-Barum gekauft und mit Sohn Malte bis 2018 in Eigenarbeit hergerichtet.

Mit vier Kindern (der Jüngste ist jetzt 22 und die Älteste 35) war nicht immer genug Zeit, die Restaurierung am Stück vorzunehmen. „Ich habe das dann gemacht, wenn ich Zeit und Geld hatte“, sagt Anja Neumann. 30.000 Euro hat sie bereits hineingesteckt. Wenn man sich einen Lebenstraum erfüllt, dann kann es auch schon einmal länger dauern. Jetzt ist sie am Ziel. Vorerst.

„Ich wollte immer einen Zirkuswagen haben, dieser Wunsch hat mich nie in Ruhe gelassen“, sagt sie. Bei Northeim in Niedersachsen aufgewachsen, kannte sie das Winterlager des Circus Siemoneit-Barum gut. „Ich bin als Kind immer in das Winterlager gefahren.“ Die Iffi aus der „Lindenstraße“, Rebecca Siemoneit-Barum, hat ihr den Wagen verkauft.

„Die ist hier drin zur Schule gegangen, und auch ihre Kinder.“ Der Wagen ist nämlich die ehemalige Schule des Zirkus. Um den Nachwuchs nicht ins Internat schicken zu müssen, engagierte Zirkusdirektor Gerd Siemoneit-Barum 1984 eine Lehrerin, die alle Artistenkinder von der ersten Klasse bis zum Hauptschul­abschluss unterrichtete. Sie hatten sogar eine Schlafkoje im rollenden Klassenzimmer.

Fehmarn: Bis Weihnachten steht das Café in Wulfen

Als Windsurferin war es für die Niedersächsin der Wunsch, am Meer zu leben, um ihrer Leidenschaft so oft wie möglich nachzugehen. Seit 35 Jahren schon lebt sie auf Fehmarn. „Ich wollte, dass meine Kinder im Sand buddeln können, auf einer Insel groß werden und ich surfen kann.“ Dort auf der Insel sind die Jungs auch geblieben.

Ihr Sohn Ole betreibt die Strandbar Strukkamp. Malte hat die erste Wingfoil-Schule Deutschlands auf Fehmarn eröffnet. Der dritte Sohn Janne macht eine Zimmermannslehre, und ihre Tochter lebt auf einem Biobauernhof in Bayern.

Noch bis Weihnachten hat sie ihr Tiny-House-Café an den Adventswochenenden in Wulfen aufgebaut. Einen festen Platz hat Anja Neumann ab dem 1. April am Yachthafen in Burgtiefe. Dann wird ihr Zirkuswagen über den Sommer sesshaft und dort stehen. „Mal gucken, was im Januar ist. Ich nehme auch Aufträge entgegen, und ich werde eingeladen, mich mit dem Café irgendwo hinzustellen.“ Zukunftsängste hat sie keine.

Anja Neumann: Vier Torten gibt's am Wochenende

Seit September betreibt Anja, gelernte Hauswirtschafterin und Bürokauffrau, ihr Café hauptberuflich. Bis dahin fuhr sie zweigleisig, hat in der Woche als Nanny bei einer Hamburger Familie gearbeitet, am Wochenende dann Kuchen verkauft.

Ihr Tagesablauf bis vor Kurzem: morgens um 6 Uhr backen, nach Hamburg fahren und abends wieder backen. „Das war dann irgendwann zu anstrengend.“ Ihre Angestellte Linnéa, Konditormeisterin, hilft ihr beim Backen. Vier Torten gibt es am Wochenende, außerdem Butter- und Apfelkuchen, Kekse. Käsekuchen ist der Renner.

Inzwischen hat sie eine Gewerbeküche am Wakepark Fehmarn, bis dahin hat sie im Zirkuswagen gebacken. Darüber hat Anja auch mit ihrer Freundin, der Fotografin Jutta Schewe, ein Buch mit Kuchen- und Tortenrezepten geschrieben: „Licht und Farben einer Insel. Fehmarn. Backen im Zirkuswagen“ (ISBN 978-3-00-068186-8).

Das Besondere an ihrem Café: „Es ist so klein, und es funktioniert trotzdem. Man schafft es mit der Hilfe von wenigen Leuten.“ Sie plant nun ein Tiny House als Backküche. „So, dass ich ein Tiny House auf 30 bis 40 Qua­dratmetern zu einer Küche ausbaue.“ Arbeiten auf kleinem Raum ist ihr Traum. Aber wohnen bleibt sie weiterhin in ihrer Wohnung.