Lübeck. Maike B. ließ sich im TV wegen ihrer angeblich schwerkranken Kinder bemitleiden. Nun steht sie wegen Misshandlung vor Gericht.
„Rumsitzen und heulen bringt uns nicht weiter“: Unter dieser Schlagzeile berichtete der „Spiegel“ Anfang 2014 über Maike B. Danach war die fünffache Mutter mit ihrer Geschichte Gast in zahlreichen TV-Shows, unter anderem bei „Stern TV“, „Markus Lanz“ und im „SWR-Nachtcafe“. Die Geschichte war ja auch gut:
Wie schafft es eine Mutter, vier behinderte Kinder zu pflegen? Wie kommt man mit dieser Riesenbelastung klar? Jetzt steht Maike B. in Lübeck vor Gericht. Der Vorwurf lautet: Die 49-Jährige habe die Krankheiten ihrer Kinder erfunden, um Sozialleistungen zu erschleichen. Und vielleicht auch, muss man angesichts der vielen TV-Auftritte hinzufügen, um bewundert zu werden.
Glasknochenkrankheit und Rheuma erfunden
Folgt man der Anklage, hat die Frau aus dem Kreis Ostholstein allerdings genau das Gegenteil von dem getan, was eine Mutter tun würde. Sie hat nicht dafür gesorgt, dass die Kinder gesund heranwachsen - sie hat sie krank gemacht. Rheuma, Asthma, Bluterkrankheit, Glasknochenkrankheit - unter alle diesen Defekten sollen ihre Kinder angeblich gelitten haben.
Ziel der Trickserei: Die Mutter wollte in den Genuss von Pflegeleistungen kommen. 140.000 Euro soll sich Maike B. erschlichen haben. Misshandlung Schutzbefohlener und gewerbsmäßiger Betrug: Um diese schwerwiegenden Straftatbestände geht es in dem Gerichtsverfahren. Die Angeklagte schweigt bislang zu den Vorwürfen.
Angeblich krankes Kind lief problemlos
Am Donnerstag, dem zweiten Prozesstag, kamen zahlreiche Zeugen zu Wort. Unter anderem sagte ein Schulbegleiter aus, der eines der Kinder zu betreuen hatte. An einem Lauftag der Schule sei das Kind problemlos eine Stunde lang gelaufen, berichtete der 51-Jährigen. Und das mit einer Glasknochenkrankheit? Der Schulbegleiter sprach die Mutter darauf an. Die habe gesagt, der Junge könne selbst entscheiden, wann er im Rollstuhl sitzen müsse und wann nicht.
Für Maike B. geht es in der Prozess um viel, um sehr viel. Sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass Vorwürfe der Staatsanwaltschaft stichhaltig sind, droht nicht nur eine Haftstrafe - sondern auch ein Verlust der Kinder. Die waren ihr nach Bekanntwerden der Verwürfe schon einmal entzogen worden. Maike B. war dagegen allerdings juristisch vorgegangen und hatte die Kinder zurückgekommen - vermutlich auch deshalb, weil der Verdacht einer Straftat nicht ausreicht, um einen derart schwerwiegenden Eingriff ins Familienleben zu rechtfertigen. Nach einer Verurteilung dürfte dies anders aussehen.
Kinder mussten im Rollstuhl sitzen
Laut Anklage hatte der Betrug im Jahr 2010 begonnen. Betroffen waren die 2002, 2005 und 2008 geborenen Söhne und die 2010 geborene Tochter. Die Mutter soll Arztberichte gefälscht haben, um die Pflegeversicherung von der Eingruppierung in eine entsprechende Pflegestufe zu überzeugen. Den Kinder soll sie beigebracht haben, sich entsprechend zu verhalten. Sie hätten immer wieder im Rollstuhl sitzen müssen.
Dies hatte die älteste Tochter (27) von Maike B., die seit 2014 nicht mehr bei den Eltern wohnt, am ersten Prozesstag bestätigt. „Meine Mutter hat den Kindern erzählt, ihre Krankheiten würden sich verschlimmern, wenn sie nicht im Rollstuhl säßen“, sagte sie. Sie selbst habe sich dem Ansinnen der Mutter widersetzt, als die ihr einreden wolle, sie leide wie ihre Brüder an Rheuma und der Glasknochenkrankheit.
Diverse Unstimmigkeiten
Bis 2016 soll der Betrug fortgesetzt worden sein. Dann stolperten Mitarbeiter der Kreisverwaltung Ostholstein über diverse Unstimmigkeiten. Auch Nachbarn war aufgefallen, dass die Kinder vormittags im Rollstuhl in die Schule gefahren wurden, nachmittags aber immer wieder mal ohne Rollstuhl draußen herumtollten.
Ob Maike B. ein zuversichtlicher Mensch sei, wird sie in der „Spiegel“-Reportage von 2014 gefragt. „Natürlich, das muss ich sein, sonst würde unser Schiff sinken“, sagt sie. Und dann folgt dieser Satz: „Aber ich würde auch untergehen ohne meine Kinder.“