St. Peter-Ording. Hier gibt es alles: Trubel und abgeschiedene Natur, weiten Strand und trendige Hotels, hat unser Strandreporter festgestellt.
Ein Banjo treibt die Füße an, und jetzt kann die Party richtig losgehen. Die Menschen schieben sich durch die Dorfstraße mit ihren Reetdächern, es riecht nach Bratwurst, Händler bieten Kunsthandwerk an – und ein Junge schnellt mit angewinkelten Armen nach vorn und tanzt wie der junge Michael Jackson. Im „Dorf“ von St. Peter-Ording ist die Stimmung bestens, und das Leben kocht. Ich brauche dringend eine Pause.
Also einen Kilometer zurück, eine Düne im Ortsteil Böhl herauf und Blick auf den Strand, nichts als Strand. Die Natur fühlen, fast wie auf Amrum, das ich am Mittag verlassen musste. Das Wasser liegt als glitzernder Streif am Horizont über dem weiten Sand. Rechts von mir traben Mädchen auf Pferden langsam in den Sonnenuntergang.
„Siehst du, dort gibt es alles“, würden die Bescheidwisser aus meinem Kollegen- und Freundeskreis nun sagen: Sankt Peter sei einfach die eierlegende Wollmilchsau unter den Ferienorten. Da müsse man sich schon verdammt dusselig anstellen, um keinen glücklichen Urlaub zu verleben. Für mich klingt das immer noch zu schön, um wahr zu sein.
St. Peter-Ording: Kitesurf-Hotspot und Natur
Am nächsten Morgen sitze ich in einem metallicgrauen Zimmer über der „Erlebnispromenade“. Bürgermeister Rainer Balsmeier erklärt, wie Sankt Peter ein kleines Märchen schrieb. „Früher war das ja verpönt, so einen Gemischtwarenladen von Ferienort zu betreiben“, sagt er. Aber Sankt Peter geriet nach der Jahrtausendwende gefährlich an den Rand eines Abstiegs, bevor es alles auf die Karte des Allesanbieters setzte. Kitesurf-Hotspot, Natur und etwas Shopping, Entspannung und Trubel, Kurortcharakter und Coolness.
60 Millionen Euro wurden in die Promenade und die Infrastruktur gesteckt, dann kamen auch die privaten Investoren. Die Zahl der Übernachtungsgäste verdoppelte sich in knapp einem Jahrzehnt. Heute ist „SPO“ wieder hip. So hip, dass schon die Frage auftaucht, wo das alles bloß enden soll.
Zur Schau getragene Lässigkeit
Ich wage mich direkt in eines der Mutterschiffe des neuen Sankt Peter: Das „Beach Motel“ ist ein holzgewordenes Stück Coolness. Der Manager des Vier-Sterne-Superior-Hauses, den alle nur „den Matze“ nennen, ist nicht zu sprechen; ich gehe davon aus, dass er gerade surft oder in Flip-Flops am Strand ein Meeting hält.
In der Verwaltung sagen sie schmunzelnd, das Hotel habe wie andere Surferläden „seine Zielgruppe dann doch um 20 Jahre verfehlt“. Auch am Café im „Strandhaus“ weiter südlich sitzen mehrheitlich Familien, die über Luxus sinnieren („Doch immer das, was man nicht hat. Gerade jetzt fände ich auch Berge gut“), und zufriedene Mittfünfziger, die sich das Lebensgefühl der Surfer urlaubsweise ausborgen. Dabei hilft die liebevolle Deko im Hinterhof. „Sankt Peter“ ist in Sachen zur Schau getragener Lässigkeit teilweise schon so weit, wie etwa Fehmarn vielleicht gar nicht erst kommen will.
Besseren Sand gibt es nur auf Amrum
Ich trete bald den Weg an den Strand von Ording an, um meiner höchsten Pflicht als Strandreporter zu walten – und halte förmlich fest: Mit diesem Sand (unten fest und darüber kaschmirweich), dieser Weite und seinen Pfahlbauten muss sich St. Peter-Ording im Rennen um den schönsten Sandstrand nur knapp der Insel Amrum geschlagen geben. Dass es fast immer längere Märsche oder Fahrradfahrten zum Wasser und zurück sind, sollte aber vor allem Eltern bewusst sein („Wir erreichen sie gar nicht mehr“ – eine Mutter beim Abendessen über das Gequake ihrer erschöpft-überdrehten Jungs).
Im Gegensatz zur Einsamkeit einer Insel sind da am Strand aber auch die Momente besonderer Verbindungen: der Schirmmützenträger, der einer Dame im Kleinwagen mit zwei nacktmullähnlichen Hunden Starthilfe gibt; eine Gruppe von Jugendlichen auf Plastikstühlen im Sand, alle bloß verliebt und frei. In der „54 Grad Strandbar“ trifft sich die ganze Bandbreite an Menschen auf gute Drinks zum Sonnenuntergang.
Ein Spaziergang durch den Ortsteil Bad sollte außerdem alle beruhigen, die schon vom Ausverkauf des Ortes sprechen. Zwar gibt es Geschäfte, in denen sich etwa ein Vermögen in Klamotten versenken lässt – der Großteil der Gebäude ist aber noch so altbacken, dass sich jeder angeberische Flaneur hier albern vorkommen müsste. „Im Kern bleiben wir hier konservativ“, sagt die Tourismusmanagerin Constanze Höfinghoff. Die Gastronomie umfasst fast alle Preis- und Qualitätsstufen (außer beim Kaffee – ein guter Barista: Hilf!). Das Nationalparkhaus bietet klassische, aber unterhaltsame Nachhilfe in Sachen Watt und Tierwelt für Familien.
St. Peter-Ording: Begrenzte Zahl der Großveranstaltungen
Ob „SPO“ noch lange bodenständig bleiben könne? Der Bürgermeister sagt, man wolle „gesund weiterwachsen“. Den spektakulären wie umstrittenen Plan für das Dünen-Hotel De Dün unterstützt er, weil er nicht in die Natur des Nationalparks eindringe, sondern sie aufgreife.
Dagegen habe er internationale Hotelriesen schon abkanzeln müssen, die ebenfalls große Pläne hatten: „Die wollten dann mal eben einen ganzen Wald zerhacken. Da braucht man dann auch nicht weiterreden“, so der Bürgermeister. An der Promenade, wo gefühlt immer gerade Bühnen auf- oder abgebaut werden, soll die Zahl der Großveranstaltungen begrenzt bleiben.
Ich lasse mir ein letztes Mal den Wind am Ufer ins Gesicht wehen, bummele zurück durch das Dorf, wo jetzt auch ein „Barber Shop“ moderne Bärte zurechtstutzt. Das Telefon klingelt, es ist „der Matze“, der Hotel-Manager. Er scheint wirklich einfach ein netter Kerl zu sein. Mein Fazit: St. Peter-Ording vereint Erholung, Trubel und bietet einen sehr schönen Strand – hat aber nicht das besondere Flair von Amrum oder Sylt.