Kiel/Hannover. Tief „Sabine“ hat an der Nordsee Sand weggerissen – für Niedersachsen und Schleswig-Holstein wird es teurer als erwartet.

„Eine so dramatische Situation hat es seit sieben Jahren nicht mehr gegeben“, sagt Olaf Lies (SPD), Umweltminister des Landes Niedersachsen. „So schlimm war es seit 15 Jahren nicht mehr“, sagt Heike Horn, Bürgermeisterin der Insel Langeoog. Es sind unterschiedliche Einschätzungen einer Urgewalt: Der Sturm „Sabine“ hatte Anfang Februar enorme Kräfte entfaltet und in kurzer Folge fünf Sturmfluten in die Deutsche Bucht gedrückt. Die Inseln, der vorgelagerte Küstenschutz fürs Festland, spürten das am deutlichsten.

Weggerissene Strände überall – von Sylt an der Grenze zu Dänemark bis hin zu Borkum an der Grenze zu den Niederlanden. Die Reparatur wird viel Geld kosten. Schleswig-Holstein hat gerade 10,5 Millionen Euro dafür bereitgestellt, in Niedersachsen spricht man über bis zu 100 Millionen Euro, die nötig sind.

Wegen der langen Küstenlinie und den Ostfriesischen Inseln, die wie eine Perlenkette im Meer vor der Küste liegen, ist in Niedersachsen der Finanzbedarf besonders hoch. Welche Schäden der Sturm genau angerichtet hat, wird in den kommenden Wochen ermittelt. Zumal ja noch weitere Schäden hinzukommen können. „Bis April kann es noch weitere Stürme geben, wir sind noch nicht am Ende der Saison“, sagt Carsten Lippe, der Sprecher des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN).

Sturm an der Nordsee sorgte für Strandverluste und Dünenabbrüche

Klar ist jedenfalls schon: Auf allen Inseln hat es Strandverluste und streckenweise Dünenabbrüche gegeben. „Schäden an den Dünen traten dabei unter anderem auf Norderney im Bereich der Kugelbake östlich des Buhnensystems und auf Langeoog an der Schutzdüne Pirolatal auf“, sagte Lippe. Dies sind die Bereiche, die auch schon in der Vergangenheit bei Sturmfluten betroffen waren. In Wangerooge wurden rund 80 Prozent der Strände weggespült.

Umweltminister Lies hat den Insel-Bürgermeistern zugesichert, dass die Schäden behoben würden. „Es gibt keinen Zweifel, dass alle Maßnahmen finanziert und umgesetzt werden“, sagte er. Im Landeshaushalt stehen derzeit 61,6 Millionen Euro für Küstenschutz zur Verfügung – der gleiche Betrag wie im vergangenen Jahr. Das Geld ist schon verplant, für zusätzliche Maßnahmen wird also zusätzliches Geld benötigt. Das will Lies besorgen. „Dabei kann es im Einzelfall schon um mehrere Millionen für eine Insel gehen“, sagte er. „Der Schutz unserer Küste und die Abwehr von Gefahrenlagen für unsere Ostfriesischen Inseln dürfen keine Frage des Geldes sein. Für diese Aufgabe muss immer Geld zur Verfügung stehen.“

Weggespülte Strände bereiten Probleme für den Tourismus

Zudem gehe es nicht nur um den Küstenschutz, sondern auch um die Haupteinnahmequelle der Inseln. „Die Strände sichern auch den Tourismus auf den Inseln. Wir müssen sicherstellen, dass die touristische Nutzung auf Dauer möglich ist“, sagte der Minister.

In Schleswig-Holstein ist die Lage ähnlich. „Sabine“ hat auf Sylt erhebliche Schäden verursacht, auf Föhr hat es an der Südküste Sandverluste gegeben. Auf Amrum ist hingegen nicht viel passiert. „Der Kniepsand wandert schon seit Jahren nach Norden, das hilft der Insel“, sagt Birgit Matelski, die Chefin des Landesamts für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz. Wie viel Geld benötigt wird, um die Strände wieder herzustellen, ist derzeit unbekannt. Zunächst müssen Messungen vorgenommen werden: Wie viel Sand ist verschwunden? Wo muss wie viel aufgespült werden?

Zusätzliches Geld in Schleswig-Holstein

Angesichts kommender Ausgaben hat Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) jedenfalls schon einmal zusätzliches Geld bereitgestellt. Auf dem Weg eines Nachtragshaushalts wurden 10,5 Millionen Euro bereitgestellt – zur Behebung „der bei den aktuellen Sturmfluten entstandenen Schäden an der Westküste“. Mit diesen Mitteln sollen Sandvorspülungen auf den Inseln Sylt und Föhr finanziert werden. Das ist ein Anstieg um gut 50 Prozent. 2019 hatte das Land dafür nur 6,5 Millionen Euro ausgegeben.

Ob die 10,5 Millionen Euro reichen, um die Schäden zu beheben, wird wohl erst Ende März feststehen. Bis dahin sind alle Strände vermessen. Bei der alljährlichen „Strandbereisung“ auf Sylt wird Ende März festgelegt, welcher Badeort wie viel Sand bekommt. Ein Termin, der gelegentlich einem beinharten Feilschen ähneln soll.

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2019 wurden auf Sylt 1,2 Millionen Kubikmeter Sand aufgeschüttet. Jahr für Jahr wird das getan. Seit 1972 wurden insgesamt rund 50,2 Millionen Kubikmeter Sand aufgespült. Kosten: rund 228 Millionen Euro. Zu viel Geld für den Insel-Tourismus? Wer so denkt, hat das Meer nicht verstanden. „Sabine“ hat an den Deichen des niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Festlands kaum Schäden angerichtet – weil die vorgelagerten Inseln die Macht des Sturms gebrochen haben.