Kiel. Staatsanwaltschaft stellt Dokumente am Arbeitsplatz und Wohnung von DPolG-Landesvize sicher. Dieser vermutet politische Motivation.
Die Ermittlungen gegen einen Spitzenfunktionär der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) wegen der angeblichen Preisgabe von Interna schlagen politisch hohe Wellen in Schleswig-Holstein. Nach dem Bericht des Kieler Oberstaatsanwalts Henning Hadeler am Mittwoch im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags bleiben weiter wichtige Fragen unbeantwortet. Ermittler hatten am Dienstag die Geschäftsstelle der Gewerkschaft in Kiel sowie den Arbeitsplatz und die Wohnung von DPolG-Landesvize Thomas Nommensen durchsucht.
Der Fall hat reichlich Brisanz, denn der Polizist hat sich mehrfach kritisch im Zusammenhang mit der Affäre um mögliche Fehler in früheren Ermittlungen gegen Rocker zu Wort gemeldet. „Die Vorwürfe sind ausgesprochen konstruiert und entbehren jeder Grundlage“, sagte Nommensen. Er vermutet eine politische Motivation dahinter. Es sei der Versuch, ihn „als kritischen Gewerkschafter“ mundtot zu machen. „Das Ganze hat für mich den Anschein, als ob man ein Exempel statuieren will.“
Staatsanwalt bestreitet Zusammenhang mit Rockeraffäre
Dem widerspricht Oberstaatsanwalt Hadeler energisch: „Meine Behörde hat zu keiner Zeit Weisungen erhalten oder Kontakt zur Führung des Innenministeriums gehabt.“ Die Durchsuchungen stünden in keinem Zusammenhang mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Rockeraffäre. „Das gesamte Vorgehen - wie auch die Beschlüsse - haben keinen Bezug zum Untersuchungsausschuss oder der Tätigkeit des Beschuldigten als Gewerkschafter.“
Laut Staatsanwaltschaft geht es im Fall des Spitzenfunktionärs um den Anfangsverdacht des Durchstechens von Polizeiinterna an die Presse. Auslöser waren Anzeigen im Zusammenhang mit der Entlassung eines Polizeischülers, der mit einer Hakenkreuzbinde fotografiert worden war, sowie nach der Geiselnahme in der Justizvollzugsanstalt Lübeck im Juni. „Während der laufenden Geiselnahme sind Informationen der Polizei nach außen gedrungen“, sagte Hadeler. Es sei um das Foto des Geiselnehmers, dessen Bewaffnung und Forderung gegangen. „Das hatte erhebliche Sicherheitsrelevanz.“
Gewerkschaft legt Widerspruch gegen Sicherstellung ein
„Schnittmengen“ hätten zu dem Verdacht gegen den Gewerkschafter geführt. „Nach unseren Erkenntnissen gab es nur eine Person, die zu beiden Informationen Zugang hatte“, sagte Hadeler. Die Frage, auf wie viele Personen dies in beiden Fällen jeweils zutreffe, wollte der Oberstaatsanwalt nicht beantworten.
Nommensen und die Gewerkschaft hatten bereits am Dienstag Widerspruch gegen die Sicherstellung von Unterlagen, Computern und eines Telefons eingelegt. Die in der Geschäftsstelle gesicherten Daten einer Festplatte lägen sicher in einem Panzerschrank der Staatsanwaltschaft, sagte Hadeler. Vor einer Auswertung müssen Gerichtsentscheidungen zu den Widersprüchen abgewartet werden. Die bei Nommensen sichergestellten Unterlagen würden solange versiegelt im Landeskriminalamt (LKA) verwahrt.
Der ins Visier geratene Polizist zeigte sich sicher, dass es entgegen den Behauptungen „einen klaren Zusammenhang zur Rockeraffäre“ gebe. Das belege die Beschlagnahme eines höchst vertraulichen Schriftwechsels zwischen jenen Rechtsanwälten, die geschasste Ex-Ermittler der Soko Rocker vertreten, und ihren Mandanten sowie eines von ihm verfassten Dossiers zum Ausschuss. Dagegen habe er widersprochen. „Der Ermittlungsführer des LKA 224, der gestern bei mir im Haus waren, hat gesagt: Das interessiert ihn nicht. Er nimmt das trotzdem mit.“
Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet
Nach Darstellung Hadelers hätten die Beamten bei der Durchsuchung bei grober Durchsicht der Unterlagen keinerlei Bezüge zum Ausschuss erkannt. Diese hätten in dessen Arbeitszimmer „viele lose Blattsammlungen“ vorgefunden. Der Gewerkschafter habe dagegen „keinen ausdrücklichen Hinweis auf PUA-Relevanz“ gegeben. Für Nommensen gibt es deshalb zwei Möglichkeiten: „Entweder Herr Dr. Hadeler lügt bewusst oder Herr Dr. Hadeler ist vom LKA 224 falsch informiert worden.“
Nach der Sondersitzung des Landtagsausschusses sind wichtige Fragen weiter unbeantwortet. Ihm wäre lieber gewesen, wenn man den Fall „jedenfalls in politischer Hinsicht hätte abschließen können“, sagte der FDP-Innenpolitiker Jan Marcus Rossa. „Danach sieht es leider nicht aus und ich befürchte, dass uns auch dieser Fall weiter beschäftigen wird.“ Ähnlich äußerte sich sein SPD-Kollege Thomas Rother. Er hoffe, dass die Vorhalte stichhaltig seien und aufgeklärt würden. „Nach bisherigen Erfahrungen, war es schon öfters der Fall, dass politisch brisante Vorhalte der Staatsanwaltschaft Kiel letztlich zu einer Einstellung der Verfahren führten.“
Die Gewerkschaft selbst fuhr unterdessen große Geschütze auf: Die Landesregierung sei gefordert, „ein Machtwort zu sprechen und die Rechtsstaatlichkeit in Schleswig-Holstein endlich wieder herstellen zu lassen“. Dem entgegnete Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU): „Ich bin nicht der Meinung, dass der Rechtsstaat in Gefahr ist.“