Kreis Pinneberg. Tourismus, Kultur oder Sport – anderenorts wieder möglich, hier nicht. Einige Bewerber kritisieren nun das Gesundheitsamt.

Zurück zur Normalität, so der allgemeine Wunsch nach 13 Monaten unter den Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Geschlossene Kultur- und Tourismusbetriebe sowie Sport nur unter ständig wechselnden Auflagen ergänzen den mit Kontaktbeschränkungen und fehlenden Ausgehmöglichkeiten tristen Alltag.

Damit es bei einem Infektionsgeschehen mit eigentlich zu hohen Inzidenzzahlen zu Öffnungen und Erleichterungen kommen kann, hat das Land Schleswig-Holstein Ende März das Konzept für Modellprojekte im Bereich Tourismus, Kultur und Sport ins Leben gerufen. Veranstaltern soll die Wiederöffnung mit Publikumstestungen gewährt werden. „Die Modellprojekte sollen dokumentieren, dass Tourismus, Kultur und Sport auch in Pan­demiezeiten mithilfe einer geordneten Strategie möglich sei“, heißt es in der Vorstellung des Konzepts.

Projektbeginn ist am 19. April, Bewerbungsschluss war daher bereits am 7. April. Die Entscheidung über die Vergabe der Modellprojekte hat das Kieler Innenministerium zu Wochenbeginn verkündet, und es gibt lange Gesichter. Aus keinem Bereich ist ein Bewerber aus dem Kreis Pinneberg berücksichtigt worden.

„Antragsbewertung hätte Arbeit beeinträchtigen können“

Aber die Absage erfolgte nicht, weil diese Konzepte schlechter waren als die der berücksichtigten Bewerber beispielsweise aus Flensburg, Kiel, Eckernförde oder Itzehoe. Sondern das Kreisgesundheitsamt sah sich außerstande, die obligatorische Unterstützung zu leisten. „In den Tagen vor Antragsfrist gab es im Kreis eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 pro 100.000 Einwohner, was auch die Belastung des Gesundheitsamtes durch positive Fälle und Kontaktpersonen widerspiegelt“, sagt Kreissprecherin Silke Linne auf Anfrage. „Es konnte vom Gesundheitsamt nicht sichergestellt werden, alle Anträge nach Hygienekonzept und Durchführbarkeit zu bewerten, ohne Aufgaben der Pandemiebewältigung und Kontaktnachverfolgung zu beeinträchtigen.“ Aus der Politik mahnt Jens Herrndorff, Vorstandssprecher der Grünen, Nachbesserungen in der Verwaltung an: „Leider sind die Gesundheitsämter chronisch unterfinanziert und unterbesetzt. Deshalb muss die personelle und technische Ausstattung dringend dauerhaft verbessert werden.“

Die Hummerbuden von Helgoland – keine Tourismusmodellregion.
Die Hummerbuden von Helgoland – keine Tourismusmodellregion. © picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack

Ein Leidtragender ist Helgoland. Der Gemeinderat der Nordseeinsel hatte am 6. April beschlossen, sich als Tourismusmodellregion zu bewerben, und die Bewerbung einen Tag später eingereicht. „Uns war klar, dass Helgoland so besonders ist, dass wir vielleicht nicht modellhaft sein können“, sagt Bürgermeister Jörg Singer. Der „Exot“ unter den Tourismuszielen des Landes wurde dann auch nicht ausgewählt. Doch von der Kreisverwaltung wurde zumindest diese Bewerbung trotz geringer Aussicht auf Erfolg unterstützt. „Von der Landrätin über das Gesundheitsamt bis zum Sozialamt stehen wir im laufenden Dialog und fühlen uns gut betreut“, sagt Singer.

Auch kulturelle Institutionen aus dem Kreis hatten sich beworben; am 19. April sollte es losgehen: Sechs Konzerte und Theatervorstellungen in sechs Wochen, trotz Pandemie – eine sinnvolle und überfällige Idee, das zu probieren. Neben Stefanie Fricke mit der Drostei kandidierte auch der Verein zur Förderung der Musik an der Rellinger Kirche: „Wir haben mit Kantor Oliver Schmidt ein Programm mit sechs Konzerten aus dem Boden gestampft“, so der Vorsitzende Michael Schopf. In der 760-Plätze-Kirche seien Konzerte mit 100 Besuchern spielend möglich, „mit Luca-App und strengem Hygienekonzept hätten wir das hingekriegt; dann hat uns das Gesundheitsamt des Kreises abgesagt.“

Stefanie Fricke wusste die Landrätin Elfi Heesch hinter sich, die dafür gekämpft hatte, dass der Kreis Pinneberg am Konzept beteiligt würde. Zwar war sie schon relativ weit mit ihrem Programm, „es war flexibel und verschiebbar“, so Fricke. Dann habe es von anderer Seite Bedenken gegeben, ob das das richtige Signal sei. Die Drostei-Chefin hat dann beschlossen, sich doch nicht zu bewerben. Aber: „Die Leute vom Gesundheitsamt waren freundlich und wohlwollend. Aber sie haben auch gesagt, dass sie am Anschlag seien und das Projekt nicht begleiten können“, sagt Fricke und hebt die Schultern. Das total überlastete Gesundheitsamt sei wohl die falsche Adresse, um sich zu beschweren.

Sportverband hat nur bedingt Verständnis für den Kreis

Die Basketballer des SC Rist Wedel wurden ebenfalls nicht ausgewählt.
Die Basketballer des SC Rist Wedel wurden ebenfalls nicht ausgewählt. © Frederik Büll | Frederik Büll

Eine Sichtweise, die Karsten Tiedemann, Geschäftsführer beim Kreissportverband Pinneberg, nicht teilt. Wie alle Kulturschaffenden im Kreis schauen auch Sportanbieter in die Röhre. Tiedemann: „Das ist sehr unglücklich gelaufen. Ich habe Verständnis für die angespannten Kapazitäten beim Gesundheitsamt; kein Verständnis habe ich dafür, dass die Kreisverwaltung noch nicht einmal das Gespräch mit uns gesucht hat.“

Viel Arbeit stecke in Bewerbungen wie vom SC Rist Wedel (das Abendblatt berichtete), VfL Pinneberg mit einer bodyART-Gruppe (ein yogaähnliches Fitnessangebot) oder auch den Elmshorner Schwimmsportlern. „Wir hatten ein Freiluft-Konzept präsentiert, mit dem wir älteren Jugendlichen und Erwachsenen sowie den Wasserballern endlich wieder ihren Sport ermöglicht hätten“, sagt Heike Pinkawa, Schwimmabteilungsleiterin beim FTSV Fortuna Elmshorn. „Wir haben viel in dieses Konzept investiert, der Verein hätte die rund 2000 Euro für die Tests übernommen – und dann wird die Bewerbung nicht mal angesehen.“