Cuxhaven . Der Seeweg nach England bleibt trotz Brexit kurz. In Hamburg wuchs der Containertransport mit Großbritannien 2020 kräftig.
Sechs Mal die Woche gibt es Trailer-Ballett in Cuxhaven. Dann legt die RoRo-Fähre aus dem englischen Hafen Immingham an. Wendige Zugmaschinen ziehen rasch einen Lastwagenauflieger nach dem anderen aus dem Schiff und stellen sie ab. Und genauso schnell und geschickt werden die wartenden Trailer verladen und auf die Reise ins Vereinigte Königreich geschickt. „Roll on, roll off“ (An Bord rollen, runterrollen) heißt das bewährte schnelle Ladeprinzip.
Der Brexit, der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU), ist für die deutschen Häfen abgehakt. Das England-Geschäft läuft, auch wenn der Inselnachbar seit Anfang 2021 nicht mehr zum Binnenmarkt gehört und Zollausland ist.
Von allen deutschen Häfen hat sich Cuxhaven am meisten auf die neue Lage umstellen müssen. „Der England-Verkehr ist für uns existenziell wichtig“, sagt der Geschäftsführer des Terminalbetreibers Cuxport, Hans-Peter Zint. „Cuxhaven ist der einzige Hafen, der einen Frachtfährdienst zwischen Deutschland und England anbietet.“ Dieser Dienst macht etwa vier Fünftel des Umschlags in Cuxhaven aus. Andere Verbindungen gibt es nach Skandinavien, ins Baltikum und nach Island.
Seehäfen im Norden haben Brexit gut verkraftet
„Einen großen Teil unserer Erlöse erzielen wir auf dem England-Markt“, sagt auch Ortolf Barth, Vertreter der Reederei DFDS vor Ort. DFDS ist im Mittelmeer sowie auf Nord- und Ostsee aktiv und befährt die Route Cuxhaven-Immingham. Zum Einzugsgebiet des Hafens Immingham an der englischen Ostküste zählten Zentren wie Manchester, Birmingham und Liverpool, sagt Barth. Neben den Trailern sind Autos die wichtigste Fracht. BMW exportiert seine Wagen über Cuxhaven nach Großbritannien, von dort werden Wagen der Marken Jaguar und Landrover nach Deutschland eingeführt.
Auch interessant
Für andere deutsche Häfen ist England weniger wichtig. Über Emden führt Volkswagen seine Autos ein und aus - mit einem Anteil England-Verkehr, wie André Heim sagt, Geschäftsführer der Marketing-Gesellschaft Seaports of Niedersachsen. Die riesigen Containerschiffe aus Übersee laufen neben Bremerhaven, Wilhelmshaven oder Hamburg oft auch englische Häfen an - aber nur zum Be- oder Entladen, nicht für Transporte auf der europäischen Kurzstrecke.
Hamburger Hafen: Containertransport mit GB wächst
In Hamburg wuchs der Containertransport mit Großbritannien 2020 kräftig um 28 Prozent, berichtet Ina Luderer, Vize-Geschäftsführerin des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH). Die britische Wirtschaft habe vor dem Ausscheiden aus der Zollunion noch einmal ihre Lager gefüllt. Doch angesichts des Gesamtumschlags von 8,5 Millionen Standardcontainern (TEU) in Hamburg machten 264 000 Kisten von oder nach Großbritannien nur gut 3 Prozent aus.
2020 habe der deutsch-britische Seegüterverkehr 2020 um 6,9 Prozent auf 15,3 Millionen Tonnen zugelegt, heißt es beim Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe. Dann kam der Londoner Ausstieg aus der Zollunion. Doch nun, ein gutes halbes Jahr später, sei der Brexit kein Problem mehr, sagt Hauptgeschäftsführer Daniel Hosseus in Hamburg. „Großbritannien ist ein normaler Drittstaat wie die USA.“
Auch Cuxhaven hat die englischen Torschluss-Bestellungen Ende 2020 an der Auslastung der Fähren gespürt. „Dann kam der 1. Januar. In der ersten Woche hatten wir kaum Ladung“, sagt Zint. Aber organisatorisch hatten sich Terminal, Reederei und Kunden auf die neuen Regeln vorbereitet. „Wir haben uns frühzeitig mit dem Zoll zusammengesetzt“, sagt Zint. Die Anmeldung und Abfertigung der Fracht läuft elektronisch, zwei Stunden vor Abfahrt des Schiffs reichen aus.
Brexit: Langer Vorlauf ist gut genutzt worden
Der lange Vorlauf des Brexit sei gut genutzt worden, bestätigt Frank Mauritz vom Hauptzollamt Oldenburg. In Cuxhaven seien alle Stellen besetzt worden. Im elektronischen Abfertigungssystem Atlas könnten Zollämter verschiedener Orte einander entlasten. „Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten hat wunderbar funktioniert“, sagt Mauritz.
Nach 2015 ist der deutsch-britische Außenhandel dem Statistischen Bundesamt zufolge ständig gesunken, der Brexit warf seine Schatten voraus. Insgesamt sei der Warenaustausch mit Großbritannien rückläufig, sagt auch Cuxport-Chef Zint. Aber in Cuxhaven sei das Frachtaufkommen mittlerweile wieder „auf Vorkrisenniveau“. Seine Faustregel: 300 000 Autos, 30 000 Trailer, 30 000 Container und 300 000 Tonnen Stückgut im Jahr. Unsicherheiten gebe es eher wegen der Corona-Pandemie oder der wechselhaften Auto-Konjunktur.
Cuxport vermarktet die England-Verbindung vor allem als bequeme Alternative zur langen Lkw-Fahrt über Frankreich und Belgien und den Kanal. Die sei durch die neuen Zollkontrollen mühsamer geworden, sagt Zint: „Wir machen hier unbegleitete Verkehre.“ Weder die Fahrer noch die Zugmaschinen müssten ihrer Fracht wegen nach England einreisen.