Westerland/Hamburg. Schleswig-Holstein verstärkt die Kapazitäten auf der Marschbahn-Strecke. Währenddessen steht das Modellprojekt Tourismus auf der Kippe.
Gedränge in der Marschbahn: Dieses seit Jahrzehnten bestehende Problem soll nun zumindest in den Sommer- und Herbstmonaten dieses Jahres beseitigt werden. Das Land Schleswig-Holstein hat für die Strecke Hamburg–Westerland zusätzliche Doppelstockwagen geordert.
Das erweiterte Angebot startet in drei Wochen, am 7. Mai, und endet am 1. November. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) sagte dem Abendblatt dazu: „Das Land greift für den Sommer 2021 noch einmal richtig in die Tasche, um wirklich den maximal möglichen Verkehr auf die Schienen der Marschbahn zu bringen. Dafür werden wir bei anderen wichtigen Projekten im Nahverkehr sparen müssen.“ Welche Projekte für die Marschbahn bluten müssen, blieb unklar.
4000 Sitzplätze mehr zwischen Hamburg und Westerland
8,7 Millionen Euro kostet die Kapazitätsausweitung. Das Land zahlt rund 4,4 Millionen Euro, die Deutsche Bahn (DB) rund 4,3 Millionen Euro. Für das Geld werden zwischen Hamburg und Westerland täglich rund 4000 zusätzliche Sitzplätze, zwischen Niebüll und Westerland sogar rund 8500 zusätzliche Sitzplätze pro Tag geschaffen.
Die Doppelstockwagen sorgen bei täglich 15 Zügen für ein besseres Angebot. In diesen Zügen stehen dann 620 Sitzplätze (bisher 500) zur Verfügung. Zudem fahren nun insgesamt 76 statt 30 Züge mit doppelter Wagenkapazität. Außerdem gibt es nun drei Bereitschaftszüge, die in Niebüll, Westerland und in Hamburg-Altona stationiert werden. Sie können bei Störungen oder bei Überlastung kurzfristig zum Einsatz kommen.
Enge in Zügen durch Pandemie noch problematischer
Florian Lorenzen, Landrat des Kreises Nordfriesland, freute sich über die Angebotsverbesserung. „Der Kreis Nordfriesland und insbesondere die Sylt-Pendler haben immer wieder auf die Enge in den Zügen zwischen Niebüll und Sylt hingewiesen – ein Problem, das durch die Pandemie eine zusätzliche Dimension bekommen hat“, sagte er. „Auch im Hinblick auf die Modellregion Nordfriesland, in der der Tourismus ab dem 1. Mai testweise und sehr behutsam wieder anlaufen kann, sind diese Verbesserungen ein Teil der notwendigen Voraussetzung, und wir begrüßen sie sehr.“
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In der Tat hatte gerade die Nordseeinsel Sylt in ihrem Modellregions-Antrag massiv Verbesserungen beim Bahnverkehr auf dem Hindenburgdamm eingefordert. Dass diese Verbesserungen nun kommen, aber die Sylter Modellregion nun wieder auf der Kippe steht, ist eine weitere Verwirrung in dieser an Irrungen reichen Corona-Zeit.
Pandemie stieß Verbesserungen an
Die Pandemie war allerdings fürs Verkehrsministerium auch der Anlass, auf der Marschbahnstrecke für Verbesserungen zu sorgen. Der Grundgedanke: Weder den Pendlern noch den Urlaubern ist es in Corona-Zeiten zuzumuten, in überfüllten Zügen zur Arbeit oder in den Urlaub zu fahren. „Wir wollen dafür sorgen, dass man mit Abstand von Hamburg aus ins Binnenland und nach Sylt reisen kann“, sagte Minister Buchholz. „Und wir wollen, dass die Pendler ohne Angst an ihren Arbeitsplatz kommen.“
Für Sylt ist das eine gute Nachricht. Nur ging sie dort gestern ein wenig unter. Nach einer langen Sitzung mit Landrat Florian Lorenzen am Mittwoch hatten sich die Insulaner zunächst entschieden, keine eigenständige Modellregion zu werden. Also kein Tourismus auf Sylt? Diese Frage war am Mittwoch offen und blieb es auch am Donnerstag. Möglich wäre es, sich dem etwas anders ausgestalteten Modellprojekt des Kreises Nordfriesland anzuschließen. Das aber würde unter anderem bedeuten: keine Corona-Testpflicht für Einheimische, kein möglicher Abbruch des Projekts, wenn die Corona-Inzidenz den Grenzwert von 50 überschreitet. Die Folge wäre: weniger Sicherheit.
Verzicht auf eigenständiges Tourismusprojekt
Der Sylter Verzicht auf ein eigenständiges Tourismusprojekt sorgte im Wirtschafts- und Verkehrsministerium für Stirnrunzeln. Denn die Sylt Marketing Gesellschaft, die auf der Insel die Pressearbeit offenbar auch bei politischen Entscheidungen übernommen hat, schrieb in einer Mitteilung: „Die Umsetzung unseres Konzepts, insbesondere der Test- und Kontrollvorgaben, setzt die Schaffung einer entsprechenden Rechtsgrundlage voraus. Das ist seitens des Landes nicht erfolgt.“
Minister Buchholz sieht das anders. „Das Land hat die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Modellprojekte geschaffen werden können“, sagte er. „Sylt wird sich nun den Bedingungen des Kreises Nordfriesland anschließen müssen oder eben nicht teilnehmen am Modellprojekt Tourismus.“
Sylter Hotellerie und Gastronomie reagieren auf Entschluss
Keine guten Aussichten für Hotellerie und Gastronomie auf der Insel. Deren Verbandsvertreter reagierten nun mit einem Schreiben an alle Sylter Bürgermeister und Gemeindevertreter, die in der kommenden Woche entscheiden wollen, wie es weitergeht. „Lassen Sie nicht zu, dass die Leitökonomie der Insel Sylt einen irreparablen Schaden nimmt“, heißt es in dem Schreiben.
In Sachen Modellregion ist also derzeit alles offen. Klar ist immerhin: Die Bahn kommt mit Verstärkung.